Hilfsbereitschaft:Ein Landkreis zeigt seine Solidarität

Lesezeit: 5 min

Mehr als 200 Menschen demonstrierten in Unterschleißheim für Frieden und Solidarität. (Foto: privat)

Im gesamten Landkreis München rufen Menschen zu Spenden für die Ukraine auf, kommen zu Friedensdemonstrationen zusammen - und auch die Kultur bleibt nicht stumm.

Von Daniela Bode, Irmengard Gnau, Annette Jäger, Udo Watter und Florian Weber, Landkreis München

Die Anteilnahme und Hilfsbereitschaft der Menschen zieht sich in diesen Tagen durch den gesamten Landkreis. In sozialen Medien wird zu Spenden aufgerufen, Transporter mit Hilfsgütern machen sich auf den Weg an die ukrainische Grenze, auf Friedensdemonstrationen wird gesungen, der Kriegsopfer gedacht und debattiert. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hinterlässt auch hier seine Spuren.

Am Montagabend startete ein Transporter von Ottobrunn aus über Lenggries nach Ungarn, prall gefüllt mit Spenden. Elika Voigt-Nestinger hat am Sonntag via Facebook eine Sammelaktion gestartet, um "Menschen in Not" zu helfen, wie sie sagt. Eigentlich sei es eine Aktion ihres Sohnes Robert, der in Lenggries wohnt und der dann mit den gesammelten Artikeln losfuhr nach Ungarn. Plan sei, dass er über Ungarn zur ukrainischen Grenze fahre. Da nun aber in Budapest am Bahnhof bereits viele Menschen gestrandet seien, wolle er erst einmal sehen, ob dort Hilfe benötigt werde.

In Ottobrunn haben Freiwillige eine Spendenaktion gestartet. Ergebnis: Ein mit Hilfsgütern prall gefüllter Transporter. (Foto: privat)

Voigt-Nestinger war "überwältigt" von der Hilfsbereitschaft der Menschen aus Ottobrunn und der Umgebung. Als sie am Sonntag zu der Aktion aufrief, hatten Helfer innerhalb von kurzer Zeit so viele Hygieneartikel, Babynahrung bis hin zu Tierfutter gebracht, dass der Transporter innerhalb von einer Stunde voll war. "Es ist schön, dass die Menschen so solidarisch sind", sagt sie.

Ein privater Kontakt ist es auch, der eine spontane Sammelaktion der katholischen Pfarrgemeinde St. Stefan in Gräfelfing in Koordination mit dem Helferkreis Asyl Würmtal ausgelöst hat. Der Kontakt führt in die Westukraine, zu einem Mitarbeiter der dortigen Caritas in der Diözese Mukatschewo. "Er kommt persönlich nach Gräfelfing, um die Spenden mit einem Lastwagen abzuholen", sagt Pfarrer Markus Zurl - und fahre mehrfach zwischen der Ukraine und Gräfelfing hin und her. Der Helfer hat eine Liste zusammengestellt mit besonders benötigten Gütern, darunter sind Decken, Schlafsäcke, Hygieneartikel, Verbandsmaterial, Thermo-Unterwäsche, aber auch lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis, Mehl oder Konserven. "Die Spenden werden im Pfarrheim gesammelt", sagt Zurl. Die Pfarrgemeinde hat konkrete Termine festgelegt, zu denen Spenden gebracht werden können: am Samstag, 5. März, von 10 bis 12 und 14 bis 18 Uhr, am Sonntag, 6. März, von 10 bis 11 Uhr und am Montag und Dienstag, 7. und 8. März, jeweils zu den Uhrzeiten wie am Samstag.

Auch die Hilfsbereitschaft der Pullacher Bürger ist groß. Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) sagt, sie sei überwältigt: "Gemeinsam mit dem Partnerschaftenverein haben wir einen Spendenaufruf gestartet und schon in den ersten Tagen sind etliche Spenden eingegangen." Zuvorderst werden diese Gelder den Menschen der Pullacher Partnergemeinden Baryschiwka und Beresan zukommen. Zudem würden sie ständig Anfragen erreichen, wie jetzt am besten geholfen werden könne. Sämtliche Bürger hätten Wohnraum und Sachspenden angeboten. Dieses Potential an Hilfsbereitschaft gelte es nun zu koordinieren, damit es nicht verpufft, sagt Tausendfreund. Dazu wurde kurzerhand eine Koordinierungsstelle Ukraine-Hilfe eingerichtet, samt Durchwahl (089/744 74 43 99) und E-Mail-Adresse ( ukrainehilfe@pullach.de).

Bereits in dieser Woche werden die ersten Ukrainer in Pullach eintreffen. Die Unterbringung sei gewährleistet, trotzdem werde weiterer Wohnraum gesucht, sagt Tausendfreund, die selbst eine Frau mit Kind einer befreundeten Familie aus Baryshiwka aufnehmen wird. "Sie haben die Grenze Richtung Polen schon überquert und werden bei mir unterkommen. Drei Freundinnen, die sie auf dem Weg getroffen haben, werden ebenfalls nach Pullach kommen." Doch die Initiative geht auch von der Bevölkerung selbst aus. Vier der örtlichen Pfadfinder haben sich etwa den Gemeindebus gemietet, diesen bis zum Dach mit Hilfsgütern gefüllt und sich auf den Weg in Richtung Ukraine gemacht. "Ob sie die Güter an die polnische oder ungarische Grenze bringen, wusste sie noch nicht, als sie Montagabend losgefahren sind", berichtet Tausendfreund. Auf dem Rückweg werden sie Geflüchtete nach München bringen. Die Unterbringung dieser Leute ist ebenfalls schon organisiert.

