Ortsentwicklung:Geplante Hochhaus-Skyline schockt Unterhaching

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Hochhäuser, wo jetzt noch freie Fläche ist: So stellt man sich in Ottobrunn das neue Gewerbegebiet am Landschaftspark vor. (Foto: Henn Architekten)

Ottobrunn will direkt am Landschaftspark 70 Meter hohe Bürotürme für bis zu 8000 Arbeitsplätze zulassen. Die Nachbargemeinde droht jetzt mit einer Klage, sollte das Vorhaben nicht noch geändert werden.

Von Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl, Unterhaching/Ottobrunn

Das Ottobrunner Gewerbegebiet Nordost soll zukünftig den schicken Namen "Campusareal" tragen. Damit verbunden ist ein umfangreicher Ausbau des Standorts zwischen der Staatsstraße 2078 und dem Finsinger Feld. Doch dieser Ottobrunner "städtebauliche Masterplan" mit bis zu 70 Meter hohen Bürotürmen für 5000 bis 8000 Arbeitsplätze löst in der Nachbarkommune Entsetzen aus.

Eine solche Skyline direkt neben dem Landschaftspark Hachinger Tal will Unterhaching nicht hinnehmen. Jetzt spitzt sich der Konflikt zwischen den Nachbargemeinden zu. Geht Ottobrunn nicht auf die geforderten Änderungen der Planungen ein, will Unterhaching klagen.

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Bereits mit Bekanntwerden der Erweiterungspläne am Finsinger Feld im vergangenen Sommer hatte Unterhaching eine Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet. Schon damals übten die Unterhachinger scharfe Kritik an dem Vorhaben, zu dem "keinerlei Ermittlungen oder gar eine Bewertung der - offensichtlich - erheblichen Auswirkungen auf das städtebauliche Grundkonzept des Landschaftsparks Hachinger Tal stattgefunden haben", wie die Gemeinde bemängelte.

In dem Schreiben der Anwaltskanzlei Rittershaus an Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) erinnerte man an die planerischen Leitgedanken des Landschaftsparks als naturnahes, extensives Naherholungsgebiet für die Anrainergemeinden und die südöstlichen Münchner Stadtteile. Die Besucher sollen Weite erleben, im Süden die Berge sehen, aber keine Gebäude wahrnehmen. Man soll sich wie in der freien Natur fühlen. Zudem befürchtet man in Unterhaching durch die vielen neuen Arbeitsplätze einen weiteren, nicht zu bewältigenden Zuzug und eine Zunahme an Verkehr.

Zwischen Ottobrunn und Unterhaching gibt es Streit darüber, ob am Landschaftspark ein Gewerbegebiet entstehen soll. (Foto: Sebastian Gabriel)

Mit all diesen Einwänden habe sich Ottobrunn inhaltlich überhaupt nicht auseinandergesetzt, stellte Unterhachings Referatsleiter Ortsentwicklung, Stefan Lauszat, in der Bauausschusssitzung fest und sagte: "Ottobrunn versucht durch umfangreiche Gutachten, alles abzubügeln." Tausend Seiten habe er gemeinsam mit seinem Kollegen durcharbeiten müssen. "Das ist auch eine Taktik, einem möglichst viel Material zu lesen zu geben", findet Lauszat.

Zufriedengestellt hat den Referatsleiter die umfangreiche Lektüre nicht. Im Gegenteil: Statt einer verträglichen Reduzierung des Baurechts weite die Gemeinde Ottobrunn das festgesetzte Baurecht sogar noch einmal deutlich aus. Gegenüber dem ersten Entwurf erhöhten sich die Geschossflächenzahlen um bis zu 30 Prozent, die Grundflächenzahlen um bis zu 25 Prozent und die zulässigen Wandhöhen um drei Meter. Etwa 300 000 Quadratmeter Gewerbefläche sollen so entstehen.

"Wenn das tatsächlich kommt, wird es massiven Einfluss auf die Bauleitplanung der gesamten Umgebung haben und Begehrlichkeiten wecken." Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD). (Foto: Claus Schunk)

Wie das genau aussehen könnte, wenn man im Landschaftspark steht und seinen Blick auf das Finsinger Feld richtet, kann man in Unterhaching nur erahnen. Den Unterhachingern liegt eine Visualisierung des Projekts nach eigener Darstellung bisher nicht vor, in Ottobrunn wurde dagegen der Entwurf der Münchner Architekten des Büros Henn bereits präsentiert. In Unterhaching vermutet man eine Absicht dahinter. Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) sieht allerdings nicht nur das Areal Landschaftspark beeinträchtigt, sondern er befürchtet Auswirkungen auf das ganze Hachinger Tal. Er warnt: "Wenn das tatsächlich kommt, wird es massiven Einfluss auf die Bauleitplanung der gesamten Umgebung haben und Begehrlichkeiten wecken."

Die Anwaltskanzlei Ritterhaus hat jetzt ein zweites Schreiben an das Ottobrunner Rathaus gerichtet, in dem der Nachbarkommune "weiterhin erhebliche Fehler" im Entwurf des Bebauungsplans vorgeworfen werden, "die zu dessen Unwirksamkeit führen werden". Der Ton ist noch schärfer als bei der ersten Protestnote. Die Anwälte schreiben: "Einmal mehr zeigt die Gemeinde Ottobrunn bei dieser Vorgehensweise, dass sie die privaten Interessen der Eigentümer und das Interesse an höheren Gewerbesteuereinnahmen an erste Stelle stellt. Die berechtigten Belange der umliegenden Gemeinden und der betroffenen Anwohner spielen bei der vorliegenden Planung dagegen erkennbar keine Rolle." Sie bezeichnen die Folgen der vorliegenden Planung als "erheblich", die Qualität des Zusammenlebens werde sich verschlechtern.

Unterhaching sei viel weniger betroffen als Neubiberg, heißt es aus dem Ottobrunner Rathaus

Nach Ansicht Unterhachings kann das von Ottobrunn vorgelegte Gutachten weder die Zunahme des Verkehrs widerlegen noch setzt sich die Nachbargemeinde mit dem zu erwartenden lokalen Zuzugsdruck auseinander. "Bei einem Campus gehen wir davon aus, dass Büros dominieren", sagt Christian Franke von der Unterhachinger Bauverwaltung. Bis zur nächsten S-Bahn-Station seien es 1,3 Kilometer, der Bus werde genauso im Stau stehen. "Wir können uns auch nicht vorstellen, dass morgens 3500 Radfahrer über die Landebahn fahren", sagt Bürgermeister Panzer. Denn in Ottobrunn würden die wenigsten Mitarbeiter der neuen Firmen wohnen, schätzt man in Unterhaching. Für diese gebe es in Ottobrunn weder Wohnraum noch könne neuer geschaffen werden, weil die Gemeinde bereits zu 87,5 Prozent bebaut ist.

Das sei "wohl Unterhachinger Stil": Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) wirft der Nachbargemeinde vor, mit falschen Behauptungen zu agieren. (Foto: Claus Schunk)

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) widerspricht den Vorwürfen aus Unterhaching vehement und wirft seinerseits den Nachbarn vor, dies sei "wohl Unterhachinger Stil". Falsch sei die Behauptung, es könnten bis zu 8000 neue Arbeitsplätze auf dem Areal entstehen. "Es geht um 4000 bis 5000 Arbeitsplätze, und das nicht auf einen Schlag, sondern das Projekt wird sich über mindestens 15 Jahre hinziehen." In diesem Zeitraum, so Loderer, könnten auch die notwendigen verkehrlichen und infrastrukturellen Maßnahmen umgesetzt werden, die für so ein Vorhaben notwendig seien. Ottobrunns Rathauschef räumt aber ein, dass ein Projekt dieser Größenordnung Auswirkungen auf die Nachbargemeinden habe. "In diesem Fall aber am allerwenigsten auf die Gemeinde Unterhaching. Neubiberg ist in diesem Fall viel mehr betroffen."

Der Ottobrunner Gemeinderat hat sich Loderer zufolge sehr intensiv mit dem Vorhaben auseinandergesetzt, insbesondere auch mit der Frage, inwieweit das Landschaftsbild beeinträchtigt werde. "Dazu gibt es auch ausführliche Gutachten, die pointiert zu dem Ergebnis kommen, dass sich solche Landmarken sehr wohl gut einfügen", sagt Loderer. Die Gemeinde Ottobrunn wolle in diesem Punkt Vorreiter sein und die Zukunft gestalten: "Es braucht ein Verständnis dafür, wie wir urbane Räume gestalten, Wohnen und Verkehrsbeziehungen in Zusammenhang bringen."

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Das Thema Wohnraum aber könne seine Gemeinde alleine nicht lösen. Loderer verweist auf Unterföhring und will damit den Vorwurf entkräften, Ottobrunn würde zwar Tausende Arbeitsplätze schaffen, aber die Frage nicht beantworten, wo diese Menschen wohnen sollten. In der Mediengemeinde arbeiten mehr als 22 000 Menschen, aber es leben dort nur halb so viele. Dass die Unterhachinger mit ihrer Klage Erfolg haben, glaubt Loderer nach eigenen Worten nicht. Viel mehr appelliert er an die Gemeinde, ihr Verständnis für die Gestaltung des Lebensraums zu ändern. "Wir sollten alle die Herausforderung annehmen, in die Höhe zu bauen, und die Themen Versiegelung und ressourcensparendes Bauen angehen."

In einer ersten Version hieß es, von dem Hochhaus-Projekt gebe es noch keine Visualisierung.

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