Greifvögel:Taubenjagd am Pasinger Bahnhof abgeblasen

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Schon seit Jahren beherbergt der Pasinger Bahnhof viele Tauben. (Foto: Czeguhn)
  • Schon seit Jahren wird versucht, die vielen Tauben aus dem Pasinger Bahnhof zu vertreiben.
  • Nun kam die Idee auf, einen Bussard dort auf Jagd gehen zu lassen.
  • Experten halten dies allerdings für gefährlich und wenig zielführend zugleich.

Von Jutta Czeguhn, Pasing/Innenstadt

Morgendliches Gewusel am Pasinger Bahnhof, Eingangshalle Süd. Die Spezies Mensch hetzt zu den Zügen, im Gehen wird sich noch rasch eine Brezn einverleibt, Brösel fallen zu Boden, werden gierig von Stadttauben aufgepickt, die sich unbeeindruckt zwischen den vielen Beinen bewegen. Ein ganz normales urbanes Ökosystem, wie man es überall in den großen Städten beobachten kann. Tiere haben sich Nischen gesucht in den menschlichen Habitaten. Im Fall der Taubenkolonie am Pasinger Bahnhof handelt es sich allerdings um keine friedliche Koexistenz. Seit Jahrzehnten will der Mensch den Vögeln dort beikommen, sie mit Netzen, Drahtstacheln und Falkengekreische aus Bahnlautsprechern vom Brüten abhalten. Weil sich die Tauben aber als unerschrockene Fakire erwiesen haben, werden jetzt alternative Vergrämungsmethoden diskutiert: etwa eine mobile Falknerei zu verpflichten oder den Vögeln ein Taubenhaus einzurichten.

Nach dem gescheiterten Experiment mit den Greifvogelrufen aus der Konserve, welche die Pasinger Bahnkunden weit mehr nervten als die Tauben, kam man im örtlichen Bezirksausschuss auf die Idee, auf den Service einer Falknerei zurückzugreifen. Schließlich war auch nach Pasing der Ruf von Wüstenbussard-Weibchen Hillary gedrungen, die im Stachus-Untergeschoss und zuvor in den Einkaufspassagen der Hofstatt Tauben erschreckt hatte. Warum sollte diese Strategie nicht auch am Pasinger Bahnhof greifen? Der Bezirksausschuss vereinbarte einen Ortstermin am Bahnhof mit einem Falkner aus Unterschleißheim, der dann allerdings gesundheitsbedingt absagen musste. Reinhard Bodisch vom städtischen Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) hatte sich mit dem Falkner beraten können und brachte den Pasingern zum Ortstermin nun keine besonders frohe Kunde - dafür gab es jede Menge Vogelkunde.

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Wanderfalken, so erfuhren die Stadtteilpolitiker, würden ihr Nest natürlicherweise an Felswänden bauen. Kirchtürme oder andere hohe Gebäude mit steil abfallenden Wänden könnten in der Stadt zwar einen Ersatz bieten, aus Sicht des RGU aber gebe es im Pasinger Zentrum kein geeignetes Objekt. "Wanderfalken sind mobile Tiere, die nur dort bleiben, wo die Voraussetzungen für sie optimal sind. Sie brüten nur selten in Bäumen", teilte Bodisch mit. Eine Nisthilfe auf einem Baum im Würm-Grünzug sei daher nur sehr bedingt geeignet, das gelte auch für den Pasinger Stadtpark.

Zudem beanspruchten Wanderfalken ein großes Revier, das sie gegen Artgenossen verteidigen. Mit derzeit vier bis fünf Brutpaaren in München gebe es nach Ansicht des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) keinen Platz für das Revier eines weiteren Wanderfalkenpaares. "Es könnte daher zu Revierkämpfen kommen mit der Gefahr der Vertreibung, Verletzungen oder gar Tötung eines Tieres, weiß Bodisch vom LBV. Gegen den Einsatz von Wanderfalken am Pasinger Bahnhof spreche auch, dass sie nicht auf Haustauben spezialisiert seien. "Sie werden immer das am leichtesten greifbare Beutetier schlagen. Im Grünzug Würm besteht daher die Gefahr, dass auch seltene und geschützte Vogelarten zur Beute werden."

Generell geht man im RGU davon aus, dass der Einsatz von Greifvögeln keinen erheblichen Einfluss auf die Größe der Pasinger Taubenpopulation haben würde. Ein positiver Effekt wäre allenfalls, dass sich die Gesundheit einer Population verbessere, da die Greifvögel zuerst die kranken, geschwächten, alten oder ganz jungen Tiere erlegen würden.

Zudem fänden die Tauben im und um den Pasinger Bahnhof ausreichend Rückzugsmöglichkeiten unter den Bahnsteigüberdachungen, in den Passagen und zwischen den Gebäuden, dorthin könnte ihnen ein Wanderfalke nicht folgen. Die Greifvögel seien Jäger, die mit hoher Geschwindigkeit ihre Beutetiere im Sturzflug zu schlagen versuchen.

Durch die Oberleitungen und die Glasfassaden - weiß Bodisch vom Unterschleißheimer Falkner - bestehe am Pasinger Bahnhof eine extreme Verletzungsgefahr bei der Jagd. Aus biologischer Sicht geeigneter für die Taubenjagd wären laut Bodisch Habichte oder Sperber(weibchen), die seien wendigere Jäger. Doch würden etwa Sperber normalerweise nur selten fremde Horste annehmen, weshalb es fraglich sei, ob man sie im Grünzug der Würm oder im Pasinger Stadtpark ansiedeln könnte.

Angesichts dieser schlagenden Argumente aus ornithologischer Sicht haben Pasings Politiker die Idee aufgegeben, das Taubenproblem an ihrem Bahnhof durch Greifvögel zu lösen. Sie wollen nun die Verantwortlichen bei der DB Station und Service davon überzeugen, ein Taubenhaus am Bahnhof oder in dessen Nähe zu errichten. Vorbild ist der Schlag am Hauptbahnhof, der sich laut Bodisch nach Anfangsschwierigkeiten heute positiv auf die Kontrolle der Population auswirkt.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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