Zur Windkraft-Debatte in Ebersberg:"Man kann damit leben"

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Die Firma TopSeven, hat den Berger Windpark mit einer Drohne fotografiert - und von Anlagen in der Oberpfalz berichtet, in denen Greifvögel brüten. (Foto: oh / TOP seven GmbH & Co. KG, Starnberg)

In Schäftlarn und Neufahrn war die Aufregung viele Jahre groß. Bis heute gibt es Zweifel am Nutzen der Windenergie. Ein Besuch im Ort Berg, wo 2015 vier Anlagen errichtet wurden.

Von Alexandra Leuthner, Berg

Altbürgermeister Rupert Monn wartet im Auto. Zu Fuß wäre es eine lange Wanderung vom Berger Ortsteil Mörlbach zu den vier Windrädern, die zwischen der Garmischer Autobahn, dem Starnberger See und dem Schäftlarner Ortsteil Neufahrn liegen. Bei schönem Wetter sieht man sie selbst vom Münchner Osten aus vor der Alpenkette stehen - zumindest, wenn man in einem Hochhaus sitzt. Aufgereiht wie an einer Perlenschnur sind sie in die Wadlhauser Gräben gebaut, ein mehr als 1000 Hektar großes Waldgebiet im Besitz der Bayerischen Staatsforsten, jedes einzelne auf einem eigenen Hügel.

Die erhöhte Position steigert die Windausbeute, macht sie aber auch sichtbarer. Vor allem für die Nachbarn im Norden, die in Neufahrn und Schäftlarn wohnen, von denen viele erbitterte Gegner der Berger Planungen waren. Zunächst sei es um einen Wertverlust der Immobilien gegangen, dann um den Vogelschutz, erzählt Bergs ehemaliger Rathauschef Monn, dessen Leben um einiges ruhiger geworden ist, seit die Windraddebatte hier ein Ende gefunden hat. Blockaden, Plakate, auf denen er und Robert Sing, verantwortlicher Ingenieur der Bürgerwindkraft Berg, mit kurzen "Lügenbeinen" dargestellt wurden, Anfeindungen, ja sogar Morddrohungen habe es damals gegeben erzählt er. Der Bau schließlich sei von Anfang bis Ende von Security überwacht worden.

Von Mörlbach aus, südlich der Windräder, geht es über die Forststraße in den Wald, jede Menge frische Pferdeäpfel liegen hier auf den bequemen Waldwegen. Dann geht es um eine Ecke, und plötzlich ist er da, wie aus dem Nichts, der grün angestrichene Betonfuß von Windrad Nummer drei, drum herum eine freie Fläche, umstanden von wiederaufgeforsteten Lärchen in hellem Frühlingsgrün.

149 Meter bis zur Nabe ragt der Turm in die Höhe, darüber drehen sich die Rotorblätter an diesem trüben Donnerstagvormittag in gemütlichem Andante. "Soviel ich weiß, werden sie heute höher gebaut", erklärt Monn, um Windverwirbelungen auszugleichen, die gerade über Waldgebieten entstehen. So wie es im Landkreis Ebersberg geplant ist, wo die Bürger am 16. Mai über fünf Windräder im Forst entscheiden sollen, deren Rotorblätter an der höchsten Stelle auf 240 Meter reichen sollen, 204 sind es in Berg.

Rupert Monn ist schon oft hier unten gestanden, bis er und sein Gemeinderat, der fast einstimmig für den Bau gestimmt hatte, schließlich nach oben fahren konnte, immer in Zweiergruppen per Gondel hinauf bis zur Nabe. Es ist dem Altbürgermeister, der 2020 nicht mehr angetreten ist und nur noch als parteiloses Mitglied für die CSU im Starnberger Kreistag sitzt, anzumerken, wie nahe ihm die Auseinandersetzungen gegangen sind, von den ersten Planungen 2009 bis die Windräder 2015 ans Netz gingen und seither pro Jahr zwischen 20 und 25 Millionen Kilowattstunden Strom einspeisen. Nachzulesen ist das auf der Berger Homepage, wo sich die tagesaktuelle Eigenversorgung der Gemeinde mit regenerativer Energie viertelstundenaktuell verfolgen lässt.

Es liegt nahe, Monn zu fragen, warum es ihm so wichtig war, die Windräder durchzusetzen, und natürlich kommt er auf Tschernobyl zu sprechen. "Mein jüngster Sohn war eineinhalb damals", erzählt er, damals, als die Nachricht vom Gau in dem ukrainischen Atomkraft gekommen sei. "Und der Sandkasten in dem er gespielt hat, lag auf der Südseite unseres Hauses, genau da, wo die Kontamination herkommen sollte."

Es beunruhige ihn schon, fügt er an, wenn jetzt im Zuge der Diskussion um den Energiewandel wieder darauf verwiesen werde, dass Atomkraftwerke CO₂-neutral seien. Just wenige Tage, nachdem das Münchner Verwaltungsgericht 2015 alle Klagen aus der Nachbargemeinde Schäftlarn abgewiesen hatte, habe der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer die 10-H-Regel eingeführt. Monn ist immer noch erleichtert, wenn er das erzählt. Maria Reitinger dagegen fand das Zeitmanagement weniger schön.

