Freising:Geteilte Meinung zum Home-Office

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Die Möglichkeit zum Home-Office ist in der Pandemie Segen und Fluch zugleich. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Manches Unternehmen in Freising sieht sich schon weiter, andere Firmen wollen eigenverantwortlich bleiben. Teilweise gibt es auch begründete Kritik.

Von Thilo Schröder, Freising

Mehr Home-Office wagen, mehr Arbeiten von zuhause vorschreiben oder lediglich daran appellieren: Darum kreist dieser Tage eine Debatte zur Zukunft der Büroarbeit, mit Verweis auf die Ansteckungsgefahr in der Corona-Pandemie, aber auch darüber hinaus. Der Bundespräsident spricht darüber, der Ministerpräsident hat sich dazu mit Arbeitgebern getroffen, der Bundesarbeitsminister hatte schon Ende 2020 einen Gesetzentwurf eingebracht. Im Frühsommer hat die Freisinger SZ sich bei Unternehmen in der Region und der Freisinger Stadtverwaltung umgehört, wie sie auf Home-Office umgestellt haben oder wieso sie schon länger darauf setzen. Was hat sich zwischenzeitlich verändert oder etabliert, wo offenbart das Arbeiten von zuhause Schwächen und wie steht man zum Recht auf Home-Office?

"Routine haben wir jetzt natürlich", sagt Architekt Reinhard Fiedler. Wegen Corona hatte er im Frühjahr 2020 in seinem achtköpfigen Freisinger Büro das Arbeiten von zuhause technisch ermöglicht. Nicht nur wegen des Virus würden Mitarbeiter das Angebot seitdem nutzen. Etwa die Hälfte arbeite derzeit von zuhause - aus freien Stücken. Kann er sich einen gesetzlichen Anspruch auf Home-Office vorstellen? "Die Idee finde ich grundsätzlich richtig, Flexibilität ist aber wichtig - und ein Austausch notwendig", sagt Fiedler. Ein Gesetz, das allen erlaube, zu entscheiden, wann und wo sie arbeiten wollen, würde bei ihm aber nicht funktionieren. "Home-Office hat die Arbeit sicher verändert. Für die Leute ist es sicher positiv, ob es das auch für die Arbeit ist, weiß ich nicht."

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Für Alexander Grossmann, Gründer der Fair Recruitment GmbH in Freising, ist in Anbetracht der derzeitigen Gesundheitslage klar: Das Arbeiten muss, wo möglich, dezentral stattfinden. "Manche Unternehmen brauchen da gerade eine Ansage, das Argument 'unternehmerische Freiheit' würde ich in diesem Fall nicht gelten lassen: Gebt den Leuten das Home-Office, und zur Not muss der Gesetzgeber nachhelfen." Im dritten und vierten Quartal 2020 seien die Angestellten an einem Tag pro Woche im Büro gewesen, jetzt gilt: "100 Prozent Home-Office bis Ende Januar".

Ein Recht auf Home-Ooffice könne insgesamt wirkungsvoller sein als die Begrenzung privater Kontakte auf eine weitere Person, glaubt Grossmann. "Das würde auch den Nahverkehr entlasten." Langfristig könne man über einen Mindestanspruch nachdenken, etwa zwei Tage Home-Office pro Woche, wo möglich. Grossmann stimmt Fiedler zu, wenn er sagt: "Komplettes Homeoffice ist auf Dauer aber auch nix, das hab ich selbst gemerkt."

Nicht jedes Zuhause ist derzeit mit Arbeitsplatz oder gar -zimmer ausgestattet

Eine etwas andere Sicht auf das Thema hat man bei der Kasper Communications GmbH in Freising. Die Marketing-Agentur von Michael Kasper schrieb jüngst auf ihrer Facebookseite: "Lasst uns das Büro! Denn nicht jedes Zuhause hat Platz für einen ordentlichen Arbeitsplatz oder gar ein Arbeitszimmer. Stell dir einmal vor, wie du mit deinem Laptop am Küchentisch sitzt, um dich herum zwei kleine Kinder. In einer Drei-Zimmer-Wohnung. Das ist laut, das ist anstrengend und für Erwachsene und Kinder schrecklich." Und weiter: "Wir wollen nicht wild tanzen und schmusen im Büro. Wir tragen Maske, halten Abstand und tun alles, um Corona keine Chance zu geben. (...) Deshalb fordern wir: Wo ausreichend Platz, Räume und Möglichkeiten sind, müssen Büros genutzt werden dürfen: Für uns und unsere Psyche."

Im Freisinger Biotech-Unternehmen Omicscouts kannte man Home-Office schon vor Corona, hat das seitdem aber intensiviert. "Ich würde grob schätzen, dass wir momentan vielleicht 30 Prozent Präsenz haben, hauptsächlich im Labor", sagt CEO Hannes Hahne. "Wir rechnen nicht damit, im nächsten halben Jahr zum vorherigen Modus zurückzukehren." Im Gegenteil: "Zuletzt haben wir über eine Verschärfung unserer Hygienemaßnahmen gesprochen." Job-Interviews führe man wegen des Infektionsschutzes komplett digital, gleichwohl mangels Erfahrung damit ein gewisses Risiko bestehe, "dass wir nicht den besten Kandidaten, die beste Kandidatin bekommen". Er selbst arbeite im Gegensatz zum Frühjahr nun öfter von zuhause, auch wegen einer inzwischen stabileren Internetverbindung dort. Die Diskussion um ein generelles Recht auf Home-Office tangiere seine Firma wenig, sagt Hahne.

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"Generell ist das aber eine Debatte, die natürlich geführt werden sollte. Es spart viel Zeit, wenn man von weiter weg pendelt. Wer dagegen bei uns in Freising wohnt, wird öfter ins Büro kommen wollen. Der Druck auf den Immobilienmarkt dürfte durch mehr Home-Office größer werden, andersherum könnten sich Co-Working-Spaces stärker etablieren." Auch Hahne betont derweil: "Ich freue mich auf die Zeit, wenn alle wieder entspannt ins Büro gehen, das Gemeinschaftsgefühl durchgemeinsame Aktionen gestärkt wird." Derzeit sei es für ihn aber "ein bisschen unverständlich, dass größere Unternehmen derzeit wieder zu 50 Prozent Präsenz zurückwollen, und das lieber früher als später".

Und wie funktioniert das Arbeiten von zuhause inzwischen bei der Stadt Freising? Im Frühjahr hieß es noch von der Pressestelle, dass Home-Office vor der Pandemie "nur ausnahmsweise und auf Antrag in Einzelfällen" möglich war. Jetzt teilt Sprecherin Christl Steinhart mit: Eine Dienstvereinbarung, die allen Beschäftigten ermöglicht, eine Vereinbarung zum mobilen Arbeiten anzustreben, trete "in Kürze in Kraft". Weiter erläutert sie auf Basis des Entwurfs: "Soweit es der Arbeitsplatz und die übertragenen Arbeitsaufgaben zulassen, soll zwischen der Stadt Freising und den Beschäftigten auf beiderseits freiwilliger Basis im Einzelfall eine Vereinbarung getroffen werden können." Eine gesetzliche Regelung für mehr Home-Office erscheine der Stadt indes "nicht erforderlich".

© SZ vom 19.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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