Asterix-Übersetzerin:Sie kam, sah und siegte

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Szene aus dem Band "Asterix und der Arvernerschild", im deutschsprachigen Raum bei Egmont Ehapa Media erschienen. (Foto: ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2023 LES EDITIONS ALBERT RENE)

Pünktlich zu ihrem 85. Geburtstag wird die bereits hochdekorierte Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf mit dem Peng!-Preis des Comicfestivals geehrt. Ein Treffen mit der Münchnerin, die Interviews eigentlich hasst.

Von Martin Zips

Natürlich hätte sie auch nichts sagen können. Einfach mit den anderen weiterfahren, auf ihrer Radltour durch Burgund. Doch das hier war Alise-Sainte-Reine, das historische Alesia! Also jener Ort, auf den die Münchner Übersetzerin Gudrun Penndorf seit Anfang der 1970er Jahre eine ziemliche Zeit verwendet hat. Stundenlange Recherchen über das Arvernerland, tiefes Eintauchen in die Geschichte, die Niederlage der Gallier gegen die Römer im Jahr 52 vor Christus. Alle möglichen Experten und Bibliotheken hatte sie konsultiert, um sich gedanklich und sprachlich einzufinden.

Nun stand sie mit ihrem Fahrrad vor dem Denkmal des gallischen Heerführers Vercingetorix, direkt vor dem Ortseingang von Alesia. Und da sollte sie jetzt einfach mal so weiterfahren, nur, weil ihre Freundesgruppe zum Abendessen wollte? "Das kam überhaupt nicht infrage", sagt Penndorf an ihrem Biedermeier-Küchentisch in Unterföhring. "Natürlich habe ich darauf bestanden, dass ich mir diesen Schauplatz genauer ansehe." Man hatte Erbarmen.

Eigentlich hasse sie Interviews, sagt Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf. (Foto: Ursula C. Sturm)

"Asterix und der Arvernerschild", in dem der Ort Alesia eine zentrale Rolle spielt, war nur einer von 29 Asterix-Bänden, die die Dolmetscherin und Sprachwissenschaftlerin aus dem Französischen ins Deutsche übertrug. Penndorf, so kann man sagen, ist für Asterix das, was Erika Fuchs einst für Donald Duck war: eher Interpretin als nur Übersetzerin.

Seit bald 40 Jahren wohnt Penndorf in einem schlichten Einfamilienhaus mit Garten, in einer verkehrsberuhigten Siedlung im Norden Münchens. Der obere Stock gehört der Comic-Kunst, das Erdgeschoss ist den Schallplatten mit Bach und den Büchern von Proust und Pagnol vorbehalten. Die Hausherrin platziert ihren Besuch am Küchentisch. Sie hasst Interviews. "Man gibt zu viel Privates preis", stöhnt sie. Und am schlimmsten sei es, wenn die Zeitung einen Praktikanten schicke, der gleich zum Anfang sagt: "Mein Vater hat sie alle gelesen." Zumindest das ist in diesem Fall auszuschließen.

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Am 10. Juni, einen Tag vor ihrem 85. Geburtstag, bekommt Gudrun Penndorf den Peng!-Preis des Münchner Comicfestivals für ihr Lebenswerk verliehen. Das Bundesverdienstkreuz am Bande hat sie schon, den Deutschen Jugendliteraturpreis auch. Und weil Penndorf eben Penndorf ist, nimmt sie die Auszeichnung nicht als persönliche (obgleich eigentlich längst überfällige) Ehrung an, sondern als Würdigung einer viel zu lange von der Öffentlichkeit vernachlässigten Kunstform. Schmuddelheftchen hatten es lange Zeit schwer in Deutschland. Ebenso wie sie.

Penndorfs Familie stammt aus dem rheinland-pfälzischen Ludwigshafen, nach dem Zweiten Weltkrieg zog man aufs Land. Comics gab es dort nicht. Wäre es nach ihren Eltern gegangen, so hätte Penndorf die väterliche Zahnarztpraxis übernehmen sollen, doch sie wollte lieber Sprachen studieren. Schließlich war gerade die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, also der Vorläufer der EU, gegründet worden. Warum nicht bei einer internationalen Gesellschaft arbeiten? "Aber das lehnte der Familienrat ab und forderte, dass ich zumindest Lehrerin zu werden hätte - als Überbrückung bis zu Heirat und Mutterschaft.

Kaum zu glauben, was für eine verstaubte Zeit das damals war!", schimpft sie und als Mann möchte man sich jetzt am liebsten sofort bei ihr entschuldigen. "Erst 1958 durften Frauen nach der Heirat ein eigenes Konto haben und bis in die Sechzigerjahre durften Frauen nur berufstätig sein, wenn das mit den Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war." Penndorf beschloss, sich am Dolmetscher-Institut der Universität Heidelberg einzuschreiben. Für die Sprachen Italienisch und Französisch mit den Fachgebieten Wirtschaft und Recht.

