Flüchtlinge in Fürstenfeldbruck:Sechs Klassenräume gegen die Not

Lesezeit: 2 min

Eine Grundschule wird in Fürstenfeldbruck zum Quartier für Asylbewerber: In gerade einmal vier Stunden schaffen Helfer Betten, Sanitäranlagen und eine Küche herbei - dann stehen auch schon die neuen Bewohner vor der Tür.

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Kleinstadt hat eben doch Vorteile gegenüber der Metropole - besonders wenn es um schnelle und umfassende Hilfe für Menschen in Not geht. So wie am Mittwochabend: Innerhalb von nur vier Stunden gelang es in Fürstenfeldbruck, aus einer ehemaligen Grundschule eine ordentliche Unterkunft für Asylbewerber zu machen und gleich auch noch deren Verpflegung, Registrierung und ärztliche Untersuchung professionell zu organisieren.

Federführend dabei war der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (CSU). Fragt man ihn, warum in seiner Kreisstadt alles so viel unkomplizierter geht als im nahen München, hat er eine einfache Antwort: In München sei das Kompetenzgerangel groß und die Wege seien einfach viel komplizierter.

Recht viel unkomplizierter hätte es in Fürstenfeldbruck auch wirklich nicht mehr laufen können. Am Mittwochmittag hatte Karmasin zugesagt, 100 Flüchtlinge aus der Bayernkaserne in der früheren Grundschule am Niederbronner Weg in Fürstenfeldbruck unterzubringen.

Duschkabinen im Schulhof

Schon um 16 Uhr herrscht dort der Ausnahmezustand: Mitarbeiter des Landratsamtes, Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) und des Roten Kreuzes haben den sichtbaren Ehrgeiz, ein bezugsfertiges Notquartier herzurichten. "Die Gäste sollen sich wohlfühlen", ist die Devise. Entsprechend wird gewerkelt: Mitarbeiter des Ausländeramts machen aus einem Klassenzimmer ein Büro zur Erstregistrierung der Gäste, installieren sogar einen Kopierer.

Flüchtlinge in Bayernkaserne
:Polizei überprüft Misshandlungsvorwürfe

Sie sollen Flüchtlinge im Schlaf getreten haben - das werfen einige Flüchtlinge Wachleuten der Bayernkaserne vor. Die Polizei prüft nun die Vorwürfe.

In einem anderen Raum wird mit Biertischen eine Essensausgabe improvisiert. Tee ist gekocht, auch kalte Getränke stehen bereit, und es gibt reichlich Semmeln mit Geflügelwurst. Aus sechs Klassenzimmern werden Schlafräume mit jeweils 16 Feldbetten, aus anderen Aufenthaltsräume mit Sofas für Erwachsene, Biertischgarnituren und Schulbänken für Kinder. Die Zusammenstellung der Möbel ist nicht ideal, aber trotzdem einladend. Die Feuerwehr stellt Duschkabinen im Schulhof auf. Die Schlafgelegenheiten stammen aus Beständen für den Katastrophenschutz, die das Landratsamt erst kürzlich aufkaufte. Das THW muss sie nur aus Lagern im Fliegerhorst und in Eichenau abholen - ein Glücksfall.

Es geht ein bisschen zu, wie bei einem großen Familientreffen: Fast jeder Helfer kennt jeden von Einsätzen bei Unfällen, Hochwasser oder Bränden. Wilhelm Huber etwa, Katastrophenschutzleiter des BRK, arbeitet als Pflegedirektor in der Kreisklinik und fährt immer noch regelmäßig im Rettungsdienst mit. Er weiß, wie man organisiert, Helfer einteilt und welche seiner Rotkreuzhelferinnen arabisch spricht.

Auch die Rettungsleitstelle ist eingebunden, weshalb neben Sanitätern auch Ärzte bereitstehen. Am Handy wird geklärt, dass am Krankenhaus jeder Flüchtling am nächsten Tag eingehend untersucht und geröntgt wird - der Landrat ist auch der oberste Chef des Krankenhauses. Um 20 Uhr beziehen die ersten 50 Flüchtlinge das Notquartier. In dessen Gänge hängen noch Plakate mit Schülersprüchen. Einer lautet: "Nie aufgeben."

© SZ vom 17.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: