Landtagswahl:Duell der Geschwächten

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Angesichts schlechter Umfragewerte ihrer Parteien versuchen CSU-Ministerpräsident Markus Söder und SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen mit ihren Auftritten in Keferloh die Anhänger zu mobilisieren.

Von Martin Mühlfenzl, Grasbrunn

In weißen und blauen T-Shirts haben sich die Mitglieder der Jungen Union an diesem Sonntagvormittag als Spalier am Eingang des Festzelts in Keferloh aufgereiht. "Söder Team" ist auf den Trikots zu lesen. In den Händen halten die Jung-Unionisten Schnüre mit hellblauen Luftballons, die irgendwie schlaff und unentschlossen auf Halbmast hängen - in etwa so wie die CSU in den aktuellen Umfragen vor der Landtagswahl am 14. Oktober.

Dann kommt Markus Söder. Die Böllerschützen knallen, der Defiliermarsch erklingt und der Ministerpräsident zieht ins Zelt ein, wo sich bereits auf engstem Raum die lokale Parteiprominenz tummelt. Nähe wollen sie demonstrieren an diesem Sonntagvormittag in Keferloh - und Zuversicht. Sechs Wochen vor der Wahl bietet das Bierzelt in Keferloh, wo an diesem Montag der traditionelle Keferloher Montag stattfindet, Gelegenheit, die heiße Phase des Wahlkampfs einzuläuten, die Getreuen zu motivieren und die Unentschlossenen aufzurütteln. Als der Haarer CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch von der Bühne aus übers Mikrofon den Ministerpräsidenten willkommen heißt, schnellt dieser blitzschnell im Stile eines Boxers von seinem Platz nach oben und winkt ins nahezu voll besetzte Zelt - ganz so als wolle er alle Bedenken vor dem Urnengang, der für seine Partei und auch für seine eigene politische Karriere so wichtig ist, in diesen Sekunden wegwischen.

Weidenbusch, den Söder bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Freund - nicht als Parteifreund - bezeichnet, arbeitet sich kurz an der Begrüßung aller bekannten und nicht ganz so bekannten Gäste ab. Dann wir das erste Mal angestoßen. Was folgt, ist Söders obligatorische Eloge auf die Kraft des Südens. Das klingt dann so: "So gut wie heute ging es uns nie." Und: "Das deutsche Leistungsherz ist der Süden." Und der Freistaat ein Vorbild für andere. Danach geht es um die großen Themen: die "Balance aus Ordnung und Sicherheit" zum Beispiel. Bayerns sei führend, wenn es um "Humanität" in der Zuwanderung gehe. Ein anerkannter Flüchtling bekomme hier "alle Chancen"; wer aber straffällig werde, müsse das Land verlassen.

Beifall für die Parteifreunde: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag vor seiner Rede im Keferloher Festzelt. (Foto: Claus Schunk)

Das Thema zieht sich auch durch andere Teile seiner Rede, etwa wenn Söder ankündigt, der Gängelung der Landwirte Einhalt gebieten zu wollen: "Wir wissen bis heute nicht, wer wo bei uns im Land ist, aber wir wissen ganz genau, welche Kuh auf welcher Weide steht."Auch das Thema Pflege will er anpacken und "Bayern zum Pflegeland Nummer eins machen". Und er will die Familien stärken. Auf zwei Wegen: mit mehr Betreuungsplätze, aber auch mit Familiengeld, damit sich Eltern entscheiden können, ob sie ihre Kinder zu Hause betreuen wollen. Es folgt ein der Frontalangriff auf den Koalitionspartner in Berlin: "Die Bundes-SPD sagt, eigentlich ist das eine Supergeschichte", ruft Söder ins Zelt. "Aber die Schwächsten dürfen es nicht bekommen. Die SPD hat völlig den Kompass verloren", sagt Söder zum Streit mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) über die Anrechnung des bayerischen Familiengelds auf Hartz IV. Zumindest hat der Kompass gereicht, damit die SPD tags zuvor den Weg ins Keferloher Festzelt fand. Die politischen Veranstaltungen rund um den Keferloher Montag sind ja irgendwie auch immer ein Duell der beiden Volksparteien. Und noch mehr als die CSU mit ihren 36 Prozent in den Umfragen muss die SPD ihre Wähler mobilisieren - sie liegt aktuell bei gerade mal 13 Prozent. Und während sich Christsoziale und Sozialdemokraten im Sinkflug befindet, verteilt ein Kandidat jener Partei, die sich gerade anschickt, in Bayern zweitstärkste zu werden, vor dem Festzelt Flugblätter, auf denen er zu einer "schwarz-blauen Koalition" aufruft.

Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter jedenfalls versuchen am Samstag vor etwa 300 Zuhörern Zuversicht zu verbreiten und die Genossen auf eine intensive Schlussphase des Wahlkampfs vorzubereiten. Auch Attacken auf Söder und die CSU bleiben nicht aus. "Die Arroganz der Macht ist nur schwer zu ertragen", sagt Reiter. Mit "Anstand, Moral und glaubhafter Politik", so Reiter weiter, müsse die Politikverdrossenheit bekämpft werden. "So kriegen wir die anderen auch klein", verspricht der OB, ohne die AfD beim Namen zu nennen. Mit Blick auf den 14. Oktober hegt er die Hoffnung, "dass Söder der kürzeste Ministerpräsident in Bayern wird, den es je gegeben hat". Nicht von der Statur her - sondern von der Dauer der Amtszeit.

Zum Thema Anstand hat am Sonntag auch der CSU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn etwas zu sagen. "Eine politische Mitbewerberin hat am Samstag behauptet, bei uns wird das Zelt nur voll, weil es Freibier gibt", sagt er. Unanständig sei das, schenke die CSU doch überhaupt kein Freibier aus. "Da sind bei der SPD alle Tische mit roten Fahnen dekoriert, aber nur die ersten beiden Reihen besetzt. Da kann ich schon verstehen, dass man in Panik gerät", spottet Hahn.

Das zeitlich versetzte Fernduell lässt erahnen, wie sehr Kohnen und Söder versuchen, Aufbruchstimmung unter den eigenen Anhängern zu wecken. Kohnen will die Genossen mit dem Thema Wohnen, "der sozialen Frage der kommenden Jahre und Jahrzehnte", auf Stimmenfang schicken - auch und gerade in München und dem Landkreis. Dabei giftet sie auch gegen die Staatsregierung: "Die Kommunen und der Bund bauen. Der Freistaat aber baut nicht, obwohl er bauen müsste." Das stehe so auch in der Bayerischen Verfassung.

Söder indes will mit einem Füllhorn punkten, aus dem die Themen und Wohltaten nur so herauspurzeln. "Dann schreiben die Medien: Der Söder macht so viel", sagt der Ministerpräsident. "Wir sind wirklich das einzige Land, in dem der Vorwurf kommt, die tun was."

Wie das Duell in Keferloh ausgegangen ist? Das wird sich am 14. Oktober zeigen.

Mehr zu den Auftritten von Söder und Kohnen in Keferloh unter www.sz.de/muenchen/landkreismuenchen.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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