Archäologische Funde im Landkreis Freising:Detektivarbeit im Erdreich

Lesezeit: 4 min

Archäologenteams werden im Landkreis bei Ausgrabungsarbeiten, wie hier auf dem Plan in Moosburg, immer wieder fündig. (Foto: Marco Einfeldt/Archiv)

Die Region ist reich an frühgeschichtlichen oder mittelalterlichen Funden, auch 2021 haben Archäologen wieder Scherben, Gruben und Skelette ans Licht gebracht. Einige der Entdeckungen geben noch Rätsel auf wie die Fundamente eines Bunkers bei Wang.

Von Peter Becker, Freising

Ein Bunker beim alten Kraftwerk Uppenborn, ein Bohlenweg in Au - das sind Funde, welche die Kreisarchäologin Delia Hurka in ihrem Jahresbericht aufgelistet hat und die ihr noch einige Rätsel aufgeben. Wichtig für die Moosburger Stadtgeschichte sind die Gräber, die unter dem Plan zum Vorschein kamen. Dazu kommen Funde in Mauern, Gammelsdorf and m Neufahrner Pfarrweg. Gerne hätte Delia Hurka aktuelle Forschungsergebnisse zusammen mit dem Archäologischen Verein in Freising einem größeren Publikum in einer Vortragsreihe präsentiert, doch das verhinderte zu ihrem Leidwesen die Corona-Pandemie.

Bei ihrer Arbeit ist die Kreisarchäologin auf die Zusammenarbeit mit den Bauämtern im Landkreis Freising angewiesen. An allem, was mit Bauen zu tun hat, ist Delia Hurka beteiligt. Das ist nicht selbstverständlich, dies gilt nur für Landkreise, welche die entsprechende fachliche Stelle an der Unteren Denkmalschutzbehörde besetzt haben.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

"Bauen hat Vorrang"

Sollte sich bei der Besichtigung einer Baustelle ergeben, dass dort ein Bodendenkmal vorhanden ist, wird dieses bei den nachfolgenden Arbeiten zerstört. "Es gibt nur einige wenige Fälle, wo nicht gebaut werden darf", zerstreut Delia Hurka etwaige Bedenken von Bauherrn. "Bauen hat Vorrang", betont sie. Die Strukturen sollten im Boden bleiben, nicht alles müsse dem Erdreich entnommen werden. Wichtig sei die Dokumentation der Ausgrabung. Am Bauherrn liegt es dann, eine Firma zu beauftragen, die das Projekt begleitet.

Ein geschultes Auge sieht natürlich sofort, wo Menschen in vergangener Zeit im Erdreich ihre Spuren hinterlassen haben. Zum Beispiel Pfosten, die sich noch als dunkle Strukturen abzeichnen. "Die Befunde werden dokumentiert", sagt Delia Hurka. Es wird vermessen, in welcher Tiefe sich die Fundstelle befunden hat. Dann können die Bauarbeiten beginnen. Die Fundstelle verschwindet unter einem Keller oder einer Bodenplatte. Dabei gilt, dass eine Stadtkerngrabung wie in Moosburg viel mehr Schichten enthält wie etwa ein Grundstück auf dem offenen Land.

1 / 3
(Foto: Marco Einfeldt)

Vorsichtig legt Hans Gumberger die Funde in einer Grabgrube auf dem Plan in Moosburg frei...

2 / 3
(Foto: Marco Einfeldt)

...auch ein Totenkopf ist bei den Ausgrabungen auf dem Plan in Moosburg freigelegt worden...

3 / 3
(Foto: Marco Einfeldt)

...neue Einblicke: Hans Gumberger, Marcus Simm und Florian Bichlmeier suchen auf dem Plan nach frühen Zeugnissen aus der Moosburger Stadtgeschichte...

...am Neufahrner Pfarrweg haben Archäologen mehrere Skelette aus dem Frühmittelalter entdeckt.

Ob Groß oder Klein, jede Scherbe, jedes Gefäß müsse gesammelt werden, betont die Kreisarchäologin. Sie sind Zeugen aus frühgeschichtlicher Zeit, an Hand derer sich beispielsweise datieren lässt, wie alte eine Grube ist. Die Fundstücke wandern in das Depot des Landkreises. Dort lagern auch diejenigen des Archäologischen Vereins.

Der sei für den Landkreis "essenziell wichtig", betont Delia Hurka. Bevor Erwin Neumair mit seinen ehrenamtlichen Helfern mit Ausgrabungen begann, sei der Landkreis aus archäologischer Warte gesehen "ein weißes Blatt" gewesen, sagt Delia Hurka. Zuvor sei nicht bekannt gewesen, welche reichhaltigen und wichtigen Siedlungen sich hier befunden hätten. Diese seien nur durch die Arbeit des Vereins wieder ans Tageslicht gefördert worden.

Archäologischer Fund in Neufahrn
:Skelette im Pfarrgarten

Archäologen graben die Gebeine dreier Menschen aus dem Frühmittelalter aus. Es könnten Zeitgenossen des Isanperht sein, der 804 in der ersten urkundlichen Erwähnung vorkommt.