Andernorts setzen Menschen mit öffentlichen Veranstaltungen klare Zeichen für Frieden und Solidarität. So in Unterschleißheim - und es war eine Aktion, wie sie spontaner kaum hätte sein können. Vergangenen Freitagabend war Benjamin Straßer, Initiator der Benefizkonzertreihe "Lichtblicke", mit seinem Vereinskollegen und Freund Michael Kavelar unterwegs, sie debattierten die Ereignisse in der Ukraine. Und spürten, sie wollten irgendwohin mit ihren Fragen und Gedanken. Da in Unterschleißheim bis dato nichts dergleichen geplant war, beschlossen die beiden Musiker und Veranstalter, kurzerhand selbst für Sonntagabend eine Friedenskundgebung auf die Beine zu stellen. "Wir wollten für uns selber, aber auch für andere einen Ort schaffen, wo man mit seiner Fassungslosigkeit, seiner Wut, seiner Verzweiflung zusammenkommen kann", sagt Straßer. Die Resonanz war angesichts der kurzen Planungszeit überwältigend. Etwa 200 Menschen kamen auf den Rathausplatz, die Blaskapelle und der Chor brachten Stücke vor, die junge Dichtergruppe "Regenschirmpoeten" gestaltete einen gemeinsamen Beitrag, Bürgermeister Christoph Böck (SPD) sprach. Ein ukrainisches Paar berichtete spontan von der Bühne von ihren Sorgen und Ängsten angesichts der russischen Invasion. "Es war schön zu erleben, dass wir dieses unser Bedürfnis teilen und damit vielleicht einen kleinen Beitrag leisten konnten, dieses Thema auch hier vor Ort sichtbar zu machen", sagt Straßer am Dienstag. Wer mit Sachspenden helfen will, kann diese am Donnerstag, 3. März von 15 bis 18 Uhr auf dem Volksfestplatz Unterschleißheim abgeben (insbesondere Schlafsäcke, Isomatten, Bettwäsche, medizinisches Verbandmaterial, Windeln und Thermounterwäsche für Kinder und Erwachsene).

Auch in Garching will Stadträtin Daniela Rieth (Grüne) ein Zeichen setzen. Sie schlägt vor, aus dem Stadtrat heraus für die kommenden Tage eine Friedensdemonstration zu initiieren. "Die Welt muss jetzt aufstehen, wir müssen jetzt aufstehen und zeigen: Wir wollen keinen Krieg, wir sind solidarisch mit der Ukraine", sagt Rieth. Dabei ist es ihr besonders wichtig, auch die Russen, die im Landkreis leben und ebenfalls vielfach unter der Situation leiden, mit einzubeziehen. Es soll eine gemeinsame Friedensdemo sein. Das unterstreicht auch Claudio Cumani, der Vorsitzende des Garchinger Integrationsbeirats: "Dieser Krieg ist bereits so schmerzhaft für alle, wir müssen den Zusammenhalt stärken. Dialog ist das Wichtigste." Wer in Garching Sachspenden abgeben möchte, kann dies am Donnerstag, 3. März, und Freitag, 4. März, jeweils zwischen 13 und 20 Uhr bei der Nova Mietraum GmbH, Rathausplatz 8, tun.

In Aschheim haben sich die Vereine "85609 hilft" und "Hand in Hand" zusammengetan und sammeln Spenden. Marion Seitz erlebt dabei eine große Hilfsbereitschaft unter ihren Mitmenschen. Den Verein "Hand in Hand" haben Seitz, die auch Dritte Bürgermeisterin der Gemeinde ist, und Mitstreiter erst vor einigen Monaten ins Leben gerufen, er steckt noch in den Kinderschuhen. Doch der Krieg in der Ukraine verlangte spontanes Handeln und so organisieren die Helferinnen und Helfer die Sammlung von dringend benötigten Gütern wie Verbandsmaterial, Hygieneartikel, Windeln und Babynahrung und haltbaren Lebensmitteln. Die Möglichkeit zur Abgabe von Spenden besteht am Mittwoch, 2. März, von 14 bis 17 Uhr während des Marktbetriebs sowie am Samstag zwischen 10 und 13 Uhr auf dem Marktplatz in Aschheim. Der Verein "85609 hilft" bringt die Güter dann mit einem Transporter an die ukrainische Grenze.

Ilona Seufert wird mit ihrem jungen Chor aus Taufkirchen am Solidaritätskonzert teilnehmen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In Taufkirchen wird es am Sonntag, 13. März, im Taufkirchner Kultur-und-Kongresszentrum ein Solidaritätskonzert geben. Es werden Musiker aus dem Hachinger Tal und Grünwald genau so auftreten wie Künstler aus der Ukraine oder dem Baltikum. Die Idee zu dem Konzert hatte Claus Blank, ehemaliger Leiter der Musikschule Taufkirchen, der inzwischen in Polen lebt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: