Bundesgesetze und ihre Wirkung:Globaler denken

Lesezeit: 3 min

Beim Flughafen mit seinen rund 10 000 Beschäftigten prüfen gerade Experten, was sich aus dem Lieferkettengesetz ergibt. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Lieferkettengesetz soll schlechte Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung verhindern. Regional scheint es zunächst wenig Auswirkung zu haben. Genau das kritisieren in Freising jene, die sich schon länger für faires und nachhaltiges Wirtschaften einsetzen.

Von Thilo Schröder, Freising

Gesetze mit globalem Fokus wie das Lieferkettengesetz, das der Bundestag auf den letzten Metern der laufenden Legislaturperiode beschlossen hat, scheinen regional zunächst wenig Auswirkung zu haben. Fragt man etwa in Freisinger Familienbetrieben danach, haben manche sich noch gar nicht damit beschäftigt. Müssen sie theoretisch auch nicht. Denn das Gesetz, das schlechten Arbeitsbedingungen und zum Teil auch Umweltzerstörungen in weltweiten Lieferketten entgegenwirken soll, betrifft zunächst nur große Unternehmen ab 3000, später auch solche ab 1000 Beschäftigten. Genau das kritisieren in Freising jene, die sich schon länger für faires und nachhaltiges Wirtschaften einsetzen. Betroffene Konzerne machen sich derweil daran, den neuen Vorgaben nachzukommen.

Der Flughafen ist in der "Konzeptionsphase"

Bis 2023 - denn dann tritt das Lieferkettengesetz in Kraft - muss etwa der Flughafen München mit seinen rund 10 000 Beschäftigten die Anforderungen des Gesetzgebers umsetzen. "Wir sind in der Konzeptionsphase mit den zuständigen Experten, was sich als Konsequenz aus diesem Gesetz ergibt", sagt Pressesprecher Ingo Anspach. Der Bereich Einkauf sei "ganz wichtig", wenn es darum gehe, die Einhaltung von Menschenrechten bei Lieferanten zu prüfen. Auch weil es "immer wieder Spezialbedarfe" gebe, agiere der Konzern zumindest teilweise international. Auskünfte darüber, was sich konkret ändert, könne man aber noch nicht geben, so Anspach.

MeinungLieferketten
:Dieses Gesetz war überfällig

Die Wirtschaft hat großen Druck ausgeübt. Deswegen ist aus dem Lieferkettengesetz ein Kompromiss geworden - aber kein zahnloser.

Kommentar von Caspar Dohmen

Wenig Bedarf für Anpassungen infolge des Lieferkettengesetzes sieht man beim Hamburger Industriekonzern Jungheinrich mit seinen über 18 000 Beschäftigten, der auch an zwei Standorten in Moosburg mit Gabelstaplern und anderen Logistik-Systemen handelt. "Das Gesetz führt in erster Linie zu Änderungen für unsere Dokumentationspflichten", sagt Sprecher Benedikt Nufer. "Inhaltliche Forderungen haben wir bereits seit geraumer Zeit unsererseits in diversen Maßnahmen umgesetzt, um unserer Sorgfaltspflicht selbständig nachzukommen - auch ohne Gesetz."

Gemeint sind etwa Menschenrechts-, Verhaltens- und Lieferantenkodexe oder interne Umweltrichtlinien, aber auch die Teilnahme an einem Nachhaltigkeitsranking. Als Familienunternehmen sei es für Jungheinrich selbstverständlich, so Nufer, "soziale und ökologische Aspekte mit profitablem Wachstum zu vereinen". Man sehe diesen Anspruch "im Einklang mit den Anforderungen des Lieferkettengesetzes".

Für die Kritiker müsste das Gesetz deutlich mehr leisten

Nicht glücklich mit dem verabschiedeten Lieferkettengesetz ist dagegen Jürgen Maguhn. Ginge es nach ihm und den Mitstreitern im Bildungsteam des Freisinger Weltladens und in der Agenda-21-Gruppe Faires Forum, müsste das Gesetz deutlich mehr leisten. "Wir sind sehr zufrieden, dass es das Gesetz überhaupt gibt, das wurde ja von der Wirtschaft torpediert", sagt er. "Es sind aber viele Dinge durch die Lobbyarbeit der Wirtschaft verwässert worden." Die habe selbst freiwillige Verpflichtungen zu einer besseren Sorgfaltspflicht entlang der Lieferketten nicht gewollt.

Konkret kritisiert Maguhn die fehlende zivilrechtliche Haftung im Gesetz. "Kein Produzent kann sich direkt wehren bei Verstößen hier in Deutschland." Einzig Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften könnten Betroffene vor deutschen Gerichten vertreten. Zudem würden vom Gesetz "nur direkte Zulieferer erfasst, die Lieferketten sind aber in der Regel sehr lang". Als "lückenhaft" kritisiert Maguhn, dass umweltbezogene Sorgfaltspflichten im Lieferkettengesetz "nur auf ganz bestimmte Gesetze beschränkt" seien. Auch dass nur große Unternehmen überwacht werden, bemängelt er. "Da fallen viele raus."

Für kleinere Betriebe "noch kein großes Thema"

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen zeichnen die Wirtschaft im Landkreis jedoch aus. Ein Beispiel dafür ist der Freisinger Familienbetrieb Gaissmaier GartenLandschaft, eine Firma im Garten- und Landschaftsbau mit rund 100 Beschäftigten. "Für uns ist das noch kein großes Thema", sagt Laura Gaissmaier, auf das Lieferkettengesetz angesprochen. Sie leitet die Bereiche Finanz- und Lohnbuchhaltung und Controlling, ist außerdem stellvertretende Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Erding-Freising. Teilweise kämen Baustoffe zwar aus dem Ausland, mit entsprechenden Lieferanten gebe es jedoch eine "langjährige Zusammenarbeit, dementsprechend keine Bedenken". Gaissmaier betont: "Auch ohne dieses Gesetz achten wir darauf, dass alles unter ordentlichen Bedingungen hergestellt wird."

Auch beim Freisinger Brautechnologie-Hersteller Steinecker mit seinen rund 400 Beschäftigten verweist Geschäftsführer Dirk Hämling auf die "klaren Compliance Richtlinien, die wir auch von unseren Lieferanten einfordern". Das Lieferkettengesetz, von dem man nicht direkt betroffen sei, tue "diesem Vorgehen keinen Abbruch". Wie er generell das Vorhaben bewerte, Lieferketten in Firmen zu überwachen, dazu äußert sich Hämling nicht.

Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit

Generell gibt es bei diesem Thema seitens der Wirtschaft durchaus Bedenken. Einer Studie im Auftrag der Hypovereinsbank zufolge geht ein Viertel der befragten Unternehmensvertreter davon aus, durch das Lieferkettengesetz weniger wettbewerbsfähig zu sein; wobei auch 17 Prozent eine verbesserte Wettbewerbssituation erwarten. 70 Prozent befürchten demnach, dass die Überwachung der gesamten Lieferkette den Mittelstand - insbesondere kleine Unternehmen - überfordern könnte. Eine Mehrheit der Befragten entstammt laut Hypovereinsbank Betrieben mit weniger als 1000 Beschäftigten, also solchen, die vom Lieferkettengesetz in der aktuellen Form nicht betroffen sind.

Für Jürgen Maguhn ist indes klar, dass es einen "großen Nachbesserungsbedarf" beim Lieferkettengesetz gibt. Das habe man auch im Gespräch mit dem Freisinger Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer (CSU) deutlich gemacht. Der habe schließlich auch mit seiner Unionsfraktion dafür gestimmt - mit SPD und Grünen. "Wir setzen jetzt auf die europäische Initiative", sagt Maguhn.

"Wenn es so kommt, wie es das Europäische Parlament will, wäre das deutlich besser als unser Gesetz." Strengere Vorgaben aus Brüssel müssten wiederum in Berlin umgesetzt werden, dann von einem nach der Wahl am 26. September neu zusammengesetzten Bundestag.

© SZ vom 18.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lieferkettengesetz
:Mehr Respekt, bitte

Deutsche Firmen müssen künftig bei der Herstellung ihrer Produkte darauf achten, dass Menschenrechte und Umweltschutz eingehalten werden. Kritikern geht das nicht weit genug.

Von Martina Kind

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: