Kurzhaarfrisur, geblümter Schal, um die Siebzig: Eine verblüfft dreinschauende Frau schiebt sich in letzter Sekunde durch die Absperrung noch heraus aus der Menschenmenge. Sie sei aus Stuttgart gekommen, besuche ihre Tochter - "und jetzt so was". Mit so einem bunten und fröhlichen Empfang habe sie nicht gerechnet, erzählt sie lachend.
Die Szenerie, die sich vor der Besucherin auftut, lässt viele der Anwesenden frohlocken. Ein Meer aus hellgrünen T-Shirts, Tausende stehen auf der Blumenstraße mitten im Zentrum, gesäumt von gefühlt genauso vielen Schaulustigen. Die Sonne knallt auf den Asphalt, Kinder klatschen auf den Schultern ihrer Eltern in die Hände - wo man hinschaut, wird gelächelt und gelacht.
Auf der Kreuzung räumen Helfer die Absperrung weg. Gleich geht er los, der Benefizlauf "Giro di Monaco" des Kulturzentrums Bellevue di Monaco. Das Motto, das auf den Teilnehmer-T-Shirts zu lesen ist, heißt: "Nur gemeinsam läuft's!" Der Lauf ist eine Art Demozug für Toleranz und gegen Rassismus, "ein sportliches Zeichen für Demokratie und eine offene Gesellschaft", wie die Veranstalter es formulieren. Zum dritten Mal findet er bereits statt. Es geht rund um die Innenstadt, einmal entlang des Altstadtrings im Uhrzeigersinn, Giro heißt ja auch Runde auf Italienisch. Fünf Kilometer Weg, das Ziel ist dann wieder bei der Kreuzung mit der Corneliusstraße am Bellevue di Monaco, wo im Anschluss ein Straßenfest stattfindet.


Wie viele es sind, die sich da tanzend, laufend, walkend oder schlendernd für Demokratie einsetzen, ist schwer zu sagen. Viele, die es nicht auf die offizielle Laufbahn auf der Straße geschafft haben, laufen nebenher oder kommen erst später dazu. Einige laufen die Runde auch zweimal. Etwas mehr als 7000 Anmeldungen habe es im Vorfeld gegeben, sagt Barbara Bergau, Geschäftsführerin des Bellevue di Monaco. Später berichtet die Polizei von etwa 10 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ähnlich hoch war die Zahl auch im vergangenen Jahr geschätzt worden.
In der letzten Viertelstunde vor dem Start tritt noch die Spider Murphy Gang auf die Bühne - das Dach eines Doppeldeckerbusses. Frontmann Günther Sigl erkundigt sich bei der Menge, wer denn hier beim Lauf noch 1947er-Jahrgang sei, so wie er, tatsächlich jubeln einige wenige. "Nur nicht nachlassen", ruft Sigl ins Mikro. Danach heizt die Band mit dem typischen gut gelaunten Rock'n'Roll-Drive der Menschenmenge ein. Schwierig, dabei stillzustehen, das sieht man auch bei den wartenden Läufern, ihre Beine bewegen sich wie von selbst mit.



Mehrheitlich gehen allerdings jüngere Jahrgänge als Sigl an den Start. Etwa Josef, ein 29-Jähriger aus Niederbayern, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Seit ein paar Jahren lebe er in München, beim Spendenlauf mache er mit, weil es einfach "eine coole Aktion" sei, meint er. In etwa einer halben Stunde könne er die fünf Kilometer laufen. Aber es sei eigentlich auch völlig egal, wie lang man brauche, denn er möchte auch noch ein bisschen mit seinen Freunden ratschen, einfach eine gute Zeit verbringen. "For solidarity", für die Solidarität, läuft zum Beispiel die Spanierin Enar mit, die in der Nähe steht.
Man habe im Vorfeld gezielt Gruppen angesprochen, etwa Flüchtlinge aus Unterkünften oder Menschen mit Behinderung, erzählt Geschäftsführerin Bergau. "Alle können hier gleichberechtigt mitmachen, es kommt nicht auf die Sprache oder den Beruf an." Die Teilnahme ist kostenlos, aber verbunden mit einem Spendenaufruf mit der Zielmarke von 125 000 Euro. Am frühen Nachmittag nach dem Lauf waren laut Homepage 122 800 Euro bereits erreicht worden. Laut Geschäftsführerin Bergau war am Sonntagabend auch schon die Zielsumme erreicht, allerdings zu dem Zeitpunkt noch nicht auf der Homepage aktualisiert worden. Das Geld soll in die Finanzierung von Projekten des Bellevue di Monaco zur Unterstützung geflüchteter Menschen fließen.