Schwabener Sonntagsbegegnungen:Waldsterben und anderes Versagen

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Die 111. Ausgabe der "Schwabener Sonntagsbegegnungen" nahm Veranstalter Bernhard Winter zum Anlass, das 30-jährige Jubiläum der Veranstaltungsreihe zu feiern. (Foto: Christian Endt)

Harten Tobak haben sich die Dialogpartner für die 30-jährige Jubiläumsausgabe von Bernhard Winters "Schwabener Sonntagsbegegnungen" am Sonntag vorgenommen. Kontrovers wird es, als das Publikum ein Reizthema zur Sprache bringt.

Von Franziska Langhammer, Markt Schwaben

Wie ein großes Klassentreffen beginnt diese besondere Sonntagsbegegnung: Schultern werden geklopft, Hände geschüttelt, Ehepartner vorgestellt. Plötzlich drehen sich die rund 140 Gäste, die sich auf den Stühlen im Unterbräusaal in Markt Schwaben niedergelassen haben, nach hinten um: Initiator Bernhard Winter hat sich diesmal an die geöffneten Fenster gestellt, um seine Grußworte zu sprechen. Das 30-jährige Jubiläum der Sonntagsbegegnungen leitet dann Trompeterin Annika Gripp feierlich mit einer Fanfare aus dem gegenüberliegenden Wasserturm ein.

Trompeterin Annika Gripp leitete mit einer Fanfare aus dem gegenüberliegenden Wasserturm ein. (Foto: Christian Endt)

Im Publikum haben sich unter anderem Christa Stewens eingefunden, die ehemalige bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger, oder auch die Psychotherapeutin und Buchautorin Bärbel Wardetzki. Viele der Anwesenden kennen sich bereits seit Jahren und Jahrzehnten, standen vielleicht auch schon mal gemeinsam an den beiden Pulten vor dem Publikum. Zwei Gäste, ein Thema, dieses so einfach wie geniale Konzept lobt Markt Schwabens Bürgermeister Michael Stolze in seinen Grußworten.

Auch der bayerische Kultusminister Michael Piazolo und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir senden per Videoschalte einige Grußworte. Nicht ohne Augenzwinkern gibt Özdemir einen Impuls: Vielleicht, sagt er, würde es Bernhard Winter ja auch noch schaffen, ihn im Rahmen der Sonntagsbegegnungen mit dem Sänger Campino von der Punkband "Die Toten Hosen" zusammen zu bringen.

Alois Glück ist der ehemalige Präsident des Bayerischen Landtags. (Foto: Christian Endt)

Am vergangenen Sonntag, bei der 111. Ausgabe des Dialogs, stehen jedoch erst einmal zwei andere Herren an den Mikrofonen: Alois Glück, der ehemalige Bayerische Landtagspräsident, und Martin Neumeyer, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Staatsforsten, unterhalten sich zum Thema: "Klima. Natur. Frieden. Die Welt als Solidargemeinschaft?" Harter Tobak, wenn man den Ausführungen von Alois Glück folgt. Gleich zu Beginn stellt er fest: "Noch nie in der Menschheitsgeschichte hat sich so viel in so kurzer Zeit und weltweit verändert." Der Klimawandel, die Pandemie, der Ukraine-Krieg, all das schaffe eine Unsicherheit, deren Folgen wir immer noch nicht absehen könnten. Seit über 30 Jahren kenne man die Daten und Fakten zum Klimawandel, passiert sei - nichts. Nüchtern wie selbstkritisch gibt Glück zu: "Meine Generation hat schrecklich versagt."

Auch im Wald sei der Klimawandel längst angekommen, berichtet Forstexperte Martin Neumeyer: Nicht so sehr die Wärmeentwicklung, sondern vor allem die Trockenheit sei Grund für das Waldsterben vielerorts. In Südbayern bis zur Donau hin habe man zwar noch nicht so sehr mit ihr zu kämpfen, in Nordbayern jedoch würden sich die geringen Niederschläge schon deutlich auf Baumarten wie Fichte oder Kiefer auswirken, die nicht genügend Wasser ziehen könnten und daher von oben her abstürben.

Martin Neumeyer ist Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Staatsforsten. (Foto: Christian Endt)

Neumeyer, wohl seinem Amt geschuldet, bleibt stets diplomatisch und positiv, etwa wenn er dem in den letzten Jahren gestiegenen Tourismus in Wald und Berg erst einmal etwas Positives abgewinnt. Glück hingegen bringt mit feinem Humor und einer gewissen Ratlosigkeit seine große Besorgnis zum Ausdruck, wenn er die sozialen Entwicklungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie betrachtet: "Wir müssen verdammt Obacht geben, dass es in unserer Gesellschaft nicht von innen zu Erosionen kommt."

Publikumsfragen zu den geplanten Windrädern im Forst werden von Ausrufen begleitet

Dass aber schon allein unter den Zuhörern die Meinungen klar auseinandergehen, wird spätestens bei den Publikumsfragen klar, die von unwilligem Murren und Ausrufen wie "Das ist ja die Schweinerei!" begleitet werden: Reizthema sind die geplanten Windkraftanlagen im Ebersberger Forst. Vor allem anwesende Bürger aus Anzing wollen wissen, weshalb trotz des knappen Ergebnisses beim Bürgerentscheid im Mai 2021 der Plan durchgezogen wird, bis zu fünf Windräder im Ebersberger Forst zu errichten. "Was soll ich jetzt sagen?", fragt Neumeyer leicht verwirrt. "Es ist doch selbstverständlich, dass wir ein solches Votum annehmen."

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Was der Passus in der Regierungsmeldung bedeute, die fünf Windräder dienten zur Förderung der Landschaftspflege, will ein anderer Anzinger wissen. Christa Stewens, maßgeblich beteiligt an dem Text, eilt zum Mikrofon: "Das haben uns damals die Juristen der Regierung von Oberbayern vorgeschlagen. Wir waren auch sehr unglücklich darüber und haben gesagt: Das kapiert doch keine Sau!" Einen versöhnlichen Schlusspunkt setzt Martin Neumeyer schließlich mit einem generellen Ausblick: "Generell sind Wälder nicht dazu da, um Versäumnisse kurzfristig und in großem Stil auszugleichen." Er bekommt nachdrücklich Applaus, und am Ende der Veranstaltung steht doch wieder die Harmonie im Vordergrund.

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