Es waren Bilder wie aus dem Hambacher Forst, jenem symbolträchtigen und umkämpften Waldstück, das dem Braunkohle-Tagebau weichen soll und immer wieder von Umweltaktivisten besetzt wird: Auch im Forst Kasten errichteten Umweltschützer Baumhäuser, spannten Transparente. Vergangene Woche wurde das Camp von der Polizei aufgelöst.
Der Widerstand richtet sich gegen den geplanten Kiesabbau der Firma Gebrüder Huber Bodenrecycling GmbH aus Neuried auf etwa neuneinhalb Hektar im Forst Kasten und die damit verbundene Rodung des Waldes. Der Sozialausschuss des Münchner Stadtrats hat dafür grünes Licht gegeben, demnächst muss womöglich auch das Münchner Landratsamt eine Entscheidung fällen. Und Landrat Christoph Göbel (CSU) lässt durchblicken, dass er eine Genehmigung nahezu ausschließt. Noch aber sei weder ein Rodungsantrag noch ein Antrag auf Auskiesung in seiner Behörde eingegangen.
Natur in München:Wie geplante Rodungen im Forst Kasten noch verhindert werden können
Der Kiesabbau und der Kahlschlag dafür hat dort Tradition: Seit sechs Jahrzehnten wird im großen Stil die Schotterebene ausgebeutet. Das hat auch politische Gründe - und könnte bald Geschichte sein.
Dass in dem sensiblen und geschützten Gebiet Forst Kasten Kiesabbau überhaupt möglich ist, liegt daran, dass es ein sogenanntes Vorranggebiet ist; die im Planungsverband München versammelten Partner - neben der Landeshauptstadt acht Landkreise der Region - haben diese Gebiete ausgewiesen, zu denen das Würmtal gehört. Vorrang aber heißt nicht automatisch Genehmigung. Auch das Landratsamt hat ein gehöriges Wort mitzureden, vor allem wenn es um einen Aspekt geht, der dem Vorrang diametral entgegen stehen kann: die Verträglichkeit.
Und an der könnte die Genehmigung laut Göbel scheitern. "Ich gehe derzeit nicht davon aus, dass die Verträglichkeit vorhanden ist", sagt er. Dies liege daran, dass das Abbaugebiet nicht erschlossen sei, es müssten Zufahrten gebaut und zusätzlich Wald gerodet werden; innerhalb des Planungsverbandes hätten sich die Partner aber darauf geeinigt, dass Kiesabbau so umweltverträglich wie nur möglich sein müsse - ohne eine weitere Zunahme an Verkehr etwa durch dann unumgängliche Lkw-Fahrten.
Zudem, macht Göbel deutlich, gebe es bereits das Abbaugebiet der Firma Glück in Gräfelfing, ein "sinnvolles Gebiet", weil dort der Kies mit einem unterirdischen Förderband abtransportiert und dann im Werk des Unternehmens weiterverarbeitet werde. Und ein zweites Abbaugebiet zur selben Zeit sei eben nicht verträglich.
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Das wurde bereits 2019 deutlich. Damals hatte die Firma Glück bei der Regierung von Oberbayern beantragt, auf der sogenannten Dickwiese des Kreuzlinger Forstes auf einem 24,5 Hektar großen Areal Kies abbauen zu dürfen. Einer Fläche, die sich nicht im Vorranggebiet befindet. Daher musste in einem eigenen Raumordnungsverfahren die Verträglichkeit des Projektes bewertet werden - was der Kreistag auch tat. Und zwar mit einer klaren Botschaft: Einstimmig lehnte der Ausschuss für Energie, Landwirtschaft und Umweltfragen das Verfahren ab, da er Kiesabbau auf der Dickwiese als "nicht raumverträglich" beurteilte, weil dieses - anders als das Abbaugebiet im Forst Kasten - eben nicht mit einem Förderband erschlossen und Angaben der Firma Glück zufolge mit 300 Transportfahrten am Tag zu rechnen wäre.
Was aber würde passieren, wenn die Vorranggebiete aufgehoben würden - was politisch machbar wäre? Selbst dann könnte Kiesabbau im Landkreis nicht per se verhindert werden, sagt der Landrat; dann müsste per Raumordnungsverfahren entschieden werden oder mit einem "ganz normalen Ausweisungsrecht". Göbel selbst plädiert dafür, "kleinteiliger" Kies abzubauen - "auch im Würmtal". Für einen dezentraleren Kiesabbau setzt sich auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler aus Unterhaching ein, zudem, sagt sie, müsse der Freistaat eine "echte Kreislaufwirtschaft" vorantreiben, die Ressourcen müssten geschützt und geschont werden. "Ich kann die Menschen im Würmtal verstehen, dass sie nach fünf Jahrzehnten Kiesabbau vor der Nase die Schnauze voll haben", sagt Köhler.
Dass der Sozialausschuss des Münchner Stadtrats auch mit den Stimmen der Grünen dem Kiesabbau zugestimmt hat, erklärt Köhler mit dem Druck, unter dem die Stadträte standen. Hätten sie ihre Zustimmung zu dem Vorhaben verweigert, könnten sie laut Köhler mit Schadenersatzforderungen konfrontiert werden. Hintergrund ist, dass die Mitglieder des Sozialausschusses auch Mitglieder des Stiftungsrates der Heiliggeistspital-Stiftung sind, der der Wald gehört. "Unter diesem Druck Entscheidungen fällen zu müssen, ist unglaublich", sagt Köhler. "Das beschädigt das Vertrauen in die Politik."
Den Neuriedern sind unterdessen "die Hände gebunden", wie Bürgermeister Harald Zipfel (SPD) sagt. Zwar liegt das mögliche Abbaugebiet auf Gemeindegebiet, die Entscheidungsmacht aber haben eben andere. Neurieds Ziel ist es, die Vorrangfläche für Kiesabbau im Forst Kasten aus dem Regionalplan zu streichen. "Das haben wir uns selbst auf die Fahne geschrieben." Die Gemeinde könnte einen Antrag beim Planungsverband einbringen. Derzeit wird laut Zipfel daran gearbeitet, die beste Argumentationslinie zu finden, um auch die anderen Ausschussmitglieder zu überzeugen. Auch Göbel sagt, der Impuls müsse von den Kommunen kommen. Betrachte man die Kieswerke rund um München, sagt Zipfel, sei der Forst Kasten das einzige Gebiet, das Bannwaldstatus habe, Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiet sei.
Die Bürgerinitiativen, die sich der Rettung des Würmtaler Waldes verschrieben haben, lassen derzeit den Beschluss des Sozialausschusses juristisch untersuchen. "Der ganze stiftungsrechtliche Hintergrund gehört auf den Prüfstand", sagt Astrid Pfeiffer, eine der Akteurinnen. Wie auch Bürgermeister Zipfel ist sie der Meinung, die Stadträte hätten es darauf anlegen sollen, gegen den Zuschlag zu stimmen. Der Fall wäre dann vor Gericht gegangen. "Ich glaube nicht, dass der Schadenersatz durchführbar ist", sagt Zipfel.
Um den Kies im Würmtal wird es noch lange nicht ruhig werden. Die Gräfelfinger Firma Glück hat inzwischen einen Antrag gestellt, in einem anderen Gebiet, im Lochhamer Schlag nördlich der Würmtalstraße, auf einem Areal von etwa 11,4 Hektar Kies abbauzubauen. Das ist größer als die Fläche, die derzeit im Forst Kasten zur Debatte steht. Der Bauausschuss des Gräfelfinger Gemeinderats berät dazu erstmals an diesem Donnerstag.