Christian Ude steht auf der Bühne und ruft "die Lehre an diesem Ort" in die Menge: "Seid wachsam!" Es ist der Abend des 9. November, vor 100 Jahren wurde an diesem Ort, vor der Feldherrnhalle, der Hitlerputsch von der Polizei gestoppt. Jetzt findet hier eine Kundgebung gegen Hass und Hetze und Antisemitismus statt, der Verein "München ist bunt" hat sie organisiert.
"Mit einem gewissen Grant" ergänzt der Alt-Oberbürgermeister von der SPD seine Lehre: "Werdet endlich wachsam! Man muss bestimmte Wahlergebnisse zur Kenntnis nehmen und heute aktiv werden." Der Applaus ist kräftig, jede und jeder weiß, dass er die AfD meint, die es demokratisch zu bekämpfen gelte. Man müsse sich zur rechten Zeit engagieren, sagt Ude, und nicht hinterher, wenn es zu spät ist, sich beklagen, dass man leider nichts mehr tun könne. "Die Demokratie braucht starke Demokraten."

Wie viele Demokratinnen und Demokraten an diesem ganz besonderen Denk-Abend auf die Straße gehen, an dem auch an die von München ausgehende Reichspogromnacht vor 85 Jahren erinnert wird, darüber gehen die Schätzungen auseinander. Die Polizei sagt: 700. Dagegen schätzt Ude von der Bühne aus: "Tausende".
Auch SZ-Autor Heribert Prantl widmet sich in seiner Rede der AfD. Er plädiert für ein Verbot der Rechtsaußen-Partei. Wieder lauter Applaus. "Die Grundrechte sind nicht dafür da, um mit ihnen die Grundrechte zu bekämpfen", sagt er. "Die Demokratie darf sich nicht in die Hände ihrer Zerstörer begeben." Deshalb fordert er auch ein "politisches Aktionsverbot" für den "heimlichen Parteiführer der AfD", Björn Höcke.
Und er plädiert dafür, den führenden AfDlern in Thüringen und Sachsen-Anhalt das aktive und passive Wahlrecht zu nehmen. Das Instrument dafür sei Artikel 18 des Grundgesetzes: Wer die Freiheit der Meinungsäußerung und andere Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nutze, der verwirke diese Grundrechte. "Es ist höchste Zeit", ruft Prantl, "diese Instrumente zu entrosten."

Das "Nie wieder" sei "brüchiger geworden", sagt Ministerpräsident Söder
Am Nachmittag dieses Tages stehen vier Männer im Mittelpunkt, deren Namen kaum jemand kennt. Friedrich Fink, Nikolaus Hollweg, Max Schoberth, Rudolf Schraut. Die Spitze des Freistaats Bayern gedenkt der vier Landespolizisten, die sich zusammen mit Kollegen den Putschisten um Adolf Hitler in den Weg stellten und dabei getötet wurden. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nutzt die kleine Gedenkfeier für einen Appell an alle Demokratinnen und Demokraten, sich den Rechtsextremen entgegenzustellen. "Mag die Meute auch größer werden, mag die Radikalität auch zunehmen, wir können das abwehren, wenn wir zusammenstehen."
"Nie wieder" sei das Credo der Bundesrepublik, das aber sei "brüchiger geworden" in letzter Zeit. Nie wieder: Früher habe man das in der Überzeugung gesagt, dass alle aus der Geschichte gelernt hätten, niemand irgendetwas relativieren werde. Und heute? "Die Wahrheit ist", sagt Söder, "es passiert." Anfangs leise, aber immer lauter und aggressiver. Auch Söder spricht von der AfD: Wer die Vergangenheit relativiere, "der hat was vor für die Zukunft", sagt er. "Lassen wir es nicht zu."