Das hübsche Haus der ehemaligen Schäftlarner Dritten Bürgermeisterin (Unabhängige Wählergruppe Gemeindewohl) liegt im Außenbereich von Neufahrn, etwa 1200 Meter vom nächstgelegenen Windrad entfernt, neben dem Hof, in dem sie aufgewachsen ist. Von ihrem Wintergarten hat sie den freien Blick auf alle vier Windräder, im Garten tummeln sich die Spatzen - und sie redet heute noch nicht mit Rupert Monn. "Wir können uns nicht mehr dran gewöhnen, unsere Kinder vielleicht schon", sagt sie, ohne einen Blick nach Süden zu werfen, wo auf geschwungenen Wiesen Kühe grasen, und bittet in den Wintergarten, der nach Zitronenblüten duftet.

Ihr Mann Josef ergänzt, "manchmal sieht man's, manchmal nicht, aber man hört es, dieses furchtbare Fauchen". Heute ist es vor allem die Energieausbeute und damit der Gewinn der 169 an den Anlagen beteiligten Kommanditisten - darunter mit einer Einlage von einer Million die Gemeinde Berg -, den die Reitingers in Frage stellen. Sie war eine der vehementesten Gegnerinnen des Projekts. "Berg soll die Ergebnisse offen legen", fordert sie heute. Wenn die Bilanz stimme, dann könne sie halbwegs mit den Windrädern leben, soviel ist herauszuhören.

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Gerade das aber glaubt das Ehepaar nicht, "da, jetzt stehen sie ja schon wieder", wirft Maria Reitinger ein, die nun doch einen kurzen Blick in die Ferne riskiert hat. "Von diesen Spielereien kriegen Sie nur Flatterstrom", ergänzt ihr Ehemann. Klar müsse man zu einem anderen Energiemix kommen, aber langsam und gut durchdacht", und mit Wind allein sei das nicht zu schaffen. "Die ganze Welt baut Atomkraftwerke", sagt er, "was hilft es, wenn wir im kleinen Deutschland sie von heute auf morgen abstellen?"

Rupert Monn, im Wald, hat eine Aufstellung der Ausschüttungen seit 2015 dabei. Danach liegt die Summe der Mehrerträge - also derer, die über dem avisierten Soll liegen - für die Kommanditisten bei etwa 685 000 Euro. Zwei Millionen Euro sind danach seit 2015 ausgeschüttet worden, mit 1,2 Millionen hatte man angesichts der erwarteten Windausbeute gerechnet. Zugrundegelegt habe man dafür die durchschnittliche Windprognose aus drei Gutachten minus 15 Prozent, das ist von Ingenieur Robert Sing zu erfahren. Wartungseinsätze, Windflauten, all das müsse man natürlich einrechnen, daher die konservative Rechnung. Aber auch gegenrechnen, dass die CO₂-Ersparnis durch ein einziges Windrad erst durch ein Hundertfaches an Waldfläche auszugleichen sei, betont er.

Neben Reitingers wohnt Matthias Ruhdorfer, bis 2020 Bürgermeister von Schäftlarn. Gemeinsam mit drei Landwirten hatte er im Namen der Gemeinde gegen die Pläne der Nachbarn geklagt. Pferdehofbetreiber Walter Neumayer etwa hatte befürchtet, die Pferdebesitzer würden ihm davonlaufen. Er kommt gerne an die Tür, um ein paar Worte zu sagen - die in der Quintessenz so lauten: "Braucht hätt ma' die Windradln ned", aber davongelaufen sei ihm auch keiner.

Auch wenn zwei Reiterinnen, seit 35 und 20 Jahren schon am Hof, erklären, dass sie jetzt lieber in die andere Richtung ausreiten, der Windräder wegen. Die vielen Radfahrer, die seien aber viel schlimmer, sagt eine von ihnen. Altbürgermeister Ruhdorfer erzählt, ihn habe vor allem geärgert, dass die Windräder den Neufahrnern direkt vor die Nase gesetzt werden sollten. Man hätte die vier Anlagen gleichmäßiger im Wald verteilen können, und er berichtet auch von Schattenschlag an ein paar Stunden im Dezember, wenn die Sonne sehr tief stehe.

Hören könne er die Windräder auch, "wenn es ruhig ist am Wochenende", allerdings weniger auf seiner Terrasse, sondern wenn er hinter dem Haus stehe. "Da bricht sich der Schall an der gegenüberliegenden Wand." Tagsüber allerdings falle das Geräusch wenig auf, da gehe es im Grundrauschen unter. Schließlich verläuft die A 95 nach Garmisch nicht weit entfernt vom Ortsteil im Osten, und die hört man nur dann nicht, wenn der Wind von Westen weht.

Insgesamt scheinen sich die erregten Gemüter also inzwischen beruhigt zu haben. In Schäftlarn, wo die Gartenzäune in der Hochphase des Kampfes mit Plakaten gepflastert waren, sei es kaum mehr ein Thema, das ergibt ein Anruf bei Barbara Turelli, alteingesessene Schäftlarnerin. "Klar, sie gewinnen keinen Schönheitspreis", sagt sie über die Windräder, "ich seh sie gerade, wenn ich aus dem Fenster schaue, und die, die so sehr dagegen waren, sind es auch bestimmt immer noch. Aber jeder will Strom haben, und irgendwo muss er ja her kommen."

So ähnlich sieht das auch Schäftlarns Altbürgermeister. "Man kann damit leben", konstatiert er. Die Windkraft könne nur ein Teil des notwendigen Energiemix sein, er sei aber "überzeugt, dass wir eine gewisse Menge an Windrädern brauchen". Man müsse aber auch die Skeptiker ernst nehmen. "Man muss das mit Abstand zur Bevölkerung machen. Windräder dürfen keine Beeinträchtigung werden, außer vielleicht einer optischen."

© SZ vom 08.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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