Städtebau:Keine Wohnungen - kein Schulcampus

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Die Heimgartenstraße in Gronsdorf ist eine Sackgasse. Sie endet abrupt an der Stadtgrenze zu München. Und das wird wohl so bleiben. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Stadt München und die Nachbargemeinde Haar haben beide große Pläne für Gronsdorf. Doch sie blockieren sich gegenseitig - deshalb sucht man inzwischen nach einem Alternativstandort für FOS und Realschule.

Von Bernhard Lohr, Haar

Wer die Otto-Hahn-Straße in Haar entlang radelt, der merkt gar nicht, wenn er plötzlich in München ist. Die Stadtgrenze verläuft in der Wohnsiedlung zwischen zwei Grundstücken. Truderinger und Haarer wohnen praktisch Wand an Wand. Anders ist es nördlich der Bahntrasse, auf der Gronsdorfer Seite. Zwischen der Heimgartenstraße in Haar und dem Rappenweg in München kommt man selbst mit dem Fahrrad nicht durch. Das sollte sich nach Wunsch der Landeshauptstadt ändern, um große, neue Wohngebiete für den Verkehr anzubinden. Doch dieser gilt mittlerweile als erledigt. Der Widerstand in Haar ist massiv, weil dort keiner Tausende Fahrzeuge zusätzlich auf den Straßen sehen will.

Wie verfahren die Situation ist, hat sich jetzt im Gemeinderat gezeigt, als Vertreter des Planungsbüros Dragomir ein im Auftrag der Stadt München erarbeitetes Strukturkonzept vorgelegt haben, das beleuchtet, was aus Sicht der Stadt auf einem elf Hektar großen Grundstück in Haar passieren sollte. Die Stadt ist Eigentümer der Fläche und hat deshalb Interesse an Wohnbebauung in Haar. Bis zu 800 Wohneinheiten könnten dort nach bisheriger Annahme auf der grünen Wiese gegenüber der Siedlung Gronsdorf-Kolonie entstehen. 3500 Autofahrten zusätzlich würde das am Tag bedeuten. Und das bei jetzt schon schwierigen, belasteten Verkehrsverhältnissen.

Die Zahlen zu Gronsdorf stammen aus einem Verkehrsgutachten vom Frühjahr, das in das jetzt vorgestellte Strukturkonzept eingegangen ist. Und sie beschreiben nur einen Ausschnitt des Problems. Denn im Verkehrsgutachten geht es auch darum, dass die Stadt am Rappenweg auf eigener Flur bis zu 3400 Wohneinheiten schaffen will, an der nahen Heltauer Straße bis zu 1500 und im fünften Bauabschnitt der Messestadt nochmal um die 2500. All das spielt in die Gesamtbetrachtung mit hinein. Denn für alle, die dort einmal wohnen sollen, wäre eine Straßenverbindung zwischen Rappenweg und Heimgartenstraße als Ost-West-Verbindung interessant. Der Haarer SPD-Gemeinderat Peter Paul Gantzer, der in Gronsdorf wohnt, kommentierte die Präsentation des Strukturgutachtens mit der Idee eines Straßendurchstichs von Haar nach Trudering knapp: "Nur über meine Leiche!"

Das erstmals öffentlich vorgestellte Strukturgutachten selbst lieferte inhaltlich keine neuen Erkenntnisse. Es wurden drei Szenarien mit mehr oder weniger dichter Bebauung am Rappenweg und in Gronsdorf beschrieben. Es gab nur Aussagen zu Flächen, die für Wohnungsbau vorstellbar wären. So war im mittleren Szenario von einem 43 000 Quadratmeter großen Areal für Wohnungsbau die Rede. 3900 würden für Straßen genutzt und 11 000 Quadratmeter für Grünfläche. Am Rappenweg würden bei Annahme dieses Szenarios 89 000 Quadratmeter mit Wohnraum bebaut.

"Das Ziel war, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die für beide Seiten tragbar sind. Wir kamen zu keiner einvernehmlichen Lösung."

Eine gemeinsame Linie von München und Haar wurde vor diesem Hintergrund nicht gefunden, insbesondere was die Bebauung in Gronsdorf - Haar hat dort das Planungsrecht - und die Verkehrsanbindung über die Stadt- und Gemeindegrenze angeht. Gemeinsame Arbeitssitzungen im Zuge der Erarbeitung des Strukturgutachtens blieben ohne Ergebnis. Städteplaner Johannes Dragomir sagte in Haar: "Das Ziel war, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die für beide Seiten tragbar sind. Wir kamen zu keiner einvernehmlichen Lösung."

Wie es nun weitergehen soll, ist tatsächlich vollkommen offen. Die Präsentation des Gutachtens kommentierte außer Gantzer lediglich kurz Ulrich Leiner (Grüne), der den Wunsch zum Ausdruck brachte, zumindest eine Radverbindung zwischen Heimgartenstraße und Rappenweg zu schaffen. Das sei Teil des von den Grünen verfolgten Radschnellwegs vom Ostbahnhof bis Ebersberg. Offenbar wurde zudem erklärt, dass Stadt und Landkreis grundsätzlich den Bau eines Schulcampus in Gronsdorf an der S-Bahn auf einem Teil des städtischen Areals befürworteten. Eine Lösung könnte dort aus Haarer Sicht sein, den Campus mit einer Straße von Osten vom Sportpark in Eglfing aus anzubinden. In München ist zur Erschließung des Rappenwegs, ohne Durchstich nach Haar, ein Straßentunnel unter der Bahntrasse zur Mauerseglerstraße im Gespräch.

Blick Richtung Bahnhof: Auf dem weiten freien Areal östlich der Schneiderhofstraße in Gronsdorf würde die Stadt gerne Wohnraum schaffen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Doch klar ist: München und Haar sind in Gronsdorf weiter aufeinander angewiesen. Es gibt einen Stadtratsbeschluss, der Zustimmung zum Schulcampus, auf dem eine Fachoberschule, eine Realschule und womöglich eine Pflegeschule entstehen sollen, von Haarer Zugeständnissen beim Wohnungsbau abhängig macht. Und ohne Haar läuft auf dem städtischen Areal in Gronsdorf nichts. Die Gemeinde hat die Planungshoheit. Sollte man nicht mehr zusammenfinden, hat Haar einen Pan B. Wie Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) auf Anfrage sagt, gibt es Überlegungen, den Campus direkt in Eglfing am Westrand des Sportparks anzusiedeln. Doch das sei ein langwieriges Unterfangen. Erst einmal müsste die Grundstücksfrage geklärt werden, wie in Gronsdorf auch. Nun sollen in Haar die Fraktionen beraten. Demnächst wird öffentlich debattiert.

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