Tarifstreit im Öffentlichen Dienst:"Wenn es sein muss, legen wir den Flughafen lahm"

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Bei der Sicherheitskontrolle im Terminal 2 am Münchner Flughafen wurde erfolgreich eine neue Technik mit zwei geteilten Kontrollspuren und einem Computer-Tomografen zur Durchleuchtung getestet. Die Bezahlung der Mitarbeiter reicht kaum zum Überleben, sagt die Gewerkschaft. (Foto: Marco Einfeldt)

Mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung gehen die Verdi-Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in der Region in die Verhandlungen mit den Arbeitgebern. Ihre Forderung lautet: 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Es könnte ungemütlich werden in den kommenden Wochen. Eltern stehen womöglich vor verschlossenen Kitas, wer seinen Wagen im Landratsamt zulassen will oder bei der Stadt Freising auf die Genehmigung eines Bauantrags wartet, muss womöglich noch ein bisschen länger warten. Mit Einschränkungen bei der Postzustellung ist zu rechnen und auch am Münchner Flughafen dürfte nicht alles glatt laufen. Die Streikbereitschaft bei den Verdi-Beschäftigten ist hoch, um ihre Forderungen durchzusetzen: eine Lohnerhöhung von 10,5 Prozent, mindestes 500 Euro mehr, um auch die unteren Lohngruppen aufwerten zu können. 200 Euro mehr für Auszubildende und die Garantie für deren unbefristete Übernahme.

Monika Ludwig, Vorsitzende des Ortsvereins Verdi-Flughafenregion, Betriebs- und Personalräte der Sicherheitsgesellschaft am Münchner Flughafen (SGM), der Flughafen München GmbH (FMG), des Freisinger Landratsamts, der Stadt Freising, der Post und auch die Betriebsseelsorgerin und Sozialethikerin aus der Flughafenregion, Irmgard Fischer, haben am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Freising ganz deutlich gemacht, dass es ihnen diesmal sehr ernst ist. Bitterernst.

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"Um die Notwendigkeit, die Gehälter zu erhöhen, gibt es wohl kaum Diskussionsbedarf", sagte Ludwig. Extrem gestiegene Kosten bei der Lebenshaltung, den Mieten, den Strom- und Gaspreisen, das alles bei einer Inflationsrate von grob zehn Prozent, machten es nötig, den Mensch mehr Geld zuzugestehen, damit diese auch überleben könnten.

Mit der Inflation verschärft sich das Problem gravierend

Aus der "Armutsecke" am Flughafen, dem Abfertiger "Aeroground", berichtete der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ralf Krüger. Die Inflation fresse die vergangenen Tariferhöhungen auf. In der schon zuvor hochpreisigen Flughafenregion sei es schon lange problematisch, sich das Wohnen zu leisten. Mit der Inflation als Folge diverse Krisen verschärfe sich das Problem gravierend. Die multiplen Kostenexplosionen machten ein Leben in der Region für Niedriglohnbezieher praktisch unmöglich. Viele könnten nur mit Mühe überleben, sagte Krüger. Das Lohnniveau im Luftverkehr sei, besonders bei den Einstiegsstufen, absurd niedrig. Wer als Abfertiger anfange, dem biete Aeroground gerade mal 2400Euro Brutto in Vollzeit. In der Steuerklasse 3 blieben da gerade mal 180o Euro netto. Und das bei den hohen Mieten in der Region.

Nicht wesentlich besser ist wohl die Lage bei der SGM, einer 100-prozentigen Tochter des Freistaats. In den vergangenen beiden Pandemie-Jahren hätte mehr als 200 Kolleginnen und Kollegen aufgrund ihres Renteneintritts und aus anderen Gründen die SGM verlassen. Der Personalmangel sei eklatant und die Arbeitsbelastung enorm, berichtete Josef Winderl, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Um den Betrieb aufrecht erhalten zu können, brauche man dringend Verstärkung. Um aber auf dem schwierigen Arbeitsmarkt geeignetes Personal zu bekommen, müsste die SGM mehr als im Öffentlichen Dienst üblich bezahlen. Deshalb sei es wichtig, in der laufenden Tarifrunde eine angemessene und dringend notwendige Lohnerhöhung zu bekommen.

Überlastung und großer Frust auch im Freisinger Rathaus

Der Druck ist offenbar groß. "Um unsere Forderungen durchzusetzen, sind wir bereit, den Flughafen lahmzulegen - wenn es sein muss, nicht nur einmal", versicherte Winderl. Und Ralf Krüger fügte hinzu. "Wer in diesem Jahr in den Urlaub fliegen möchte, womöglich sogar mit Gepäck, der sollte unsere Tarifforderung unterstützen. Von Überlastung und großem Frust bei den Beschäftigten im Freisinger Rathaus berichtete die dortige Personalratsvorsitzende Monika Zauner. Die Streikbereitschaft sei hoch, da viele Kollegen und Kolleginnen teilweise ihre Miete und ihre Nebenkosten nicht mehr bezahlen könnten. "Ich kenne Mitarbeiter, die einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt haben", sagte Zauner. Heutzutage sollte man doch von seinem Arbeitslohn leben können. Darum müsse ein Tarifabschluss erreicht werden, der nicht nur die Inflationsrate auffange, sondern auch darüber hinaus gehe.

Ein großes Problem bei der Stadt Freising sei die Personalfluktuation. "Die Bewerber kommen mittlerweile von weit her und wenn denen irgendwas nicht passt und sie woanders mehr verdienen können, dann sind sie wieder weg", beschrieb Zauner die Lage. Das koste den Steuerzahler auch viel Geld. Oft müsse eine Stelle zwei, drei Mal ausgeschrieben werden, immer mit Kosten von bis zu 200o Euro. Der Personalmangel gehe zu Lasten der Stamm-Mitarbeiter. "Aus der Bauverwaltung im Freisinger Rathaus beispielsweise liegen Überlastungsanzeigen vor. Schon aus eigenem Schutz, damit sie nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie Fristen nicht einhalten konnten", so Monika Zauner.

Im gesamten Bildungsbereich droht schlicht ein Kollaps

Und die Lage im Erziehungsbereich? Traurig. Auch da tritt die Stadt als Arbeitgeberin auf, mit allein 15 eigenen Kindertagesstätten. Tine Melcarne, Erzieherin im Haus des Kindes, schildert die Lage drastisch. Die Personalgewinnung stelle sich weiterhin schwierig dar. Das Personal, das tagtäglich den Betrieb in den Kitas aufrechterhalte, sei sauer, unzufrieden, frustriert und seit Corona auch noch ausgelaugt. Dem gesamten Bildungsbereich von der Krippe bis zum Schulabschluss drohe eine Kollaps. Was da helfen könnte? Mehr Geld, damit sich mehr Männer und Frauen für diesen Beruf interessieren. Eine ausgebildete Kinderpflegerin kommt bei Steuerklasse 1 auf 1750 Euro netto. Eine eigene Wohnung zu finden ist da schwer, viele leben noch bei den Eltern. "Ich kenne viele, die arbeiten am Wochenende noch an der Tanke, nach einer anstrengenden Arbeitswoche", sagte bei dem Treffen eine Erzieherin. Und dabei würden doch alle sagen: "Kinder sind unsere Zukunft". Das klang sehr verbittert.

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