Mindestlohn:"Ich zahle mindestens das Doppelte"

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"Für unseren Beruf muss man drei Jahre lernen und braucht viel Erfahrung, um ihn gut zu machen", sagt Jessica Tillmanns vom Neubiberger Frisiersalon "Kopfsache". Sie zahlt ihrer Mitarbeiterin Steffi Burkhardt entsprechend deutlich mehr als den Mindestlohn. (Foto: Claus Schunk)

Der Mindestlohn wird erhöht, und keiner merkt's: Diesen Eindruck könnte man bekommen, wenn man mit Unternehmern im Großraum München spricht. Angesichts des Fachkräftemangels bekommen hier selbst Aushilfen in der Regel deutlich mehr als die vorgeschriebenen 12,41 Euro.

Von Celine Imensek, Landkreis München

Die schrittweise Anhebung des Mindestlohns ist eines der großen Projekte der Ampelregierung, zum 1. Januar wurde der Satz auf 12,41 Euro erhöht. In der Region München allerdings profitiert kaum jemand davon. Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels und der hohen Lebenshaltungskosten im Ballungsraum müssen Arbeitgeber in der Regel deutlich mehr zahlen, wenn sie offene Stellen besetzen und ihr Personal dauerhaft halten wollen.

"Wir haben zu wenige Fahrer. Mit dem höheren Lohn verknüpfe ich die Hoffnung, dass meine Mitarbeiter bleiben", sagt Christian Baumann, Taxiunternehmer aus Kirchheim. Er zahlt seinen sechs Fahrern mindestens 14 Euro. Und das, obwohl Taxibetriebe laut einem Bericht der Mindestlohnkommission zu den Branchen gehören, die am häufigsten an der gesetzlichen Untergrenze zahlen.

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Nicht nur im Taxigeschäft ist die Realität im Münchener Umland anders, als es bundesweite Zahlen vermuten lassen. Laut Statistischem Bundesamt hilft der Mindestlohn vorrangig Arbeitenden in der Land- und Forstwirtschaft. Doch bei der Frage, ob seine Mitarbeiter die gesetzlich vorgeschriebenen 12,41 Euro bekommen, lacht Ludwig Hofberger, Inhaber des Forstbetriebs Hofberger in Oberhaching: "Ich zahle mindestens das Doppelte. Die Spezialmaschinen, die wir benutzen, kann ja nicht jeder bedienen."

Gute Kenntnisse spielen auch bei Jessica Tillmanns-Töpfer, Betreiberin des Friseursalons Kopfsache in Neubiberg, eine wichtige Rolle. Sie zahlt ihrer Mitarbeiterin 17 Euro pro Stunde und gibt ihr außerdem die Chance, bei guten Leistungen eine Umsatzprovision zu erhalten. "Für unseren Beruf muss man drei Jahre lernen und braucht viel Erfahrung, um ihn gut zu machen. Der Mindestlohn wäre da unmenschlich", sagt Tillmanns-Töpfer. Das Vorurteil, man verdiene in dem Beruf wenig, hält sie für überholt: "Jeder anständige Friseur in München dreht sich auf dem Absatz um, wenn man sagt, man zahle den Mindestlohn."

"Das sind mir die Leute einfach wert", sagt Gastwirt Marino Visintin

Selbst wenn man von Festangestellten in Vollzeit absieht, bekommen Arbeitskräfte in der Region oft mehr als gesetzlich vorgegeben ist. In den Neuen Bürgerstuben in Oberschleißheim verdienen auch Aushilfen 15 Euro die Stunde. "Das sind mir die Leute einfach wert. Die Masse an Gästen wäre ohne Personal gar nicht zu bewältigen", sagt der Chef des Restaurants, Marino Visintin. Anna Maria Eichinger vom Hotel Park Residence in Garching will das Gespräch direkt abbinden, als sie hört, dass es um den Mindestlohn geht. Das Thema betreffe sie schließlich nicht. Dass sie Löhne von mindestens 18 Euro zahlt, begründet sie ähnlich wie Visintin: "Wenn die Leute gut sind, mache ich das gerne. Schließlich bin ich von ihnen abhängig."

Spricht von einem "Arbeitnehmermarkt": Angela Inselkammer, die Geschäftsführerin des Brauereigasthofs in Aying und Präsidentin des Hotel- und Gaststättenverbands in Bayern. (Foto: Sebastian Gabriel)

Doch obwohl Arbeitgeber für gute Mitarbeiter gerne mehr bezahlen, sind die steigenden Lohnkosten für sie belastend. Ein höherer Mindestlohn bedeutet auch im Großraum München, dass Arbeitgeber mehr zahlen müssen, um sich der Konkurrenz aus Regionen mit niedrigeren Lebenshaltungskosten zu erwehren. Bei einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Bayern geben 52 Prozent der Mitglieder an, dass sie das Risiko "Arbeitskosten" als kritisch für ihre Geschäftstätigkeit ansehen. Bei einer Standortumfrage für den Landkreis München zählt der Standortfaktor "Personalkosten" zu den am schlechtesten bewerteten.

Angela Inselkammer, die Präsidentin des Bayerische Hotel- und Gaststättenverbands, findet eine Diskussion um den Mindestlohn gerade im Landkreis München unnötig: "Wir haben einen Arbeitnehmer-Markt. Der Lohn kann individuell verhandelt werden und jeder hat eine andere Vorstellung davon, was er will und braucht", sagt die Chefin des Brauereigasthofs Aying.

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