Greenpeace:"Wir werden nicht mehr über Menschenmassen fliegen"

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Die Umweltorganisation Greenpeace zieht Konsequenzen aus dem Beinahe-Absturz ihres Gleitschirmfliegers, bei dem zwei Menschen verletzt wurden. Auf Aktivismus will man aber auch künftig nicht verzichten.

Interview von Jakob Wetzel

Kurz vor dem EM-Spiel am Dienstagabend war ein Greenpeace-Aktivist mit einem Motor-Gleitschirmflieger auf dem Spielfeld der Fröttmaninger Arena notgelandet und hatte im Landeanflug zwei Männer verletzt. Die Verletzten konnten das Krankenhaus inzwischen verlassen. Gegen den Gleitschirmflieger wird ermittelt. Aktivisten von Greenpeace sind für ihre spektakulären Aktionen bekannt. Aus dem Unfall habe man aber Lehren gezogen, sagt Sprecher Dietmar Kress.

SZ: Der Gleitschirmflieger, der einen Ball ins Münchner Stadion werfen wollte, hatte nicht nur einen Unfall; er wäre offenbar auch fast abgeschossen worden, wenn er nicht als Greenpeace-Flieger erkannt worden wäre. Würden Sie so etwas noch einmal machen?

Dietmar Kress: Die Aktion selbst ist in ihrer Form durch einen technischen Defekt verunglückt. Wir sind schockiert, dass dabei zwei Menschen verletzt wurden, dafür haben wir uns inzwischen auch persönlich bei den beiden Verletzten entschuldigt. An der Frage, wie wir uns darstellen, arbeiten stark die Aktivistinnen und Aktivisten mit, die bereit sind, sich für die Umwelt einzusetzen, und zwar nicht anonym, sondern namentlich, wenn es darauf ankommt. Wir haben uns aber in den vergangenen Tagen stark Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll, weil wir natürlich von allen Seiten sehr viel Kritik bekommen haben, bisweilen auch zu Recht. Trotzdem wollen wir unseren Aktivismus nicht einstellen. Denn die ökologischen Krisen beschleunigen sich.

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Solche Aktionen werden dezentral von ehrenamtlichen Aktivisten geplant?

Es gibt Kampagnenteams von Greenpeace, die machen die inhaltliche Arbeit, beauftragen Studien und Recherchen oder reden mit Politikern. Und dann gibt es die Aktivisten und die Ehrenamtlichen, die demonstrieren und sich auf die Aktionen vorbereiten. Deren oberstes Ziel ist Sicherheit und Gewaltfreiheit. Das steht für uns immer im Vordergrund. Der Unfall ist leider passiert, aber der Pilot wollte eigentlich über das Stadion fliegen und einen Protestballon sinken lassen. Dass er durch einen Defekt gezwungen war, notzulanden und dass dabei zwei Menschen verletzt wurden, berührt uns sehr.

Die Aktion war riskant. Scharfschützen waren im Einsatz. Das hätte für den Aktivisten schlimm ausgehen können.

Die Beteiligten haben sich darüber natürlich Gedanken gemacht und gewusst, dass es große Sicherheitsvorkehrungen gibt. Ein Aktivist hat deshalb auch direkt nach dem Start die Stadionpolizei angerufen und einen friedlichen Greenpeace-Protest in Form eines Überflugs angekündigt, und um klar zu machen: Uns ist das Anliegen so wichtig, bitte nehmt uns auch wichtig. Die Gefahr, in die sich einzelne Aktivistinnen bringen, ist eine Entscheidung, die jede und jeder für sich selbst trifft. Wir haben allergrößte Hochachtung für ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

Haben Sie Lehren daraus gezogen?

Wir werden nicht mehr über Menschenmassen fliegen. Das machen wir nicht mehr. Das ist die erste Lehre. Die zweite ist: Wie werden weiterhin akribisch und genau auf Sicherheit und Gewaltfreiheit achten. Und wir werden außerdem die Aktivistinnen und Aktivisten schützen, wie wir nur können.

Wie meinen Sie das?

Es gibt jetzt sehr viele Angriffe, Häme und Hassnachrichten gegen Aktivisten. Es stehen sogar Leute vor deren Türen. Das ist eine schwierige Situation. Wir lassen sie nicht im Regen stehen.

© SZ vom 19.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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