Gudrun Penndorf 2020 bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Dann wechselte sie auf das Sprachen- und Dolmetscherinstitut nach München, verliebte sich, heiratete und arbeitete bald als Französisch-Redakteurin im Langenscheidt-Wörterbuchverlag. Dort, eine Fügung des Schicksals, lernte sie einen Anglisten kennen, der nebenher "Batman"-Comics übersetzte. "Das klang spannend!" Der Mann stellte ihr einen Kontakt zum Ehapa-Comic-Verlag her, der gerade jemanden für die Übersetzung von Micky-Maus-Taschenbüchern aus dem Italienischen suchte. Penndorf wurde genommen. "Ich bin als Allererstes in ,Jürgens Comic Shop' an der Schwanthalerhöhe, um mich mit Heften einzudecken. Ich kannte mich damit ja gar nicht aus."

Auch die Donald-Duck-Übersetzerin Erika Fuchs hat Gudrun Penndorf kennengelernt. Die nannte sie "Kindchen". (Foto: imago stock&people)

Während einer Veranstaltung im Münchner Künstlerhaus lernte sie auch Erika Fuchs kennen, die mit ihren Interpretationen der von Carl Barks gezeichneten Disney-Comics bereits in der Sprechblasenkunst Maßstäbe gesetzt hatte. "Doch Fuchs nannte mich Kindchen!" Die Analyse der Figuren blieb Penndorf damit allein überlassen, mit der Frauen-Solidarität war's ebenfalls nicht weit her. "Ich habe mir zu den einzelnen Charakteren selber Notizen gemacht. So sollte Onkel Dagobert beispielsweise altmodisch ,kolossal' sagen, und nicht ,toll', wie es die drei Großneffen taten."

1968 bot sich ihr privat die Möglichkeit, ein paar Monate nach Paris zu gehen. Ausgerechnet während der Studentenproteste! Penndorf mietete sich im Quartier Latin ein, "wo es nach Teer stank, da aus Angst vor fliegenden Pflastersteinen eiligst die Straßen versiegelt wurden". Als der Verlag davon hörte, bat sie Geschäftsführer Adolf Kabatek, der auf der Suche nach einer ausgebildeten Übersetzerin war, doch mal bei Asterix-Autor René Goscinny vorzusprechen.

Die spinnen.... Asterix und Obelix starteten als Fortsetzungsroman in "Pilote". (Foto: ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2023 LES EDITIONS ALBERT RENE)

Es war die große Zeit der frankobelgischen Comic-Kunst, geprägt vom Chefredakteur der Jugendzeitschrift Pilote, eben jenem René Goscinny, mit dem sie nun plauderte. Gemeinsam mit dem Zeichner Albert Uderzo hatte Goscinny Ende der Fünfzigerjahre damit begonnen, humorvolle Bildergeschichten aus dem alten Gallien aufs Papier zu bringen. Asterix und Obelix waren als wöchentlicher Fortsetzungsroman in Pilote gestartet, bald füllten ihre Geschichten Comicalben in Frankreich. Dafür interessierte sich nun auch der deutsche Ehapa-Verlag. Doch die Franzosen reagierten reserviert: Erste Übersetzungsversuche des Comicverlegers Rolf Kauka hatten das französische Original in den germanisch-braunen Nazi-Sumpf verlegt, aus Asterix einen "Siggi" und aus Obelix einen "Babarras" gemacht. In Paris kam das freilich nicht gut an. Die Macher bestanden deshalb auf einer gut ausgebildeten Französisch-Übersetzerin. Penndorf erhielt den Auftrag.

Doch die Franzosen blieben weiterhin vorsichtig. Bis heute lässt man sich alle deutschen Übersetzungen (seit einigen Jahren übersetzt Klaus Jöken) zurück ins Französische transkribieren. Sicher ist sicher! Es dauerte bis Band 8 ("Asterix bei den Briten"), da man Gudrun Penndorf einige interpretatorische Freiheiten zubilligte. So bereicherte sie den Comic-Kosmos mit Namen wie Mac Teefürzweifix, O'Fünfuhrteefix, Schnurstrax, Strammermax, Gibtermine und Vaseline. Auch mit Maulaf, Klammeraf, Pornograf, Völligbaf, Dompfaf, Plexiglas, Kontrabas, Bratensos oder Trauerklos. Sogar den Ausdruck "Die spinnen, die Römer" hat ihr Deutschland zu verdanken. Zunächst hatte der Ehapa-Verlag aus dem Original (" Ils sont fous, ces Romains") "Uiiii, die Römer sind doof" machen wollen. Fürchterlich.

