Konzerthaus:Söder begeht mehr als einen Formfehler

Konzerthaus: Das Konzerthaus sollte im Werksviertel am Ostbahnhof entstehen. Doch nun hat Ministerpräsident Markus Söder dem Projekt eine "Denkpause" verpasst.

Das Konzerthaus sollte im Werksviertel am Ostbahnhof entstehen. Doch nun hat Ministerpräsident Markus Söder dem Projekt eine "Denkpause" verpasst.

(Foto: Bloomimages für Cukrowicz Nachbaur Architekten)

Der Ministerpräsident stoppt die Konzerthaus-Planungen handstreichartig. Damit stößt er alle vor den Kopf, die an dem Projekt gearbeitet haben. Auch für seine anvisierten neuen Partner von der Stadt München verheißt das nichts Gutes.

Kommentar von Susanne Hermanski

Menschen, die sich mit politischen Prozessen auskennen, wissen, was das heißt. Wenn ein Politiker sagt, "wir sollten ein Hochsetzen des Rentenalters in der Zukunft nicht ausschließen", ist das gleichbedeutend mit: Ich will, dass künftige Generationen erst im Alter von 69 Jahren in den Ruhestand gehen. Sitzt der Politiker an einflussreicher Stelle, wird also bald umgesetzt, was "wir" nun nicht mehr ausschließen.

Spricht also Markus Söder (CSU), Bayerns Ministerpräsident, davon, dass ein paar kluge Köpfe im Freistaat darüber nachdenken sollten, das Konzerthaus nicht zu bauen, weiß man: Sein innerer Beschluss ist gefasst. Daran ändert auch wenig, dass Söder bekundet, er wolle nun "Intellektuelle und Experten zu einer Runde zusammenbringen", die unter Anleitung seines neuen Kunstministers Markus Blume (CSU) "zu einem offenen Gespräch" antreten. Diese Aussage ist bloß ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht all jener, die schon seit Jahren an dem Projekt arbeiten und darauf hoffen. Darunter übrigens einige von Söders fähigsten Beamten.

Welche Motivation erwartet Söder von den mehr als 100 Planern und 30 Firmen bis 2023, dem Jahr, in dem er angeblich endgültig entscheiden will? Und welche Taktik verfolgte er damit, weder sie vorab von seiner Idee einer "Denkpause" zu informieren, noch die privaten Spender, die sich bislang schon in der Konzerthausgesellschaft engagiert haben? Und wie verhält es sich mit der Stadt München, mit der Söder nun zusammenarbeiten will?

Der Münchner Stadtrat wurde ebenfalls kalt erwischt von Söders Kurswechsel. Ganze drei Tage vor der Offenbarung, er wolle jetzt möglicherweise doch bei Gasteig-Sanierung oder Ertüchtigung des Interims in Sendling mitmischen, hatten die Münchner Räte und Rätinnen die Weichen ganz anders gestellt: Sie brachten in nicht-öffentlicher Sitzung die Sanierungsfinanzierung des Gasteig durch ein Investorenmodell weiter auf den Weg. Welchen Ärger handeln sie sich nun wohl ein, wenn sie auf Söder warten? Soll die gerade endlich beschlossene Ausschreibung für die Investorensuche ruhen, bis Söder die Landtagswahl 2023 hinter sich hat?

Auch dürfte sich SPD-Mann und Oberbürgermeister Dieter Reiter noch gut an jene Verhandlungen erinnern, die zwischen ihm und Horst Seehofer 2015 in derselben Angelegenheit gescheitert sind. Wegen unüberbrückbarer Differenzen - und juristischen Hürden. Ob die Grüne Katrin Habenschaden, die nun für die Stadt mit dem neuen Kunstminister Markus Blume verhandelt, all diese aus dem Weg schaffen kann, darf bezweifelt werden.

Und wer glaubt, eine Einigung gehe beim Interim leichter vonstatten als beim kniffeligen Altbestand am Rosenheimer Platz, der denkt nicht weit genug. Kein Landtagsabgeordneter, der ein Konzerthaus für ganz Bayern haben will - und mitfinanzieren soll, wird sich für Sendling erwärmen. Denn dort hält bekanntlich kein Zug aus Nürnberg.

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