Unterschleißheim:NS-Mahnmal vor dem Aus

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Weil ein Privateigentümer sein Grundstück am Lohhofer Bahnhof nicht veräußern will, kann die Stadt Unterschleißheim den Gedenkweg für die Zwangsarbeiterinnen der Flachsröste nicht realisieren.

Von Klaus Bachhuber und Sabine Wejsada, Unterschleißheim

Wie schwierig es sein kann, einen angemessenen Erinnerungsort zu schaffen, das ist aktuell am Beispiel der Stadt Unterschleißheim zu erleben. Bereits 2013 hatte die Kommune den Grundsatzbeschluss gefasst, an jene Menschen, vor allem Frauen, zu erinnern, die in der Flachsröste Lohhof als Kriegsgefangene oder aus ideologischen Gründen Zwangsarbeit für das Nazi-Regime leisten mussten.

2017 wurde die Konzeption für den mehrteiligen Gedenkweg gebilligt, der am Lohhofer Bahnhof beginnen sollte. Nun deutet einiges drauf hin, dass das Vorhaben komplett scheitern könnte. Der Grund: Bei der Vorbereitung wurde übersehen, dass sich ein zentrales Grundstück in Privatbesitz befindet - und der Eigentümer eine Nutzung nur übergangsweise erlauben will.

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Mit der Einbeziehung des Arbeitsweges, den jüdische Zwangsarbeiterinnen aus München vom Bahnhof Lohhof zur Flachsröste täglich zu gehen hatten, sollte das Bahnhofsumfeld zum zentralen Gedenkort werden. Am Seitenweg zur Fachoberschule, so der Plan, soll eine Gedenkstätte entstehen, entlang des Arbeitsweges zur Carl-von-Linde- und Siemensstraße sollen Stelen mit historischen Porträts an die geknechteten Menschen und ihre Leiden erinnern. Am tatsächlichen Standort ist schließlich ein Verweilort vorgesehen, der zusätzliche spezifische Informationen zur Flachsröste liefern soll.

Die Webseite zum "Erinnerungsort Flachsröste Lohhof" stellt die geplante Gedenkstätte für die Zwangsarbeiterinnen schon im Detail vor. Doch das ambitionierte Gedenkstätten-Projekt der Stadt Unterschleißheim wird so wohl nie umgesetzt. Die Panne in der Vorbereitung des Projekts, als die Eigentumsverhältnisse des zentral notwendigen Grundstücks übersehen worden waren, macht das bisherige Konzept zunichte. Mit den Gestaltern der Gedenkstätte soll nun versucht werden, das Projekt ohne sein Herzstück umzubauen.

Auf einem Grundstück am alten Lohhofer Bahnhof sollte der Gedenkweg beginnen; die Parzelle bei der Fachoberschule im Eigentum des Landkreises hat das Landratsamt schon dafür freigegeben.

Mit dem Investor konnte lediglich ein Gestattungsvertrag ausgehandelt werden - unbefristet und zu günstiger Miete

Zweiter Teil des Konzepts ist der Weg, den die meisten Zwangsarbeiterinnen in den Dreißigerjahren vom Bahnhof zur Flachsröste zurücklegen mussten. Ziel des Gedenkweges sollte ein historischer Lernort sein, an der Ecke Carl-von Linde- und Johann-Kotschwara-Straße auf dem Flurstück der einstigen Zwangsarbeitsstätte, mit Sichtkontakt zum alten Ort und zum historischen Standort der Röste.

Doch genau dieses Flurstück ist im Privatbesitz, was im Vorfeld der Planung niemandem aufgefallen war. Als die Stadt ihr Projekt präsentierte, lag dafür im Landratsamt schon ein Bauantrag für ein Tagungshotel vor. Der Antrag wurde vom Investor zwar zurückgezogen - und so versuchte nun die Stadt, das nötige Grundstückszipfelchen zu erhalten.

Ausgehandelt werden konnte aber lediglich ein Gestattungsvertrag, unbefristet und zu günstiger Miete - aber mit Haken: Der Eigentümer bestand auf nur zwölfmonatiger Kündigungsfrist, um für eigene Pläne flexibel zu bleiben. Aktuell habe er nichts im Köcher, hieß es aus der Stadtverwaltung, "das kann sich aber ändern". Man habe zwar besprochen, die Gedenkstätte in die späteren Planungen einzubeziehen, aber das sei nur "eine Absichtserklärung, keinesfalls aber eine Zusage".

Das ist dem Stadtrat zu vage. Wie ginge man an einem Tag X mit dem Denkmal um, wenn es abgeräumt werden muss, lautete die Frage in der Sitzung am Donnerstagabend im Kulturausschuss. Was würde das für den Fortbestand der weiteren Teile der Gedenkstätte bedeuten? Und wie stünde die Stadt da, wenn sie eine Gedenkstätte schleifen müsste? Einstimmig lehnte der Ausschuss den Vertragsentwurf mit dem Grundeigner ab. Das Kulturamt soll nun mit dem Historiker Maximilian Strnad, der die historischen Grundlagen für das Projekt entwickelte, und der Künstlerin Kirsten Zeitz, die den Entwurf für die dreiteilige Gedenkstätte lieferte, eine Umarbeitung klären. Ziel soll sein, einen vergleichbaren Inhalt auf zwei Standorten zu vermitteln oder eine völlig neue Konzeption zu kreieren

Im Juli 2019 hatte die Stadt einen Entwurf der Münchner Künstlerin als Grundlage des Mahnmals präsentiert. Insbesondere an der Lohhofer FOS/BOS wurden auch schon diverse Projektarbeiten dazu realisiert. Mit der Erinnerungsstätte wollte sich die Stadt vor den Zwangsarbeitern in der Lohhofer Flachsröste verneigen - und den 500 ausgebeuteten Frauen und Männern endlich ein Gesicht geben. Nun scheint alles wieder auf Anfang zu stehen.

© SZ vom 09.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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