Erst ab dem achten Band der Reihe gestatteten die Franzosen der deutschen Übersetzerin interpretatorische Freiheiten. (Foto: ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2023 LES EDITIONS ALBERT RENE)

Und so wurde Penndorf bald auch mit der Übersetzung von mehr als 60 "Lucky Luke"-Bänden beauftragt und mit der Goscinny-Reihe "Isnogud". Daneben blätterte sie sich durch mehr als 200 italienische Disney-Taschenbücher. Vor allem aber in der Asterix-Reihe entfaltete sich ihr Talent. Hier machte sie aus Josephine Bakers Chanson " J'ai deux amours" frei nach Caterina Valente: "Ganz Lutetia träumt von der Liebe". Für ein Victor-Hugo-Gedicht, für welches es keine deutsche Übersetzung gab, erarbeitete sie selber eine - im perfekten Jamben-Rhythmus der französischen Klassik. Und dem Piraten im Schiffsausguck legte Penndorf das auf Martinique gesprochene Kreolisch in den Mund: "Das nicht artikulierte R galt zu Zeiten Napoleons als modern!"

Viele Stunden verbrachte sie zur Fortbildung in der Bayerischen Staatsbibliothek, näherte sich dort Schritt für Schritt den Kelten, den Römern, ihren Göttern und Gepflogenheiten, unterrichtete an der Universität, hielt Vorträge. Ständig kamen ihr neue Namen in den Sinn: Ladenschlus für einen Geschäftsbesitzer - zu einer Zeit, da in Deutschland gerade über Schließungszeiten debattiert wurde. Oder Quellnix, nach dem deutschen Versandhändler Quelle. Auch für Römerlager erfand sie durchaus Originelles: Hintenrum, Saudum, Hauteuchdrum, Teemitrum. Wichtig war, dass alles immer schön in die Sprechblase passte.

Sie referiert über die ernste Kunst des leichten Witzes

Auch heute noch ist Sprache ihre große Leidenschaft. "Selbst, wenn ich Fernsehen schaue, analysiere ich ständig alles." Gudrun Penndorf ist stolz darauf, dass sie ihr Leben als Frau eigenständig gemeistert hat. Den Homebildschirm ihres Handys ziert ein Kandinsky-Motiv: "Das Bild heißt: Empor!" Und so referiert sie, Mutter eines auch schon etwas älteren Sohnes, neben frischen Frühlingsblumen auf der Fensterbank und der neuesten Ausgabe ihrer Lieblingszeitung über die ernste Kunst des leichten Witzes. Über Polysemie (Mehrdeutigkeit: " farce kann im Französischen entweder Scherz oder Fülle bedeuten"), Homonymie (Gleichlautendes: " le barde heißt: der Barde, la barde jedoch: die Speckscheibe"), Paronymie ("anders klingende Wörter: chou bedeutet: Kohlkopf, sou aber: Geldstück) oder Antonymie, also Gegensätze: Zum Beispiel sagt Asterix im Arvernerschild-Band, in einem Kohlehaufen versteckt: " Je vais passer une nuit blanche!" Als französische Redewendung heißt das: "Ich werde eine schlaflose Nacht haben!" Doch wie übersetzt man das? Penndorf brütete und schrieb: "Ich sehe da in jeder Richtung schwarz."

Nicht immer verstand sie sofort jede Anspielung von Uderzo und Goscinny. Da war es gut, dass sie französische Freunde hatte: Fanette und Michel, beide Konferenz-Dolmetscher aus dem Loire-Tal, die sie regelmäßig besuchte und von ihnen beim Marmeladeeinkochen zum Beispiel erfuhr, dass mit der Göttin Amora (im Asterix-Band "Der Seher") natürlich auf eine französische Senfsorte angespielt wird oder woanders auf den Reifenhersteller Michelin oder den Ferien-Club Méditerranée. Oder das hier: Im Band "Tour de France" kaufen Asterix und Obelix die in der Stadt Cambrai beliebte Süßigkeit Bêtises, was im Original "Dummheiten" bedeutet. Im Deutschen entschied sich Penndorf für "Backpfeifen", das passte am besten in den Kontext.

Beim millionenhaften Erfolg der Asterix-Hefte ist es wahrscheinlich, dass Gudrun Penndorf für die deutsch-italienisch-französischen Beziehungen in den vergangenen Jahren mehr getan hat, als der eine oder andere Politiker. Ganze Generationen sind in Deutschland mit ihrer Formulierungsfreude aufgewachsen. Auf ihrem Küchenschrank steht eine Flasche Cassis, am Herd ein Bialetti-Kocher und am Schränkchen im Flur die schwere Momo-Statuette, die man ihr zur Frankfurter Buchmesse überreicht hat. "Ein Gegenstand, wie man ihn in Krimis für Morde benutzt", sagt sie - natürlich nur ein Witz. Es wird nun Zeit, zu gehen.

Eine der schönsten Würdigungen übrigens war, das sagt sie dann auch noch, jene Postkarte, die ihr mal einer ihrer jungen Studenten aus Alise-Sainte-Reine geschickt hat. "Hallo Frau Penndorf", war da zu lesen. "Ich bin der aus der ersten Hörsaal-Reihe links und gerade in Alesia. Da habe ich an Sie gedacht!"

Also, das hat sie schon sehr gefreut.

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