Garchinger Forschungsanlage:Gutachten: Reaktorbetrieb "ist seit acht Jahren illegal"

Lesezeit: 3 Min.

Der "FRM II" wird von der TU München in Garching betrieben. (Foto: dpa)
  • Im Streit um den Forschungsreaktor der TU München in Garching legen Umweltschützer und Atomgegner ein neues Gutachten vor.
  • Demzufolge ist der Betrieb "seit acht Jahren illegal". Es geht dabei um den Anreicherungsgrad des Urans, mit dem der Reaktor betrieben wird.
  • Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz prangert es als "wirklich skandalös" an, "wie hier in Bayern mit Recht und Gesetz umgegangen wird".
  • Die TU will das Gutachten prüfen. "Wir sind überzeugt, dass alles rechtens ist", sagt eine Sprecherin.

Von Gudrun Passarge

Der Betrieb des Garchinger Forschungsreaktors FRM II "ist seit acht Jahren illegal" - zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten der Berliner Rechtsanwältin Cornelia Ziehm. In Auftrag gegeben hat es ein Konsortium aus dem Bund Naturschutz, den Landtags-Grünen, dem Umweltinstitut München und der Bürgerinitiative "Bürger gegen den Atomreaktor Garching". Knackpunkt ist die Nutzung von Uran 235 mit einer Anreicherung von fast 93 Prozent. In der Betriebsgenehmigung aus dem Jahr 2003 ist eine Umstellung auf niedriger angereichertes Uran (unter 50 Prozent) bis 2010 festgeschrieben, die bisher nicht erfolgt ist.

Der Forschungsreaktor wird von der Technischen Universität (TU) München betrieben, er dient der Grundlagenforschung in Physik, Chemie, Biologie und Materialwissenschaften. Seit dem 12. März steht die "Forschungs-Neutronenquelle Heinz-Maier-Leibnitz" in Garching jedoch still, weil derzeit keine Brennelemente zur Verfügung stehen. Das hoch angereicherte Uran, das aus Russland kommt und in Frankreich verarbeitet wird, kann wegen neuer Lieferbestimmungen in Frankreich im Moment nicht über die Grenze gebracht werden. "Die Allianz ist guten Mutes und auch wild entschlossen, dass der FRM II nicht mehr in Betrieb geht", sagte Richard Mergner, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern, am Mittwoch.

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Grund für die Auflage von 2003 zur Umrüstung auf niedriger angereichertes Uran sei das Proliferationsrisiko, führte die Rechtsanwältin Ziehm aus, also die Gefahr, dass waffenfähiges Material in die falschen Hände gerät. Ziehm stellte bei der Präsentation des Gutachtens im Münchner Eine-Welt-Haus klar, dass es ihr rein um eine juristische Beurteilung gehe, nicht um die Frage, ob eine solche Umstellung möglich sei oder nicht. Ohne die Maßgabe der Umstellung hätte es gar keine Genehmigung für den Reaktor gegeben, "dann würden wir heute nicht hier sitzen".

Doch das gesetzte Ultimatum bis 2010 verstrich, ohne dass etwas passierte. Es gab eine Verlängerung der Frist bis Ende 2018, ausgehandelt von den Wissenschaftsministerien in Bayern und im Bund. Ein solch bilaterales Abkommen, ohne Beteiligung der Atomaufsicht noch dazu, habe jedoch die Genehmigung nicht verändern können, so Ziehm. Sie zeigte sich überrascht vom Prozedere: "Man hat einfach so getan, als wenn nichts wäre." Und selbst wenn die Angaben der TU und des Ministeriums stimmen sollten, dass eine Umstellung objektiv nicht machbar sei, dann bedeute das: "Die Genehmigung ist nichtig."

BUND-Vorsitzender spricht von "Schwarzbetrieb"

"Das Gutachten ist ein echter Hammer", sagte Karin Wurzbacher. Die Physikerin war früher am Umweltinstitut und bekämpft den Reaktor von Anfang an. Sie warf der TU und der Politik ein "Tricksen und Täuschen" vor. Zudem sei der Reaktor so platzsparend gebaut worden, dass eine Umrüstung erschwert sei. Sie sprach von einer Verschleierung der Betreiber, "dass man eigentlich gar nicht umrüsten will". Dabei gebe es mittlerweile Äußerungen selbst von TU-Mitarbeitern, laut denen eine Umrüstung machbar sei.

Von einem "Schwarzbetrieb" sprach der Vorsitzende des Bundes Naturschutz Mergner. Er prangerte es als "wirklich skandalös" an, "wie hier in Bayern mit Recht und Gesetz umgegangen wird". Es gehe auch darum, dass waffenfähiges Uran nicht mehr durch die Gegend gefahren werde. Hauke Doerk vom Umweltinstitut München nahm den Faden auf und sagte, den Umweltverbänden und der Friedensbewegung gehe es darum, "die Verbreitung von waffenfähigem Material weltweit zu bannen". Rosi Steinberger, Landtagsabgeordnete der Grünen und Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz, bezeichnete das hoch angereicherte Uran als "hochbrisantes Material", wie die aktuelle Diskussion um Iran zeige, bei der es um drei oder vier Prozent Anreicherung gehe.

Sie sagte, das Bündnis habe mit dem Gutachten "eigentlich die Arbeit der Atomaufsicht" übernommen. Diese habe "vollkommen versagt". Die Grünen hätten auch schon einen Brief an den bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) geschickt, der für die Atomaufsicht zuständig ist, mit der Aufforderung zum Handeln. Eine mögliche Klage bezeichnete Mergner als letztes Mittel: "Wir vertrauen doch noch auf die Einhaltung des Rechtsstaats."

Die TU hingegen sieht keine Gefahr von dem Gutachten ausgehen, wie Anke Görg, Sprecherin des Forschungsreaktors, sagte. "Wir sind überzeugt, dass alles rechtens ist." Jetzt warte die Universität auf das Gutachten, um es zu prüfen.

Ein Sprecher des bayerischen Umweltministeriums sieht es ähnlich: "Der Forschungsreaktor wurde nach den geltenden gesetzlichen Regelungen und einer intensiven rechtlichen und fachlichen Prüfung genehmigt. Die Genehmigung besteht. Die Umrüstung auf einen Brennstoff mit geringerer Anreicherung ist derzeit technisch nicht möglich." Im Reaktor werde hochkarätige technische und medizinische Forschung betrieben und darüber hinaus würden auch "wichtige Beiträge zur medizinischen Versorgung geleistet", so der Sprecher.

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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