Haus der Bayerischen Geschichte:Wir bauen für Sie

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Ein Bauer arbeitet auf seinem Kartoffelacker in Attaching, während auf der Nordbahn des Flughafens München ein Flugzeug landet. (Foto: Marco Einfeldt)

Die neue Sonderausstellung "Ois anders" im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg thematisiert Großprojekte in Bayern seit 1945. Der Bau des Flughafens im Erdinger Moos und der A 94 durchs Isental gehören dazu - inklusive Widerstand und Protest.

Von Florian Tempel, Erding/Freising

Die Eröffnung der Isentalautobahn ist noch keine fünf Jahre her - und schon ist sie im Museum. Der 33 Kilometer lange und mehr als 30 Jahre umstrittene Abschnitt der A 94 von Forstinning bis Heldenstein ist eines von zehn Großvorhaben, die in der neuen Sonderausstellung "Ois anders - Großprojekte in Bayern 1945 - 2020" im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg beleuchtet werden. Auch der Großflughafen im Erdinger Moos darf in der Ausstellung nicht fehlen. Die Planung des Flughafens reicht noch weiter zurück und er ist als Großprojekt noch keineswegs abgeschlossen. Die dritte Start- und Landebahn ist nur auf Eis, aber nicht zu den Akten gelegt worden. Die Ausstellung ist ein Museumsprojekt, das zurückblickt, gegenwärtig ist und Zukunft thematisiert.

Der wesentliche Punkt der Ausstellung liegt nicht auf der Dokumentation der Projekte - wie groß, wie hoch, wie teuer sie sind -, sondern, wie sie über einen langen Zeitraum kontrovers diskutiert wurden. Die kritische Begleitung der Projekte durch Gegner und Befürworter, die Medien und Kulturschaffende macht eines klar: Großprojekte haben funktionale, landschafts- und umweltverändernde Seiten und wirken sich im persönlichen Lebensbereich individuell ganz unterschiedlich aus - vor allem aber haben sie eine enorme gesellschaftliche Dimension.

Insgesamt gibt es zehn Großprojekte in der Ausstellung, die mit Baustellenflair inszeniert ist. Bei der Realisierung greifen die Ausstellungsmacher auf Bekanntes und Bewährtes zurück. Der Rundgang durch die zehn Stationen ist mit Stellwänden klar gegliedert. Es gibt jeweils eine kleine, aber prägnant ausgewählte Anzahl von originalen Exponaten, reproduzierten Fotos, Plakaten und Dokumenten, alten Fernsehbeiträgen, die auf Monitoren eingespielt werden - und dazu jeweils kurz gehaltene schriftliche Erklärungen. Formal ist das unspektakulär, inhaltlich jedoch sehr anregend.

Das Plakatmotiv des Antiflughafenfests in Franzheim 1979, entworfen von Hans "Limo" Lechner. (Foto: privat)

Wirklich museal ist nur die erste Station, der Aufbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als aus militärischen Arealen ganze Städte wie Traunreut wurden. Die zweite Station widmet sich der "Mutter aller Großprojekte", dem Bau des Main-Donau-Kanals. "Ein Triumph der Technik", der aber im Rückblick unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt sinnvoll erscheint. Der Kanal erfüllt die wirtschaftlichen und verkehrlichen Aspekte, mit denen er gerechtfertigt wurde, überhaupt nicht. Ein absolut verzichtbares Milliardengrab.

Das Kapitel zur Kernkraft, festgemacht am mittlerweile stillgelegten AKW Gundremmingen, macht deutlich, dass am Ende nichts aus ist: Es bleiben ein riesiges Betonbauwerk und gefährlicher strahlender Abfall, von dem keiner weiß, wohin damit - und die Erinnerung an Jahrzehnte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über die Nutzung der Atomkraft.

Weitgehend positiv erscheint, wenn man die Ausstellung ganz durchgegangen ist, letztlich nur ein einziges Projekt: der Nationalpark Bayerischer Wald, "den denkbar größten Segen für das Land nördlich der Donau", wie Richard Loibl schreibt. Gleichwohl gab es auch hier einst immensen Widerstand und große Ablehnung in der Bevölkerung. Weitere Stationen sind der Ausbau des Lechs zum Wasserkraftfluss, das Bauen in den Bergen, die fränkische Seenplatte.

Die Isentalautobahn A 94 bei Außerbittlbach in der Gemeinde Lengdorf. (Foto: Renate Schmidt)

Beim Flughafen München und der Isentalautobahn wird der Widerstand der Anwohner am stärksten herausgearbeitet. Er war jeweils breit aufgestellt, mobilisierte große Gruppen, war vielfach kreativ und forderte enormen Einsatz. Ein scheinbar unscheinbares Schwarz-Weiß-Foto zum Flughafen-Widerstand zeigt Käthe Winkelmann bei einer Kundgebung auf dem Münchner Köngisplatz. Doch es ist auch deshalb ein so starkes Zeitdokument, weil die Neufahrner Bürgermeisterin die erste Frau an der Spitze einer bayerischen Kommune überhaupt war.

Wie ungleich das Kräfteverhältnis des bürgerlichen Widerstands und des ausführenden Staats bei Großprojekten ist, versinnbildlicht bei der Isentalautobahn eine nachgebaute Regalwand, die hunderte Aktenordner aufnimmt, so viele wie es in den langwierigen Gerichtsverfahren waren. Die A-94-Gegner finanzierten ihre Prozesskosten mit der unvergessenen "freiwilligen Zwangsspende", der Staat zahlte vor Gericht nicht einen Cent.

Das Plakat der A-94-Gegner mit dem ikonischen Bild des Risses durch das Lindumer Kircherl, entworfen von Andreas Hartl. (Foto: Rita Rott/OH)

Im Vorwort des Ausstellungsmagazins schreibt Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, "das Land ist in den 40 Jahren, in denen ich es kenne, anders geworden, ganz anders". Die Bauprojekte haben Bayern "ungemein verändert, schneller als je zuvor und wahrscheinlich unumkehrbar". Das ist, bei allem Sinnieren über die politischen, wirtschaftlichen und bürgerschaftlichen Implikationen von Großprojekten, eine endgültige Erkenntnis: Es gibt kein Zurück, die Isentalautobahn und Flughafen im Moos sind gekommen, um zu bleiben. Da wächst kein Gras drüber.

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