Von Birgit Grundner

Die Funde "wieder zurück zum Menschen bringen"

Die Funde gehören zunächst jeweils zur Hälfte dem Grundstückseigentümer sowie dem Finder. Nun ist es aber so, dass die Fundstücke aufzubewahren sind, damit sie untersucht und später der Öffentlichkeit vorgestellt werden können. Daran haben Eigentümer und Finder nur selten Interesse. Es fehlt ihnen etwa die Möglichkeit, Metalle so aufzubewahren, dass sie nicht korrodieren. Deshalb, erklärt Delia Hurka, würden die Funde dem Landkreis überschrieben. Der mache sie der Öffentlichkeit zugänglich. Es sei ja ein Anliegen, die Funde "wieder zurück zum Menschen zu bringen", sagt die Kreisarchäologin. Derzeit gelingt das wegen der Corona-Pandemie allerdings nicht.

Mauern ist schon seit Jahren ein lohnendes Ziel für Grabungen. Laut Jahresbericht der Kreisarchäologin gab es dort 2021 im Neubaugebiet Alpersdorf 66 Befunde, von denen 37 archäologisch relevant sind. Sie fügten sich gut in das Bild früherer Grabungen ein. Mit ihren Pfostengruben, Gruben und Grubenkomplexen sind sie Bestandteile einer Siedlung aus der Mittelsteinzeit. Gegraben wurde auch auf dem Areal des Bentonit-Tagebaus bei Kreuzholzen in der Gemeinde Gammelsdorf. Zum Vorschein kamen Gruben, Feuerstellen und Keramik. Bei letzterer handelt es sich wahrscheinlich um Bodenteile vorgeschichtlicher Gefäße. Die Scherben sind recht klein, was darauf schließen lässt, dass sie durch Pflügen oder andere im Ackerbau übliche Arbeiten zerstört wurden.

Brunnen, Gräber, Grubenhäuser und Skelette

Als recht ergiebig erwiesen sich Grabungen im Neufahrner Pfarrweg. Sie förderten fünf Brunnen, sieben Gräber und mindestens elf Grubenhäuser zu Tage. Bei letzteren handelt es sich um Gebäude, die ganz oder teilweise in den Boden hineingebaut wurden. Delia Hurka taxiert die Anlagen als frühmittelalterliche Häuser aus der Karolinger-Zeit, etwa um 800 nach Christus. Rätsel geben die Gräber auf. "Unklar ist, ob die Verstorbenen nacheinander oder gleichzeitig bestattet wurden", heißt es im Jahresbericht. Letzteres wäre ein Hinweis auf ein Unglück oder eine Krankheit. Aufschluss darüber sollen weitere Analysen geben. Diese könnten "Licht ins Dunkel" der frühen Neufahrner Ortsgeschichte geben.

Ähnlich spektakulär waren die vorbereitenden Arbeiten zur Umgestaltung des Moosburger Plans. An der südlichen Kirchmauer, an den Häusern und der Stadtbücherei bargen die Archäologen viele Grabgruben und Skelette, die wohl zum spätmittelalterlichen Ortskern gehören. Die Grabungen in Moosburg bezeichnet Delia Hurka als "sehr wichtig für die Stadtgeschichte". Ergiebige Funde gab es auch an der Herrnstraße.

Der Zweck eines Bunkers und sein Erbauungsdatum sind noch offen

Ein Holzbohlenweg, der auf eine alte Handelsstraße hinweist, kam bei der Neugestaltung des Auer Ortskerns zum Vorschein. Dass da im Untergrund etwas verborgen liegt, ist bereits seit den Dreißigerjahren bekannt. Seinerzeit ist laut Freisinger Tagblatt dort eine Wasserleitung verlegt worden, wobei Holzbohlen zum Vorschein kamen. "Diese sind noch nicht datiert", sagt Delia Hurka. Sie wartet auf die Ergebnisse aus dem Münchner Dendrolabor. Dendrochronologie ist eine Datierungsmethode in der Archäologie. Sie ermöglicht eine aufs Jahr genaue Altersbestimmung der Fälljahre von historischen Hölzern.

Rätsel gibt ein Bunker auf, dessen Fundamente bei Grabungsarbeiten für eine neue Photovoltaikanlage beim Wasserkraftwerk Uppenborn 1 entdeckt wurden. Zu welchem Zweck und wann der Bunker entstand, steht noch nicht fest. Delia Hurka hat den Wanger Heimatforscher Josef Schlecht hinzugezogen.

Die Kreisarchäologin möchte die Ergebnisse ihrer Arbeit gerne in den jeweiligen Gemeinden vorstellen, wie etwa in Zolling. Dort wurden in einem Gewerbegebiet, dessen Eigentümerin die Gemeinde ist, ebenfalls Ausgrabungen gemacht. Die Funde seien zwar nichts Herausragendes, urteilt Delia Hurka. Trotzdem hat sie angeboten, dazu in der Gemeinde einen Vortrag zu halten.

© SZ vom 20.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusArchäologie
:Der Mythos von den Wikingern und ihren Helmen

Archäologen haben herausgefunden, dass Kopfbedeckungen mit Hörnern nicht aus der Zeit der Wikinger stammen und auch nie für den Kampf gedacht waren. Die wesentliche Erkenntnis der Studie ist allerdings noch viel weitreichender.

Von Hubert Filser

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: