Spezlwirtschaft im Rathaus?:Einen schweren Verdacht aufgetischt

Spezlwirtschaft im Rathaus?: Begehrte Wohnlage: Um die Vergabe einer gemeindeeigenen Vier-Zimmer-Wohnung an der Leibstraße ist es zu einem politischen Konflikt gekommen.

Begehrte Wohnlage: Um die Vergabe einer gemeindeeigenen Vier-Zimmer-Wohnung an der Leibstraße ist es zu einem politischen Konflikt gekommen.

(Foto: Claus Schunk)

Haars Bürgermeister Andreas Bukowski steht wegen der Vergabe einer gemeindeeigenen Wohnung an einen ortsbekannten Gastronomen in der Kritik. Laut Rathaus hat alles seine Ordnung.

Von Bernhard Lohr, Haar

Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) steht wegen der Vergabe einer kommunalen Wohnung öffentlich unter Druck. Nachdem die SPD-Fraktion am Dienstagabend im Gemeinderat Aufklärung gefordert hatte, wies Bukowski in der Sitzung in einer kurzen Stellungnahme den im Raum stehenden Vorwurf zurück, er oder die Gemeindeverwaltung könnten einen nach allgemeinem Dafürhalten eher nicht bedürftigen Gastwirt bevorzugt haben. "Ich nehme grundsätzlich keinen Einfluss auf Vergaben", sagte Bukowski. Aus der Verwaltung heißt es, man habe alle Kriterien sauber geprüft. Alles sei "wasserdicht" und korrekt. Doch der Fall, über den sich viele am Ort aufregen, wirft etliche Fragen auf.

Die besagte Wohnung befindet sich im Wohn- und Geschäftshaus an der zentralen Leibstraße, das die Gemeinde hat errichten lassen, und wo vor kurzem ein Buchladen eröffnet hat. Darüber liegen Appartements und auch eine geräumige Vier-Zimmer-Wohnung, wie sie sich in Haar viele sehnlich wünschen. 10,71 Euro pro Quadratmeter beträgt die Durchschnittsmiete für die Wohnungen in dem Haus. Auf der Warteliste für Vier-Zimmer-Wohnungen stehen laut Rathaus 147 Bewerber. Insgesamt gibt es 500 Anträge für vergünstigten Wohnungen nach dem Haarer Modell, die nach einem Punktesystem vergeben werden, das in Haar nur wenige kennen. Auf der Homepage findet man dazu nichts.

147 Familien stehen auf der Warteliste, der Gastwirt kommt zum Zug

Wer sich mit Haarern unterhält, bekommt bewegende Berichte erzählt von verzweifelten Familien, die mit behinderten Kindern beengt leben. Lucijana Mur etwa wohnt mit ihrem Mann und den beiden sechs und neun Jahre alten Kindern, die unter Asthma, Allergien und Migräne leiden, in schwierigen Verhältnissen. Die Kinder haben zusammen ein Zimmer. Wenn der Bub huste, sagt die Mutter, sei es mit der Nachtruhe für die Tochter und alle vorbei. Seit Jahren, mit einer Unterbrechung, steht sie auf der Warteliste der Gemeinde. Als ihr Mann letztens im Rathaus gebeten habe, die Kriterienliste für die Wohnungsvergabe einsehen zu dürfen, habe man ihm diese unter den Augen weggezogen, erzählt Mur.

Jetzt ist sie bei der Wohnung an der Leibstraße mit ihrer Familie wieder leer ausgegangen. Dafür hat sie der Gastwirt bekommen, der am Ort bestens bekannt ist. Das hat bei einigen das Fass zum Überlaufen gebracht. Zumal der Gastronom in der Öffentlichkeit selbstbewusst auftritt und Wohlstand demonstriert, wenn er etwa mit einem SUV vor der Kindertagesstätte vorfährt, um sein Kind abzuholen. Er bewohnt mit seiner Familie im Zentrum schon eine Vier-Zimmer-Wohnung. Der Gastronom selbst ist am Dienstag nicht zu erreichen, aber seine Frau weist alle Spekulationen von sich und sagt, man stehe seit vielen Jahren auf der Liste. "Wir sind sehr, sehr bedürftig." Das große Auto der Familie sei geleast. "Wir arbeiten von morgens bis abends, wir verdienen unser Geld sehr hart."

Dennoch sieht sich der Bürgermeister vehement mit Fragen konfrontiert. Etwa konkret der, warum eine Vier-Zimmer-Wohnung an eine dreiköpfige Familie vergeben wird. Bukowski sagt dazu: "Das ist in Ordnung." Die Vergabe erfolge nach Punkten und er gehe von vier Personen aus. Das trifft zu, wenn man den fast volljährigen Sohn mitzählt, der allerdings vor Monaten zuhause ausgezogen ist. Laut der Mutter habe er aber weiter ein Zuhause in der Familie.

Dennoch sprechen sogar Personen, die dem Bürgermeister gewogen sind und die Verhältnisse gut kennen, bei dem aktuellen Fall von einer "Watschn" für alle wirklich Bedürftigen. Sie erzählen etwa von einer Familie, wo der Vater das auf einen Rollstuhl angewiesene Kind die Treppe hochtragen müsse, weil ein Aufzug fehlt. Die Wohnung an der Leibstraße ist dagegen barrierefrei.

Laut Bukowski wurde die Wohnung über den üblichen Kriterienkatalog vergeben, wobei etwa Einkommensgrenzen nicht überschritten werden dürfen. Die Wohnung war ursprünglich für die Betreiberin des Ladens gedacht, die Buchhändlerin braucht sie aber nicht. Dennoch wurde sie den Berechtigten laut Lucijana Mur nicht wie üblich angeboten, was die Verwaltung bestreitet.

Die von der SPD im Gemeinderat geforderte Aufklärung erfolgte am Dienstagabend vor allem im nichtöffentlichen Sitzungsteil, weil es laut Rathausverwaltung um Persönlichkeitsrechte geht. Bukowski sagte öffentlich nur, es solle offensichtlich "schmutzige Wäsche gewaschen" werden, weil auch familiäre Konflikte reinspielen. Überhaupt gebe es immer wieder Ärger bei Wohnungszuteilungen. Das bleibe nicht aus, wenn Hoffnungen enttäuscht würden. Bukowski kündigte eine Debatte über die Vergabekriterien an, die auch bekannter gemacht werden müssten.

Seiner Vorgängerin Gabriele Müller (SPD) hielt Bukowski vor, darauf bestanden zu haben, dass eine "Wohnungsvergabe mit der Bürgermeisterin abgestimmt werden muss". Das habe die CSU damals kritisiert. Er selbst trenne da, sagt Bukowski, räumt auf Nachfrage aber ein, dass Vergaben "in Absprache, in Abstimmung" mit ihm geschehen. Er müsse schließlich den Vertrag unterschreiben.

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