Ausgrabung:Die Siedler vom Bauma-Parkplatz

Lesezeit: 3 min

80 Meter von den Häusern fanden neun Menschen ihre letzte Ruhestätte. (Foto: Birgit Anzenberger/Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

Archäologen haben in Feldkirchen die Überreste von 4000 Jahre alten Häusern und Grabstätten gefunden. Das Besondere daran: Das Dorf aus der Bronzezeit wurde später nicht überbaut.

Von Anna-Maria Salmen, Feldkirchen

Direkt neben dem gut fünf Hektar großen Areal zwischen A 94, Münchner und Ottendichler Straße, auf dem Bagger gerade die Fläche für den temporären Großparkplatz der Bauma ebnen, rauscht der Verkehr zwischen Feldkirchen und der Messestadt Riem hin und her. Auch die Autobahn ist von hier aus gut zu hören. Fährt man ein paar Meter weiter, lassen sich am Horizont die Umrisse der wenigen Münchner Hochhäuser erahnen. Wie es hier in ferner Vergangenheit aussah, als es weder Autos noch mehrstöckige Gebäude aus Beton gab, ist nur schwer vorstellbar. Doch neueste archäologische Funde auf dem Gelände machen greifbarer, wie die Menschen dort vor etwa 4000 Jahren gelebt haben könnten.

Bei den Ausgrabungen auf dem Grundstück sei man zunächst auf vielen Quadratmetern leer ausgegangen, berichtet Archäologin Birgit Anzenberger vom Büro Anzenberger & Leicht, das die Untersuchungen vornahm. "Wir dachten schon, das wird nichts mehr." Doch dann stießen die Fachleute auf die Überreste eines Skeletts, weitere Gräber folgten. Einige Meter entfernt fanden sich schließlich auch Hinweise auf eine Siedlung. Beides stammt laut Anzenberger aus derselben Epoche, der frühen Bronzezeit.

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Das Besondere an dem Fund: Die Siedlung wurde nicht von späteren Generationen überbaut, wie es in der Geschichte sonst häufig passiert ist. "Dadurch haben wir den Ausschnitt aus einer Situation, wie sie damals tatsächlich war", erläutert Anzenberger. Die Archäologen müssen nicht erst Funde aus verschiedenen Epochen mühsam auseinanderziehen, um ein Bild der Vergangenheit zu rekonstruieren.

Die Häuser waren bis zu 30 Meter lang

Mehrere Hausgrundrisse der Siedlung sind Anzenberger zufolge durch dunkle Stellen im Boden zu erkennen: Dort wurde die Erde etwa für Stützpfosten ausgehoben und später wieder aufgefüllt, wodurch sich die Verfärbung ergab. Etwa die Hälfte der zwölf entdeckten Grundrisse waren Langhäuser, die zum Wohnen dienten - bis zu 30 Meter waren die Gebäude nach Angaben der Archäologin lang. Häufig hätten die Menschen sich damals den Lebensraum im Haus mit den Tieren geteilt, die in einem abgegrenzten Bereich untergebracht waren, erzählt Anzenberger. Das habe praktische Gründe gehabt: Zum einen hätten die Tiere im Winter Wärme abgegeben, zum anderen habe man Störungen, etwa durch ein eingedrungenes Raubtier, sofort bemerken können.

Als Grabbeigaben fanden die Archäologen unter anderem diese Schmucknadel ... (Foto: Birgit Anzenberger/Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)
... und verzierte Beinscheiben. (Foto: Birgit Anzenberger/Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)
Auch die Klinge eines Bronzedolches wurde ausgegraben. (Foto: Birgit Anzenberger/Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

Etwa 80 Meter von der Siedlung entfernt fanden neun Bewohner ihre letzte Ruhestätte, die ausgegrabenen Skelettreste lassen Rückschlüsse auf zwei Erwachsene und sieben Kinder etwa im Alter zwischen einem und zwölf Jahren zu. Möglicherweise, so Anzenberger, handelte es sich dabei um eine Familie. Neben den Bestatteten kamen reiche Grabbeigaben ans Tageslicht - vor allem die Kinder wurden laut Anzenberger besonders damit bedacht: In ihren Gräbern lagen unter anderem verzierte Beinscheiben sowie eine Schmucknadel, auch die Klinge eines kleinen Bronzedolchs wurde ausgegraben. Während man sonst häufig lediglich Tonscherben und Bruchstücke von Vasen oder Krügen findet, hat sich hier zudem ein vollständiger keramischer Becher erhalten. "Das ist wirklich außergewöhnlich", sagt Anzenberger.

Besonders außergewöhnlich ist ein komplett erhaltener Keramikbecher. (Foto: Birgit Anzenberger/Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht)

Sowohl die Siedlung als auch das Gräberfeld waren ihrer Einschätzung nach deutlich weitläufiger, als die aktuellen Ausgrabungen zeigen: "Da gab es sicher noch mehr auf den umliegenden Flächen." Die Gegend rund um München ist überhaupt reich an archäologischen Funden, regelmäßig wird Neues aus der Vergangenheit zu Tage gebracht, wenn der Boden für Bauarbeiten aufgegraben wird. Das heute so beliebte Gebiet scheint also bereits in früher Zeit ein guter Ort für Ansiedlungen gewesen zu sein. "Da hat das Leben getobt", sagt Anzenberger - und das, obwohl die Böden der Archäologin zufolge wohl nicht die besten waren. "Aber es gab in der Bronzezeit eine sehr starke Vermehrung der Bevölkerung. Wenn es mehr Menschen gab, mussten sie irgendwann auch auf schlechtere Böden ausweichen."

Dort, wo nun bald während der Bauma mehr als 300 Busse parken sollen, lebte es sich jedenfalls möglicherweise auf Dauer doch nicht so gut, wie Anzenberger vermutet. Schließlich deute die fehlende Überbauung durch spätere Generationen darauf hin, dass die Siedler die Fläche nach einiger Zeit verließen und keine neuen Bewohner dorthin zurückkehrten. Einen Zufall, so Anzenberger, könne man jedoch auch nicht ausschließen.

Die ferne Vergangenheit birgt trotz der vielen Funde eben noch immer unzählige Rätsel: "Wir kennen nur einen Bruchteil der Dinge, die es damals gegeben hat", sagt die Archäologin. Jeder Fund könne daher möglicherweise wichtige neue Erkenntnisse liefern.

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