"Gehwehparken ist kein Kavaliersdelikt und muss von der Polizei geahndet werden", sagt Thorsten Kellermann vom Bund Naturschutz (BN) in München. Weil sie der Auffassung sind, dass das eine viel zu oft, das andere aber viel zu selten stattfindet, sind am Mittwochabend knapp hundert Menschen, unter ihnen zahlreiche Rollstuhlfahrer, vors Münchner Polizeipräsidium in der Ettstraße gezogen. Zu der Kundgebung für freie Geh- und Radwege hatten neben dem BN die ÖDP, der ADFC München, der Verein Fuss e.V. und der Verkehrsclub VCD München aufgerufen.
Durch die Polizei wurden im Jahr 2023 mehr als 624 000 Verkehrsordnungswidrigkeiten angezeigt oder durch Verwarnungen geahndet. Davon entfielen mehr als 49 000 Ahndungen nach Polizeiangaben auf den Bereich Parkverstöße auf Geh- und Radwegen, bei abgesenktem Bordstein sowie im Kreuzungsbereich. Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr 13 490 Fahrzeuge durch die Münchener Polizei abgeschleppt.
Die Geh- und Radwege in vielen Münchner Wohnquartieren würden dennoch viel zu häufig zugeparkt, sagen die Organisatoren. Dadurch werde von Falschparkern "wissentlich in Kauf genommen", dass Kinder, Fußgänger und Fußgängerinnen, Radfahrer und Radfahrerinnen sowie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen massiv gefährdet würden. "Trotz der eindeutigen Gesetzeslage werden solche Verstöße in München kaum geahndet", so der Vorwurf.
Im vergangenen Jahr gab es laut Statistik der Verkehrspolizei 3479 Unfälle, an den Radler beteiligt waren. 3420 Menschen wurden dabei verletzt. Unter den zwölf Verkehrstoten in Stadt und Landkreis München waren je vier Radfahrer, Fußgänger und motorisierte Verkehrsteilnehmer. Nimmt man die Schwerverletzten dazu, war fast die Hälfte der Opfer mit dem Rad unterwegs gewesen.
Man habe "im Jahr 2023 zielgerichtete Verkehrsüberwachung im Hinblick auf die Sicherheit im Radverkehr durchgeführt", schreibt die Polizei in ihrer Verkehrsstatistik. Zum einen sei das falsche Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer gegenüber Radfahrern überwacht worden, zum anderen aber auch das Fehlverhalten von Radfahrern selbst. Hinweise und Beschwerden aus der Bevölkerung würden aber oft nicht ernst genommen und das Zuparken von Geh- und Radwegen häufig ignoriert, halten die Organisatoren der Demo entgegen.
Die Polizei widerspricht. "Eine regelmäßige Tolerierung von Verstößen findet nicht statt", sagt ein Sprecher. Die Polizei müsse aber Prioritäten setzen. Vorrang hätten "Verstöße, die entweder ein besonderes Gefahrenpotenzial beinhalten oder den Verkehrsablauf erheblich stören". Vor diesem Hintergrund gebe es durchaus Schwerpunkte des polizeilichen Vorgehens gegen Falschparker, zuletzt etwa in Giesing. Die Verhältnismäßigkeit und das Gleichheitsprinzip müssten aber beachtet werden, Entscheidungen immer auf den Einzelfall bezogen sein. "Eine lückenlose Verkehrsüberwachung ist weder möglich noch wünschenswert", so die Münchner Polizei.
Die Straßenverkehrsordnung verbietet prinzipiell das Halten oder gar Parken auf Gehwegen, auch mit nur zwei Rädern - es sei denn, es ist durch Schilder und Markierungen ausdrücklich erlaubt. Auch das Halten auf Rad-Sicherheitsstreifen auf der Fahrbahn ist nicht zulässig. Die Bußgelder belaufen sich auf 30 bis 100 Euro, bei besonders schweren Verstößen ist auch ein Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei drin.
Erster Erfolg bereits vor der Kundgebung
Polizistinnen und Polizisten fänden leider in München "häufig eher Ausreden für Falschparker", hält Sonja Haider, mobilitätspolitische Sprecherin der Fraktion ÖDP/München-Liste dagegen. Dann heiße es oft: Wo sollen die Autos denn sonst parken? "Wir müssen Gehwege sofort wieder zu sicheren Räumen für alle machen", fordert Anais Schuster Brandis von Fuss e.V.; Christoph von Gagern vom VCD München sagt: "Die gerechte Aufteilung des Straßenraums der Stadt muss sich daran orientieren, wer den meisten Schutz benötigt. Hier sind in München Fußverkehr und Radverkehr längst noch nicht gut genug aufgestellt, das fahrende und stehende Auto dominiert." Eva Mahling vom ADFC München verweist darauf, dass Kinder bis zum achten Lebensjahr auf dem Gehweg radeln müssen: "Die Polizei sollte sich dem Anspruch aller Menschen auf ungehinderte, sichere Teilnahme am Straßenverkehr verpflichtet fühlen."
Einen ersten Erfolg hatte die Kundgebung nach Einschätzung ihrer Organisatoren schon, bevor sie überhaupt begonnen hatte: "Das Polizeipräsidium zeigt sich endlich dialogbereit", schrieb ÖDP-Pressesprecherin Judith Bauer am Dienstag. Die Polizei habe zugesagt, "an unserem nächsten runden Tisch zum Gehwegparken teilzunehmen". Michael Hausmanninger vom Behindertenbeirat verliest die Forderungen der Demonstrierenden, die anschließend an Andreas Franken, den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Polizeipräsidium, überreicht werden. Der verspricht: "Sie werden gehört."