Filmfest "Mittel Punkt Europa":Jenseits aller Grenzen

Lesezeit: 2 min

Der slowakisch-ukrainische Film "Photophobia" spielt in Charkiw, wo in einer zum Bunker umfunktionierten U-Bahn-Station Menschen Schutz vor den russischen Luftangriffen suchen. (Foto: Mittel Punkt Europa Filmfest)

Beim Festival "Mittel Punkt Europa" stehen aktuelle Filme aus Osteuropa auf dem Spielplan, unter anderem eine Doku über Menschen in einem ukrainischen Luftschutzbunker.

Von Josef Grübl

Sie leben unter einer Käseglocke, was sich schlimmer anhört, als es ist. Vor allem, wenn man nach draußen schaut: Im Jahr 2123 ist die Erde verwüstet, verwahrlost und vergiftet, Tiere und Pflanzen gibt es nicht mehr. Nur einige Menschen konnten sich retten, sie leben unter der anfangs genannten Glocke, genauer gesagt einer klimaneutralen Zone irgendwo bei Budapest. Dort geht es ihnen relativ gut - nur nicht besonders lang: Im Alter von 50 Jahren müssen sie sich laut staatlicher Verordnung einem operativen Eingriff unterziehen. Dabei werden ihnen Baumsamen in die Herzen gepflanzt, anschließend bringt man sie auf Plantagen, wo sie in Bäume transformiert werden. Das ist nachhaltig, das schont die knappen Ressourcen.

Der ungarische Science-Fiction-Animationsfilm "Müanyag égbolt" ("White Plastic Sky") ist ein Öko-Gedankenspiel zur Klima-Apokalypse, Wissenschaftler aus den Bereichen Botanik, Geologie und Meteorologie trugen ihre Erkenntnisse bei. Es könnte also sein, dass unsere Welt in 100 Jahren so aussieht wie in diesem Film. Im Mittelpunkt der dystopischen Story steht eine Frau, die sich vor Ablauf ihrer 50-jährigen Lebensspanne in einen Baum umwandeln lassen will - und ihr Mann, der das verhindern möchte.

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Seine Premiere hatte der Film vergangenes Jahr bei der Berlinale, jetzt ist er in München beim "Mittel Punkt Europa Filmfest" zu sehen. Das Festival findet zum achten Mal statt, wie immer im Filmmuseum. Aufgeführt werden insgesamt zwölf Produktionen aus Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Belarus und der Ukraine. Im regulären Kinoprogramm sieht man solche Filme fast nie.

Zur Eröffnung am 29. Februar wird der tschechische Episodenfilm "O malých věcech" ("All About The Little Things") gezeigt, in dem der junge Schauspieler und Regie-Debütant Denis Šafařík zwölf Geschichten aus zwölf Wohnungen eines Hauses erzählt. Es ist ein Blick auf die Alltagsprobleme von Menschen, die einander korrigieren, an der nachbarlichen Schlafzimmerwand lauschen oder das von der Ehefrau zubereitete Essen nicht vertragen. "Mittel Punkt Europa" präsentiert seinem Publikum möglichst unterschiedliche Filme, neben Komödien, Dramen, Historienfilmen oder Satiren stehen auch Dokumentarfilme auf dem Programm.

Im slowakisch-ukrainischen Film "Světloplachost" ("Photophobia") etwa geht es nach Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. In einer zum Bunker umfunktionierten U-Bahn-Station suchen seit Kriegsbeginn bis zu 1500 Menschen Schutz vor den russischen Luftangriffen. Regisseur Pavol Pekarčik will diese sehr aktuelle Doku am 1. März persönlich im Filmmuseum vorstellen.

Der Dokumentarfilm "Motherland" thematisiert das Schikanieren und Quälen jüngerer Soldaten durch Dienstältere im russischen und postsowjetischen Militär. (Foto: Mittel Punkt Europa Filmfest)

Ebenfalls nach München kommen möchte Hanna Badziaka; die belarussische Journalistin und Filmemacherin wird am 7. März mit dem Dokumentarfilm "Radzima" ("Motherland") erwartet. Darin geht es um ein tief verankertes patriarchales System im russischen und postsowjetischen Militär: Dedowschtschina heißt so viel wie "Herrschaft der Großväter" und bezeichnet das Schikanieren und Quälen jüngerer Soldaten durch Dienstältere. Im Film kommen Rekruten zu Wort, aber auch die Mütter von Wehrdienstleistenden, die angeblich Selbstmord begangen haben - deren tote Körper aber mit Hämatomen übersät sind.

Der Abschlussfilm des Festivals entstand an der berühmten Filmhochschule Łódź, wo schon Regie-Stars wie Kieslowski, Wajda oder Polanski studierten: In ihrem Regiedebüt "Błazny" ("The Clowns") erzählt die Schauspielerin Gabriela Muskała von Studierenden aus Łódź, die kurz vor ihrem Abschluss stehen und die Chance bekommen, mit einem bekannten Regisseur einen Film zu drehen. Darin soll es um Eifersucht und Rivalität gehen, was die Protagonisten ziemlich unter Druck setzt. Bald müssen sie sich fragen: Was ist Fiktion? Und was ist Realität?

Mittel Punkt Europa Filmfest , Donnerstag, 29. Februar, bis Samstag, 9. März, Filmmuseum , St.-Jakobs-Platz 1

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