Öffentlicher Nahverkehr im Münchner Umland:Bestellt und abgeholt

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In allen Kommunen im Landkreis Landsberg werden künftig solche AST-Haltestellenschilder zu finden sein - außer in Dießen. (Foto: Johannes Simon)

Rufbusse des MVV sollen in einem Probelauf von Herbst an abgelegene Orte anbinden und auch nachts Verbindungen zur S- oder U-Bahn ermöglichen. Doch nicht alle Gemeinden, die das gerne wollten, sind mit dabei.

Von Angela Boschert, Landkreis München

Die S-Bahn hat Verspätung und der Bus ist weg. Es war der letzte an diesem Abend. Wer so etwas nur zu gut kennt, dem kann ein neues Pilotprojekt Hoffnung machen. Der Landkreis München will von Oktober 2022 bis Dezember 2024 sogenannte On-Demand-Busse testen, vielerorts auch Rufbus oder Anrufsammeltaxi genannt. Diese Busse oder Großraumwagen kommen auf Bestellung, müssen allerdings vorab online, per App oder Telefon gerufen werden. Auch Dauerbuchungen und Vorausbuchungen sind möglich. Für die Fahrt ist eine Fahrkarte des Münchner Verkehrsverbunds (MVV) nötig, außer die Strecke ist im Zeitkartentarif enthalten.

Im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es das Angebot, das inzwischen "MVV-Ruftaxi" heißt, bereits seit 1998 und wird ständig erweitert. Zwischen 22 und 24 Uhr bekomme man kaum einen Platz, teilt das dortige Landratsamt hörbar stolz mit. Jetzt will auch der Landkreis München in Zusammenarbeit mit dem MVV schlecht angebotene Orte mit On-Demand-Bussen vor allem zu Randzeiten besser bedienen. Die Rufbusse kommen auf Bestellung und bringen Passagiere von und zu S- und U-Bahn-Stationen.

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Für den Probetrieb ist zunächst eine Anbindung von 22 bis 6 Uhr für Fahrgäste aus Unterhaching, Taufkirchen und Oberhaching zum Ostbahnhof oder Neuperlach Süd an den Nachtverkehr der Stadt München vorgesehen. Tagsüber, von 5 bis 22 Uhr, werden Passagiere auf Anfrage aus Aying, Sauerlach und Teilen der Gemeinde Brunnthal zur S-Bahn nach Aying und Sauerlach gefahren und zurück. Baldmöglichst soll auch die Gemeinde Straßlach-Dingharting zumindest für den Schülerverkehr eingebunden werden.

Um die Linien gab es zwischen den Kommunalpolitikern "ein Hauen und Stechen"

"Im Kreistag hat es ein Hauen und Stechen gegeben, weil mehr als die angedachten Gemeinden schon beim Pilotprojekt teilnehmen wollten", erinnert sich Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU) an die Oktobersitzung des Mobilitätsausschusses. Kern ist zwar froh, dass seine Gemeinde dabei ist, wenn auch ohne die Teilgebiete Brunnthal-Nord, Gudrunsiedlung und Kirchstockach. Sie lägen zu weit entfernt von Sauerlach und Aying, lautete die Begründung, die auf Kritik im Brunnthaler Gemeinderat stieß. Doch Kern denkt bereits weiter: "Bei der Anbindung an Sauerlach muss man im Hintergrund an die Erreichbarkeit des zukünftigen dortigen Gymnasiums denken." Auch die Realschule Oberhaching erzeugt Bedarf, wenn sie zum kommenden Schuljahr in den Vorläuferbetrieb geht. Damit Schüler aus der großflächigen Gemeinde Straßlach-Dingharting rechtzeitig zum Unterricht kommen können, werde aktuell eine "Ausweitung der Verstärkerfahrten" auf der Linie 222V nach Oberhaching geprüft, teilt das Landratsamt mit.

Im Pilotgebiet sollen insgesamt sieben Großraum-Pkw mit je acht Sitzplätzen verkehren. Zwei von ihnen werden laut MVV behindertengerecht sein. Die Fahrzeuge bewegen sich frei in den jeweiligen Gebieten. Sie bringen die Fahrgäste zwar nicht bis vor die Haustür, sondern zu vorhandenen Bushaltestellen sowie zu 115 zusätzlichen virtuellen Haltestellen, die für den Tag- und Nachtbetrieb verortet und abgestimmt worden sind. So sei in allen beteiligten Ortsteilen mit mehr als 200 Einwohnern die nächste Haltestelle innerhalb von 200 Metern zu erreichen, verspricht das Landratsamt. Beispielsweise wird es in Brunnthal fünf Haltestellen geben, je zwei in Brunnthal-Ort und Hofolding sowie eine in Faistenhaar.

Die Firma Geldhauser aus Hofolding betreibt mit Kleinbussen etliche Ruftaxi-Linien im Landkreis Fürstenfeldbruck. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wer also frühmorgens etwa von Otterloh in die Innenstadt oder nachts von dort nach Hause will, gibt am besten in der MVV-App, auf der MVV-Website oder telefonisch die Verbindung und gewünschte Abfahrts- oder Ankunftszeit an. Ein Computersystem prüft, welche Verbindung passt und berücksichtigt das On-Demand-Angebot, falls es keine reguläre Verbindung gibt. Entscheidet man sich für ein On-Demand-Angebot, berechnet das System aus den Anfragen die optimale Route, die der Busfahrer auf seinem Display sieht. Er weiß, von wo bis wohin er wie viele Personen mitnehmen muss.

Die geschätzten Kosten belaufen sich laut Landratsamt auf 1,4 bis 1,75 Millionen Euro pro Jahr. Das Projekt ist noch recht teuer, weil die Telefonzentrale extra eingerichtet wird und rund um die Uhr besetzt sein soll. Mit dem Pilotprojekt will der Landkreis prüfen, wie groß die Nachfrage, der organisatorische und betriebliche Aufwand und die Kosten tatsächlich sind. Zur weiteren Abklärung kann es bis 2026 verlängert werden. Für Hans Sienerth, den parteifreien Bürgermeister von Straßlach-Dingharting, ist das keine Frage mehr: "Wir kriegen mehr Personen vom Auto runter auf den ÖPNV, wenn wir sie ohne langes Warten und Umsteigen nach Oberhaching oder an den S-Bahnhof Deisenhofen bringen", sagt er. Etwa mit einer Tangentiallinie nach Oberhaching, um die er schon lange bitte. "Auch können wir mit einem On-Demand-Angebot mindestens neun der entfernten Quartiere unserer zehn Gemeindeteile, von denen übrigens nur sechs an einer Buslinien liegen, erschließen."

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