Energiewende:Ein Masterplan für die Geothermie

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Das heiße Wasser kommt in der Region München in Tiefen von 2000 bis über 3000 Metern vor. Das macht Geothermie zu einer teuren Angelegenheit. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Die Stadtwerke München untersuchen gemeinsam mit dem Landkreis, wie die Nutzung der Erdwärme im Großraum optimiert werden kann. Die Energie-Ausbeute soll verzehnfacht werden.

Von Bernhard Lohr, Landkreis München

Der Name ist Programm und eine Steilvorlage, das Vorhaben als Gigantomanie abzutun. Doch die Stadtwerke München (SWM) meinen es mit ihrem Forschungsprojekt "Giga M" offensichtlich ernst. Sie wollen zeigen, dass die Nutzung des Erdwärme-Potenzials in Tausenden Metern Tiefe unter der Stadt und dem Umland auf ein neues Niveau zu bringen ist. Eine Projektskizze, die die Studienziele beschreibt, entwirft die Vision, den Großraum als ein gemeinsames geothermisches Feld zu betrachten. Es geht um Vernetzung der bisher in vielen einzelnen Kraftwerken gewonnenen Potenziale. 400 Megawatt sind bisher erschlossen, ein Gigawatt hält man laut Skizze für möglich. Der Landkreis München, die Energie-Wende-Garching und die Energieagentur Ebersberg-München vertreten als Forschungspartner der Studie das Umland.

Dort weckt der Ehrgeiz der SWM Hoffnungen und Befürchtungen zugleich. Bisher herrscht bei der Geothermie Kleinstaaterei. Kommunen und Betreiber kämpfen um Claims, die ihnen den Aufbau lokaler Kraftwerke erlauben, und bauen weitgehend für sich ihre Nahwärmenetze auf. Dabei schauen die Rathäuser im Landkreis München zunehmend kritisch auf die SWM als mit Abstand größten Player, der sich mehr und mehr außerhalb der Stadtgrenzen ausbreitet und ehrgeizige Pläne verfolgt. Kraftwerke wie in Sauerlach, Kirchstockach und Dürrnhaar fördern Thermalwasser und sollen per Fernleitung die Wohnungen in der Landeshauptstadt wärmen. Dort sieht man bei einem Gigawatt Energie aus der Tiefe die Möglichkeit, die Mittel- und zeitweise gar die Spitzenlast in Wintermonaten abzudecken. Auf 1,8 Gigawatt wird das Erdwärme-Potenzial im Großraum München insgesamt geschätzt.

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Das alles hört sich gewaltig an. Und doch werden keine Luftschlösser gebaut. Die geologischen Bedingungen im Molassebecken mit Gesteinsschichten, die 70 bis 150 Grad heißes Thermalwasser führen, sind günstig. Der Großraum München weist andererseits den höchsten Wärmebedarf in Bayern auf und verfügt über eines der größten Fernwärmenetze Europas. Die formulierten Annahmen und die genannten Ziele fußen auf einem Schatz von Erfahrungen. 17 Geothermie-Projekte gibt es im Großraum, mit insgesamt 21 Förder- und Re-Injektionsbohrungen. Die Anlagen in Unterhaching, Grünwald, Pullach, Kirchheim, Aschheim, Feldkirchen, Unterföhring, Unterschleißheim, Ismaning und Garching laufen seit Jahren. Etliche Vorläuferstudien liegen den SWM vor, um zu zeigen, wie das Potenzial noch besser genutzt werden kann.

Die Autoren der Studienbeschreibung vom Lehrstuhl für Hydrogeologie an der TU München geben nun das Ziel aus, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung den Ausbau der Kraftwerke zu beschleunigen und die Nutzung des Wärmeenergie-Schatzes in der Tiefe zu verstärken. Bis zum Jahr 2030 seien "mindestens 100 zusätzliche Projekte umzusetzen", schreiben sie. Die Einspeisung CO₂-freier Wärmeenergie aus der Tiefe in Wärmenetze soll bis dahin verzehnfacht werden - auf bis zu zehn Terra-Wattstunden thermische Energie. Die Arbeiten an der auf vier Jahre angelegten Studie sollen im Oktober beginnen. Der Bund übernimmt 90 Prozent der Kosten von 19,6 Millionen Euro.

Die Forscher sollen vier Punkte klären. Sie sollen zeigen, wie bisher singulär aufgebaute Geothermie-Kraftwerke technisch und wirtschaftlich gut miteinander funktionieren können. Sie sollen sich über zügigere Genehmigungsverfahren Gedanken machen und wie man schnell Kraftwerke aufbaut. Dazu sollen sie innovative produktivere Fördermethoden aufzeigen. Ein Punkt ist dabei, an den einzelnen Standorten durch schräge Bohrungen ein möglichst großes Gebiet zu erschließen, um effektiv heißes Wasser zu fördern. Nicht zuletzt geht es darum, Konzepte für Geschäftsmodelle zu beschreiben und zu klären, wie die für Bohrungen, Kraftwerke oder Leitungsbau benötigten Flächen und die gewünschte Akzeptanz in der Bevölkerung zu bekommen seien. Eine Informationskampagne gerade auch im Umland wird angeregt. Schließlich ändere sich etwas, wenn ein Geothermie-Kraftwerk nicht nur für die Versorgung am Ort, sondern als Verbund-Kraftwerk wahrgenommen werde.

Der Landkreis dringt darauf, dass auch die Gemeinden sich beteiligen dürfen

Dabei wollten die SWM die Studie zunächst alleine durchziehen. Der Landkreis und die Energie-Wende-Garching (EWG) als Betreiber der dortigen Geothermie-Anlage stießen später dazu. Das zeigte sich, als die Studienskizze im Energieausschuss des Kreistags vorgestellt wurde. "Wurden Unterschleißheim, Ismaning und Unterföhring angesprochen?", fragte Natascha Kohnen (SPD). Diese Kommunen seien doch mit ihren Geothermie-Aktivitäten betroffen. Ihre Fraktionskollegin Ingrid Lenz-Aktas (SPD) warnte, die Landkreis-Kommunen dürften nicht "untergebuttert werden". Landrat Christoph Göbel (CSU) konnte nichts zur Rolle der Kommunen sagen. Wie er erläuterte, ist der Landkreis als Forschungspartner selbst erst nachgerückt und die Garchinger seien wegen einer besonderen Betroffenheit dazugestoßen. Die EWG plant für eine weitere Bohrung eine seismische Untersuchung des Untergrunds, die wegen ähnlicher Pläne bei den SWM mit den Münchnern abgestimmt wird.

Die Vorstellung von einem Booster bei der Geothermie-Nutzung kommt trotz aller Skepsis im Detail bei den Kreispolitikern gut an. Manfred Riederle (FDP) sprach gar von einem "absolut großartigen" Ansatz. Max Kraus (Freie Wähler) forderte, dass sich die Geothermie-Betreiber im Landkreis selbst über einen Verbund Gedanken machen sollten, damit "eine komplette Wärmeversorgung im Landkreis München stattfindet". Oliver Seth (Grüne) sagte, die Ergebnisse der Studie müssten allen öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Die Zustimmung zur Beteiligung an der Studie knüpften die Kreisräte an eine Empfehlung, den übrigen Kreiskommunen die Teilnahme auch anzubieten.

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