Promi-Tipps für München und die Region:Die Woche von Johannes Sens

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Kauzige Charakterköpfe: "Gankino Circus" überzeugen mit ihrem speziellen Cocktail aus schmissigen Melodien, schwarzem Humor und absurden Geschichten. Links im Bild: Johannes Sens. (Foto: M. Beck)

Johannes Sens, Schlagzeuger der fränkischen Spaßmusikanten-Truppe Gankino Circus, freut sich in der Woche vom 27. Dezember 2021 bis 2. Januar 2022 auf Auftritte mit seiner Band sowie verschiedene Kunst- und Kochprojekte. Und einen guten Vorsatz fürs neue Jahr hat er auch schon. Ein Gastbeitrag.

Künstler haben es schwer in diesen Zeiten. Aber: Die vier Franken sind trotzig und stur. Zwei Eigenschaften, die ihrer Karriere schon öfter gut in die Karten gespielt haben. Die letzten Monate arbeiteten sie intensiver als je zuvor, ganz besonders für ihre interaktive "Gankino Circus Show", die seit April dieses Jahres unregelmäßig als Streaming-Format aus dem Alten Kino Ebersberg gesendet wird. Die letzte am 30. Dezember, als "Silvester Spezial" mit "LaBrassBanda"-Frontmann Stefan Dettl.

Montag: Poesie aus der Gosse

Markku Peltola als "M" in dem preisgekrönten Filmdrama "Der Mann ohne Vergangenheit" von Aki Kaurismaeki. Als Namenloser ohne Erinnerung baut er sich ein neues Leben auf, bis ihn die drohende Identifizierung mit seinem alten Dasein konfrontiert. (Foto: ddp)

Zuhause gibt es morgens erstmal nix. Musik an. Kaffee kochen. Auf dem Plattenspieler liegt vielleicht: The Felice Brothers" - Selftitled aus dem Jahr 2008. Als Simon Felice mit seinen Brüdern gemeinsam Musik machte, war die Welt noch in Ordnung. Er ist ein bewundernswerter Schlagzeuger. So lebendig und verstaubt klingen Trommeln selten in der Popmusik. Für mich sind The Felice Brothers Songwriter-Helden mit einer ähnlichen Strahlkraft wie Aki Kaurismäki im Film. Beide erzählen Geschichten voller Poesie aus der Gosse. "Der Mann ohne Vergangenheit" zum Beispiel, so ein großartiger Film, der prima für die Zeit "zwischen den Jahren" passt.

Dienstag: Es geht um die Wurst

Mara Sandrock, Künstlerin aus Leipzig, hasst Wurst. In ihren Werken spielen Naturdärme trotzdem eine zentrale, oft Bild gebende Rolle. Wie im Werk "Come As You Are" von 2019. (Foto: Tim Nowitzki)

Den Vormittag verbringe ich in trommelnder Ekstase. Da geht es dann schon mal zur Sache oder auch um die Wurst. Gerade da muss man heutzutage leider lange nach Qualität suchen. Mara Sandrock, Künstlerin aus Leipzig und eine gute Freundin, hasst Wurst. In ihren Werken spielen Naturdärme trotzdem eine zentrale, oft Bild gebende Rolle. Sie ballen sich, dehnen sich aus und ziehen sich wieder zusammen. Die studierte Künstlerin und Medizinerin setzt sich in ihren Werken sehr intensiv mit dem menschlichen Leib, seiner Diversität, Vielfältigkeit und Veränderlichkeit auseinander. Spannend. Ebenso wie das Buch "Blumen und Wurst" vom leider viel zu früh verstorbenen Philipp Moll. Eine absolute Empfehlung meinerseits. Uneingeschränkt.

Mittwoch: Sinnieren am Bach

Johannes Sens schlendert gern im Englischen Garten am Schwabinger Bach entlang, hier der Wasserfall unter der Prinzregentenstraße/Kreuzung Altstadtring. (Foto: Florian Peljak)

Heute geht es mit meiner Band Gankino Circus nach Nürnberg. Wir spielen unser Programm "Die Letzten Ihrer Art", und zwar in unmittelbarer Nähe des Dutzendteichs, der vor dem Auftritt zu einem tiefgründigen Selbstgespräch einlädt, auch wenn einen dort die architektonische Nazivergangenheit dabei anglotzt. Ich mag es auch bei unseren Auftritten im Münchner Lustspielhaus zwischen Soundcheck und Konzert nochmal sinnierend und sich sammelnd am Schwabinger Bach im Englischen Garten entlang zu schlendern. Das genieße ich sehr. Am liebsten mit Mobys "Ambient" im Ohr.

