Typisch deutsch:Die Sonnencreme-Schmierfinken von der Isar

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Eine Frau liegt in der Münchner Innenstadt am Ufer der Isar in der Sonne. (Foto: Jann Philip Gronenberg/dpa)

Unser Autor war lange ein überzeugter Verweigerer jeglicher Art von Hautcremes. Dann traf er am Flussufer Sonnenanbeter mit spezieller Hautfarbe - und so kam es, wie es kam.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf, München

Wenn ein Araber zum ersten Mal an der Isar sitzt, sind ihm viele Dinge fremd, sehr fremd. Dort sind überwiegend nahezu nackte Menschen, damit beginnt es. Jeder zweite trägt eine Bierflasche mit sich. Ein Mann, der mit einem anderen Mann im Flusswasser flirtet. Eine Frau küsst eine andere Frau und tanzt mit ihr am Ufer. Dann setzt sie sich, nimmt eine Tube aus der Tasche, drückt auf selbige und verteilt den Inhalt mit den Händen auf dem Rücken ihrer - offenbar - Partnerin.

Je länger man an diesem Fluss sitzt, desto deutlicher wird, dass nicht nur Frauen sondern auch Männer sich mit einer weißen Creme umhüllen. Das ist erstmal irritierend, weil es in Syrien für einen Mann als beschämend gilt, seinen Körper auch nur in die Nähe von Cremes zu bewegen - geschweige denn Gesicht, Hände oder Lippen bewusst damit in Berührung zu bringen.

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Die meisten Cremes, die etwa in Syrien verwendet werden, sollen zur Hautaufhellung beitragen. Meist von Frauen. Natürlich schloss ich mich an diesem Isartag vor nicht wenigen Jahren nicht der Massenschmiererei an. Überzeugt davon, dass ich das Richtige tue. Ich versuchte zudem, meine eingecremten Begleiter zu missionieren, diese Vorgehensweise zu überdenken.

Das tat ich solange, bis ich Menschen traf, die offenbar ähnlich wie ich dachten. Mit dem Unterschied, dass diese Menschen eine erstaunlich rote Haut aufwiesen. Ich musste mich zusammenreißen und mir den sicherlich nicht unpassenden Indianer-Gruß verkneifen. Es war der Moment, in dem ich die Funktion der Sonnencreme akzeptiert habe. Und so wurde ich selbst zum Isar-Schmierfink.

Inzwischen habe ich eine Sonnencreme-Tube im Haus, eine im Auto und eine im Rucksack. Wenn ich sie in die Hand nehme und meine arabischen Freunde das sehen, bin ich ein weicher und zarter Mann und werde gefragt, ob ich wie Matthias Schweighöfer sein möchte.

Möchte ich nicht, es ist schlichtweg eine Wonne, wenn man mit nichts als einer Badehose bekleidet an Münchner Ufern vor sich hin liegt und einen Roman liest. Statt in langärmeligen Mänteln in der Sonne zu schwitzen, ist mein Mantel eine weiße Dickflüssigkeit.

Weil ich logischerweise Sandalen trage und in den Alpen spazieren gehe, haben meine Füße im Sommer einen Streifen-Look. Vorbei sind die Zeiten, in denen ich vornehm blass sein wollte. Heute möchte ich das Leben genießen - und dabei nicht ein Hautkrebsrisiko eingehen. Und so sitze ich nun selbst an diesem Fluss, mit nicht mehr am Körper als einem Kleidungsstück. Als einer von den Isar-Schmierfinken. Als wäre ich hier aufgewachsen - nur dass ich keine Bierflasche in der Hand halte.

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