Naturschutz an der Isar:Geschundene Flusslandschaft

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Der Georgenstein bei Baierbrunn. (Foto: Robert Haas)

Während der Pandemie nimmt der Erholungsdruck an der Isar zu. Naturschützer beklagen die Untätigkeit der Behörden.

Von Claudia Wessel, Baierbrunn/Grünwald

Mountainbiker rasen durch die Auwälder entlang der Isar, der Georgenstein wird von morgens bis abends von Besuchern heimgesucht, die hinaufsteigen und bei schönem Wetter ins Wasser springen, Kajakfahrer landen an einsamen Kiesinseln im Wasser und lassen sich dort nieder - der Freizeitdruck an der Isar hat sich laut Manfred Siering, Vorsitzender der Ornithologischen Gesellschaft Bayerns und seit 20 Jahren Kämpfer am runden Tisch für den Erhalt des Isartals, seit der Corona-Pandemie verzehnfacht.

Darüber, dass das Landratsamt jetzt wie in jedem Jahr "brav eine Pressemitteilung herausgegeben hat", in der die Behörde auf die Sperrung einzelner Isarinseln für brütende Vögel hinweist, freut sich Siering durchaus. Gleichzeitig aber beklagt er "das Nichtstun der Behörden". Denn bereits seit geraumer Zeit gebe es eine ausgearbeitete "Verordnung zum Schutze des Oberen Isartals", diese wurde aber noch immer nicht veröffentlicht und gilt somit auch nicht. Gerade angesichts des "katastrophalen Einbruchs von Erholungsbetrieb" ins Isartal durch die Corona-Maßnahmen sieht er es derzeit als dringlichste Aufgabe des Landratsamtes an, diese Verordnung in Kraft treten zu lassen und entsprechende Schilder aufzustellen.

Die Gänsesäger. (Foto: Landratsamt)

Mountainbiker, die laut Siering die Natur an der Isar am schlimmsten schädigen, hätten auch nach dieser Verordnung noch immer an beiden Isarseiten zwischen Braunauer Eisenbahnbrücke und Schäftlarner Brücke jeweils 74 Kilometer Trails zur Verfügung. Diese müssten aber natürlich gekennzeichnet werden. "Wenn ich jetzt einen Mountainbiker anspreche, der auf dem falschen Trail fährt, sagt er zu Recht, dass er das nicht wissen kann", so Siering. Gäbe es endlich diese Verordnung, hätten auch die Polizeiinspektionen ein Mittel in der Hand, um Bußgelder auszusprechen. Außerdem, so Siering, "liegen die Schilder schon im Landratsamt".

Unter anderen kann man die Flussregenpfeifer in den Isarauen noch beobachten. (Foto: Landratsamt)

"Der Landkreis München strebt eine möglichst rasche Umsetzung des Lenkungskonzeptes für die Mountainbiker an", erklärt dazu Landratsamt-Pressesprecherin Christina Walzner. Neben der Klärung offener Fragen sollen als nächstes Gespräche mit den betroffenen Grundeigentümern hinsichtlich der auf dem Routennetz erforderlichen Maßnahmen geführt werden. "Die Beschilderung vor Ort und der Erlass der geplanten Verordnung können erst nach diesen Schritten in die Tat umgesetzt werden."

Die Flussuferläufer an der Isar sind stark gefährdet. (Foto: Thomas Grüner/oh)

Das Landratsamt weist in seiner Pressemitteilung darauf hin, dass bestimmte Isarinseln, auf denen Vögel brüten, bis 10. August abgesperrt sein werden - eine Aktion von Naturschützern, die es laut Siering seit 1970 gibt. Es geht dabei um rund 30 Kiesbänke zwischen München und Bad Tölz. Dort wurden Pfosten aufgestellt, die mit blauem Band verbunden sind, dazu blaue Schilder mit einem weißen "V" als Hinweis auf Vogel-Brutgebiet. Zu finden sind auf diesen Isarinseln vor allem die seltenen Arten Flussuferläufer und Flussregenpfeifer. Aber auch Entenvögel wie Stockente, Gänsesäger oder Reiherenten nutzen die Inseln, um sicher vor Räubern ihrer Eier zu sein.

Diese Orte zu schützen und sie auf keinen Fall zu betreten, sei eine gute Maßnahme, sagt Siering. "Der große Massenmord an der Landschaft findet aber nebenan statt", beklagt er. Gemeint sind damit vor allem die Moutainbiker. Siering, der regelmäßig in den Isarauen unterwegs ist und Vögel beobachtet, sieht dabei auch viele Radler. "Als ich vor kurzem unterwegs war, ist einer vier bis fünfmal an mir vorbei gerauscht. Der ist immer wieder dieselbe Strecke über Wurzeln gefahren, um sich einen Kick zu verschaffen." Eine Unsitte dieser Sportler sei es auch, Abhänge immer wieder hinunterzufahren. "Die lösen damit eine Welle von Geröll aus, das hinter ihnen gelockert wird und zerstören damit die Landschaft", klagt Manfred Siering.

Man könne aber die Isar nicht mit Abenteuer-Radl-Gebieten vergleichen, wie es sie etwa in den USA gebe. "Die Isar ist das einzige Wildflussgebiet in Bayern, das nicht durch eine Staustufenkette unterbrochen ist", erklärt Siering. Als solches sei es eine Wanderlinie für Pflanzen und Tiere, die sich zwischen den Alpen und der Donau und sogar bis zum Schwarzen Meer hin- und herbewegen. Das Isartal ist als Flora-Fauna-Habitat gekennzeichnet. "Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, es zu schützen", sagt Siering. Die Ausführung dieses Schutzes überlässt sie natürlich den örtlichen Behörden.

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Manfred Siering möchte das Betreten der Isarauen und Kiesbänke nicht verbieten. Beim Baden am Georgenstein sollte man sich aber bewusst sein, dass auf diesem Stein auch Gebirgsstelze und Wasseramsel brüten.

Eine Idee für eine Lösung haben die Grünen. Im Gemeinderat von Grünwald hat ihre Vertreterin Ingrid Reinhart das Problem erst kürzlich wieder thematisiert. "Eine der Lösungsmöglichkeiten, die Besucherströme und das Mountainbiken besser regulieren zu können, wäre das Isartal südlich von der Großhesseloherbrücke unter Naturschutz zu stellen", sagt Reinhart. Bereits 2013 hätten die Grünen dies im Kreistag beantragt und dafür auch eine Mehrheit gefunden. "Seitdem ruht der Antrag jedoch bei der Regierung von Oberbayern, die ihn angeblich ,aus Mangel an Personal' nicht bearbeiten kann", so Reinhart.

© SZ vom 01.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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