Donnerstag: Songs aus dem Stehgreif

Ebersberg, in letzter Zeit oft unser Ziel, auch heute wieder. Live aus dem Alten Kino übertragen wir am Abend unser neuestes Format, eine interaktive Streamingshow. Frei nach dem Motto "Make Television Great Again". Mit Late-Night-Gags zur besten Sendezeit, spannenden Gästen und viel Livemusik. Heute wird LaBrassBanda-Frontmann Stefan Dettl mit auf der Bühne sein. Ich freue mich drauf. In den vergangenen Shows waren David Saam ( Kellerkommando), die Songwriterin Wencke Wollny und Vito C (JBO) zu sehen. Der Clou ist, dass die Zuschauer zu Hause die Show mitgestalten können. Mit Wencke haben wir den "Corona-Blues" erfunden. Das Publikum rief in Ebersberg an, erzählte von seinen Wünschen und Träumen und Wencke kreierte vor laufender Kamera aus dem Stand einen Song daraus. Herrlich.

Freitag: Satirische Kunst

Silvester feiere ich zuhause. Also geht es mit der Bahn aus Oberbayern wieder gen Osten. Wenn ich beim Umsteigen in München Zeit für einen Spaziergang habe, kann ich zumindest von außen einen etwas wehmütigen Blick aufs "Muca" wagen, das leider wegen Corona bis zum 4. Januar geschlossen ist. Die Ausstellung "Ikonen der Urban Art" hätte ich schon gern gesehen. Banksys frühe Ölgemälde zum Beispiel. Im Gemälde "Are You Using That Chair?" zitiert er Edward Hoppers "Nighthawks". Ich mag satirische Kunst. Alexandre Farto wird auch ausgestellt, natürlich nur in Kopie, weil seine hauswandgroßen Fassaden-Fräsungen leider nicht ins Museum passen wollen.

Samstag: Brot und Brühe

Frisch vom Feld: Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen das regionale Angebot in den Hofläden. (Foto: Renate Schmidt)

Traditionell isst der Franke an Neujahr gern saure Zipfel. Ich liebe es, die Gemüsebrühe dafür schon ein paar Tage vorher aus frischem Wurzelgemüse zuzubereiten, um sie dann bis zum Neujahr mehrmals wieder aufzukochen. Süßkartoffel, Walnüsse und Ingwer sind für mich dabei essenziell. Auch wenn das niemandem besonders fränkisch vorkommen wird. Egal. Dazu ein gutes Brot. Beim Brot ist das ähnlich wie bei der Wurst. Ein Glück, dass man hier und da noch sogenannte Freibäcker findet, die nach traditionellen Familienrezepten backen und nicht die 08/15 Backmischung in die Backstraße kippen. Ich koche gerne nach Vincent Kling. Sein Buch "Ab ins Gemüse" ist so was wie meine Küchenbibel. Neben Yotam Ottolenghi. Mal sehen was es heute wird.

Sonntag: Gute Vorsätze

"Gankino Circus" in Aktion: Die kauzigen Weltmusiker bringen im Schlachthof ihr Programm "Irrsinn und Idyll" auf die Bühne. (Foto: Pressefoto)

Man soll ja das neue Jahr mit guten Vorsätzen beginnen. Deshalb starte ich gleich mal mit Wirbelsäulentraining in den Tag. Jon Yuen ist mein Hero. "Spinal Waves" heißt sein Trainingskonzept, das einfach zu erlernen ist. Den Rest des Tages werde ich Text lernen. Wir inszenieren am Dehnberger Hoftheater das Theaterstück "Ruhm und Ruin" und proben ab morgen. Am 12. Februar feiern wir Premiere. Nur ein paar Tage später bin ich schon wieder in München, wenn wir mit Gankino Circus im Schlachthof unser Programm "Irrsinn und Idyll" spielen. Und ich hoffe, ich finde dann Zeit für die "Ikonen der Urban Art". Es wird ein großartiges Jahr, davon bin ich überzeugt.

Johannes Sens, geboren 1984 und aufgewachsen in der Nähe von Dietenhofen in Westmittelfranken, gründete früh mit seinen Freunden und heutigen Mitmusikern Ralf Wieland, Maximilian Eder und Simon Schorndanner die Kirchweih-Kuriositäten-Kapelle "Gankino Circus". Die Musik der vier Dietenhöfner ist eine Liebeserklärung an ihre Heimat. Und an die Heimat anderer. Denn das musikalische Spektrum ihrer Lieder reicht weit über die fränkischen Grenzen hinaus. Zahllose Konzerte auf Kabarett-, Theater- und Festivalbühnen führten Gankino Circus durch ganz Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Ungarn, die Ukraine, Bulgarien, Serbien, Kasachstan, Kirgisien, Georgien und Armenien. 2015 repräsentierte der fränkische Exportschlager sogar die deutsche Musikkultur auf der Expo in Mailand. Regelmäßig bespielen sie die Bühnen der Goethe-Institute dieser Welt. Ihr mehrfach preisgekröntes Programm "Die Letzten ihrer Art" hatte 2018 im Münchner Lustspielhaus Premiere, das neue Programm "Bei den Finnen", coronabedingt mehrfach verschoben, am 21. Januar 2022 im Mühldorfer Haberkasten.

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