Wirtschaft:Die Regierung muss die Industrie weiterhin stützen

Wirtschaft: Trotz aller Krisen haben die Menschen im vergangenen Jahr ihren Konsum kaum eingeschränkt - und damit die Wirtschaft gestützt.

Trotz aller Krisen haben die Menschen im vergangenen Jahr ihren Konsum kaum eingeschränkt - und damit die Wirtschaft gestützt.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Entgegen allen Horrorprognosen ist die deutsche Wirtschaft 2022 gewachsen, trotz Krieg und Inflation. Die Hilfen der Politik haben das möglich gemacht. Doch jetzt warten neue Bedrohungen.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Wer an das Jahr 2022 denkt, reibt sich die Augen. Russland überfiel die Ukraine, die Preise kletterten auf ein Rekordhoch - und die deutsche Wirtschaft wuchs trotzdem stärker als in fünf der vergangenen zehn Jahre? Ja, tatsächlich, entgegen allen Horrorprognosen. Das Plus in einem schlimmen Jahr sichert den Bürgern Einkommen. Es hat viel damit zu tun, dass Regierung, Firmen und Verbraucher insgesamt vernünftig handelten, statt sich irre machen zu lassen von den irren Geschehnissen. Nun sollten sie dieses Jahr einige Herausforderungen angehen, um den Wohlstand in Deutschland zu erhalten.

Die Verbraucher handelten vernünftig, als sie sich nicht von den Horrorprognosen verunsichern ließen, die Wirtschaft werde dramatisch einbrechen. Sie haben trotz der hohen Preise mehr konsumiert als in den Jahren zuvor, was die Konjunktur enorm stützte. Die Bürger haben auch deshalb nicht angstgespart, weil sie darauf vertrauten, trotz der Unsicherheiten ihren Job zu behalten. Als es 2020 wirklich zu einer großen (Corona-)Krise kam, sicherte die Regierung die Jobs durch Kurzarbeitshilfen. Das schafft Vertrauen.

Auch die Firmen haben sich in einem schweren Jahr gut geschlagen. Sie navigierten durch die Unsicherheiten. Sie sparten Gas oder ersetzten es. Und sie stimmten in großen Branchen wie Chemie oder Metall Lohnerhöhungen zu, die die Arbeitnehmer wegen der Inflation dringend benötigen.

Die neue Bundesregierung hat trotz mancher Schwächen einiges richtig gemacht. Sie ist bei den Sanktionen gegen den Aggressor Russland geblieben, trotz der törichten Warnungen von ganz links und ganz rechts, Deutschland dürfe den großen Energielieferanten nicht verärgern. Und sie hat die Bürger bei den hohen Energiekosten entlastet. Zuerst zu zögerlich, mit der Strom- und Gaspreisbremse jetzt aber stark.

Die Industrie sollte dem Standort Deutschland weiter vertrauen

Das sollte die Bürger ermutigen, dieses Jahr trotz der zunächst weiter hohen Preise weiter zu konsumieren. Helfen könnte dabei die Einsicht, dass vor allem der russische Überfall nebst Gaslieferstopp die Rekordinflation verursachte - sie also kein Dauerphänomen werden muss, wie Dauerwarner behaupten. Die Europäische Zentralbank demonstriert nach anfänglichem Zögern, dass sie die Preissteigerungen bremst. Das sollte Bürger und Firmen davon abhalten, ständig höhere Löhne und Preise zu fordern, was die Inflation wirklich zementieren würde.

Bei der Industrie ist darauf zu hoffen, dass sie dem Standort Deutschland vertraut. Das deutsche Exportmodell ist nicht tot, auch wenn sich Russland völlig und China zunehmend von einer partnerschaftlichen Globalisierung verabschieden. Industrie hat in Deutschland Zukunft, auch wenn dies angesichts der teuren Energie gerade illusorisch erscheint.

Es ist klar, dass die Regierung die Firmen mehr unterstützen muss. Deutschland sollte mit einer starken EU neue Allianzen in Asien, Afrika und Amerika schmieden, um einer Deglobalisierung entgegenzuwirken. Dafür wären das Mercosur-Abkommen mit Südamerika und ein Handelsvertrag mit den USA wichtig. Grüne und Linke, die selbst gegen Freihandel mit liberalen Demokratien wie Kanada wettern, verkennen die Basis unseres exportgetriebenen Wohlstands.

Bei der Energie muss die Regierung Klagen mancher Firmen ernst nehmen, die Gas- und Strombremse nutze ihnen nicht. Das Problem geht darüber hinaus. Wenn Energie in den USA und Asien dauerhaft deutlich billiger bleibt, werden Firmen abwandern. Da hilft nur, rasant erneuerbare Energien auszubauen und Wasserstoff zur Massenanwendung zu machen. In der Übergangsphase sind Hilfen an Firmen sinnvoll, um die Kostennachteile gegenüber anderen Regionen zu reduzieren. Das kostet alles Geld, hilft aber Klima und Jobs. In einer Zeit, in der China oder die USA industriepolitisch agieren, müsste sich Deutschland ohne Industriepolitik von seiner Industrie verabschieden.

Zur SZ-Startseite

Konjunktur
:Wirtschaft wächst stark trotz Krieg und Inflation

Die Deutschen haben ihre Konten leergeräumt, um trotz Rekordteuerung zu konsumieren. Das pushte die Wirtschaftsleistung 2022 um fast zwei Prozent. Aber wie geht es jetzt weiter?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: