Kürzlich ist Markus Büchler in seiner Heimatgemeinde Oberschleißheim auf den Schlittenhügel gestiegen und hat Ausschau gehalten - nach Windrädern. Zwei Anlagen kann man von dort aus im Münchner Norden sehen, in etwa acht Kilometern Entfernung. "Die waren soooo klein", sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete und macht mit Zeigefinger und Daumen eine Größe von etwa fünf Zentimetern deutlich. Was er seinen Zuhörern am Dienstagabend im Forstner Saal in Oberhaching bei einer gemeinsamen Veranstaltung von Grünen und SPD klarmachen will: Die sollen sich nicht so haben mit ihrem Alpenblick.
Die, das sind in diesem Fall die Vertreter im Regionalen Planungsverband (RPV), die in einer Sitzung im Januar 22 Vorranggebiete mit insgesamt 127 Quadratkilometer Fläche für den Bau von Windkraftkraftanlagen rund um München festgelegt haben. Nicht dabei ist der Perlacher Forst, der zwar prinzipiell als geeignet gilt, im abschließenden Entwurf des Steuerungskonzepts aber nicht als Windkraftstandort vorgesehen ist. "Als dieses Ergebnis kam, war ich persönlich sehr überrascht", drückt Sabine Hillbrand, die Grünen-Fraktionssprecherin im Oberhachinger Gemeinderat, ihre Enttäuschung zurückhaltend aus. Sie vermisse die politische Auseinandersetzung.
Die Mitglieder im Windkraftbeirat des RPV sind eigentlich streng wissenschaftlich nach dem Ausschlussverfahren vorgegangen, haben geschaut, wo in den Landkreisen rund um München, der Region 14, auf keinen Fall ein Windrad gebaut werden kann, sei es wegen der vorgeschriebenen Abstände zu Siedlungen, wegen Naturschutz, Militär oder Denkmalschutz. Christian Hierneis, der Vorsitzende der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe München, gehörte diese Arbeitsgruppe an und bestätigt in Oberhaching: "Es ging nur darum, das Wind-an-Land-Gesetz umzusetzen." Das heißt: Bis 2032 landesweit mindestens 1,8 Prozent der Fläche auszuweisen.
Das funktioniert in den anderen Planungsverbänden bayernweit ähnlich. In der Region München allerdings gibt es noch eine ganz spezielle Regelung, nur für den südlichen Bereich: Die Abstände von mindestens 15 Kilometern zwischen zwei größeren Windkraft-Standorten. "Die gibt es sonst nie, ein pauschaler Abstand ist ein Schwachsinn und hat mit Logik wenig zu tun", findet Martin Stümpfig, Sprecher für Energie und Klimaschutz der Grünen-Landtagsfraktion, ein Forstwirt und Umweltingenieur aus Feuchtwangen. Der Fachmann hat allein 80 Anlagen im Landkreis Ansbach gebaut, bevor Horst Seehofer als damaliger Ministerpräsident die 10-H-Regel einfiel. Das war 2014. Seither herrschte extreme Flaute im Ausbau, bis im vergangenen Jahr das Wind-an-Land-Gesetz wieder anschob.
Aber die eigene Abstandsregel des Regionalen Planungsverbands für den Münchner Süden stoppt nun im Hachinger Tal die Ambitionen von Unterhaching, Oberhaching, Taufkirchen und Grünwald, im Perlacher Forst Windräder aufzustellen. "Ich frage mich: Wie sind die darauf gekommen?", wundert sich Stümpfig. Büchler sieht damit den wissenschaftlichen Bereich des Planungsauftrags verlassen: "Das ist eine politische Frage, wer in den Genuss eines Alpenblicks kommen soll, die im Hinterzimmer ausgemacht wurde."
Auch wer einen freien Blick auf die Alpen möchte, braucht Strom
Die 22 Vorranggebiete berücksichtigen laufende lokale Planungen nicht. Bestehende Sondergebiete und Konzentrationsflächen sollen aber grundsätzlich wirksam bleiben und Kommunen über Bauleitplanung zudem zusätzlich Flächen ausweisen können. Der Perlacher Forst allerdings ist gemeindefreies Gebiet und gehört den Bayerischen Staatsforsten. Das macht es für die Kommunen nach jetzigem Stand kompliziert bis unmöglich, dort Windräder aufzustellen. Laut Stümpfig gab es früher direkte Verträge mit den Kommunen, dies sei wegen der von den Staatsforsten behaupteten "marktbeherrschenden Stellung" nicht mehr möglich. Stümpfig sieht diese marktbeherrschende Stellung zwar nicht.
Trotzdem bleibt den Windkraftbefürwortern im Hachinger Tal aktuell nichts anderes übrig, als neidisch nach Sauerlach zu schauen, das gemeinsam mit Otterfing und Aying bereits mit dem Bau von drei Windrädern begonnen hat und wo laut dem Dritten Bürgermeister Wolfgang Büsch (Grüne) im September "die Türme wachsen". Die Hachinger können durch ihre Stellungnahmen zum Steuerungskonzept des Planungsverbands vorerst nur ihren Unmut über die Abstandsregel bekunden und die Ausweisung des Perlacher Forts als Vorranggebiet fordern. "Wir müssen uns wehren und gemeinsam Druck machen, damit wir den Perlacher Forst noch dazu kriegen", sagt Büchler. Schließlich bräuchten auch die Leute, die einen Alpenblick haben, Strom.
Oberhachings Zweiter Bürgermeister Ludwig Pichler, wie der Planungsverbandsvorsitzende und Erste Bürgermeister Stefan Schelle bei der CSU, versucht ein wenig zu beruhigen: "Es wird ein demokratischer Prozess und durch Mehrheiten entschieden. Stefan Schelle hat gesagt: Wenn es Bürgerwille ist, kann man auch im Perlacher Forst Windräder bauen."
In einer früheren Version dieses Artikels fehlte der Hinweis, dass Stümpfig die marktbeherrschende Stellung der Staatsforsten anzweifelt. Wir haben das ergänzt.