Innovation:Ein selbstfahrendes Elektroshuttle für Grafing

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Im Frühsommer könnte so ein Bus, wie er in Bad Birnbach im Landkreis Landkreis Rottal-Inn seit 2017 unterwegs ist, auch in Grafing seine Runden drehen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Das Projekt schreitet voran. In Kürze könnte es erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Gut sechs Kilometer wären es. Vom Busparkplatz in Grafing Bahnhof zum Schammacher Gewerbegebiet. Dann durch die Glonner Straße zum Grafinger Marktplatz. Und von dort in einer Schleife über die Bahnhofstraße zurück nach Grafing Bahnhof. Vor gut einem halben Jahr hatte ein Zusammenschluss um den Simulationsspezialisten Cadfem mit der Entwicklung eines selbstfahrenden Elektroshuttle-Konzepts für Grafing begonnen. Schon im Mai könnte es für die Öffentlichkeit was zu sehen geben.

Solange aber noch läuft das allermeiste des Vorhabens im Hintergrund, oder treffender: Auf PCs. "Die Kamerafahrzeuge waren schon unterwegs, von den ersten Teilstrecken der Runde sind mittlerweile die digitalen Zwillinge fertig", sagt Cadfem-Senior Günter Müller. Eine dreidimensionale Grafing-Kopie entlang der späteren Shuttle-Schleife ist damit gemeint.

Firmen und Unis arbeiten zusammen

Ein ganzes Ökosystem an Unternehmen und Start-Ups arbeitet in dem vom Zentrum Digitalisierung im Bayrischen Wirtschaftsministerium geförderten Verbundforschungsprogramm zusammen. Neben Cadfem gehören einige Töchter und Partner des Unternehmens zur Entwicklermannschaft, spezialisiert zum Beispiel auf 3D-Mapping sowie Fahrzeug- und Straßenraumsimulationen. Die Lehrstühle für Verkehrstechnik und Geoinformatik der Technischen Universität München (TUM) sind eingebunden sowie die DB Regio Bus als möglicher späterer Betreiber der Shuttles. "Plimos" lautet der Name des Projekts: Planung intermodaler Mobilitätsangebote basierend auf 3D-Stadtmodellen.

Aktuell laufen die Grafinger Shuttle-Fäden in Stuttgart zusammen, bei einem weiteren Mitspieler mit Cadfem-Beteiligung, ASR Simulator. "Wir packen gerade alles in einem großen Softwarepaket zusammen", erklärt Geschäftsführer Marc Strobel. Die zentimetergenauen digitalen Streckenzwilling mit allem Ampeln, Verkehrsschildern oder Zebrastreifen zum Beispiel. Dazu gesamte Verkehrsregelwerk und die gerade an der TUM erstellte große Grafinger Verkehrssimulation. Auch Shuttle-Charakteristika wie Beschleunigungs- und Bremsvermögen sind Teil des Pakets.

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Ein weiterer Schritt ist getan - doch bei der Frage über die konkrete Gestaltung hinken Rathaus und Stadtrat hinterher.

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Die Maschine lernt an der Maschine

Eine sekundenbruchteilschnelle Objekterkennung der Kamera- und Lasersensorik auf dem Fahrzeug detektiert Umgebung und Verhaltensmuster der verschiedenen Verkehrsteilnehmer. "Das geht hinunter bis auf die Detailebene einer Wahrscheinlichkeit, mit der zum Beispiel ein Kind am Straßenrand plötzlich auf die Straße springen könnte", erläutert der Entwickler.

Cadfem-Senior Günter Müller (l.) und ASR-Geschäftsführer Marc Strobel beim Cadfem-Symposium im Herbst im "Kastenwirt". Fahrsimulator-Software soll die Grundlage dafür liefern, dass das geplante selbstfahrende Grafinger Elektroshuttle für einen Großteil seiner Entwicklung gar nicht auf die echte Straße muss. (Foto: Christian Endt)

Die Detailversessenheit ist deshalb so wichtig, weil neben der Konzept- und Fahrzeugerprobung auch ein wesentlicher Teil der Zulassungsfahrten auf den Cadfem-Rechnern simuliert werden sollen. "Das ist sozusagen der Umweg, mit dem wir die Erprobung eines selbstfahrenden Shuttles im realen Straßenverkehr vermeiden", sagt Strobel. Normalerweise entwickelt seine Firma Fahrsimulatoren für die Automobilindustrie. Ob am Ende aber ein Mensch im Simulator die Runden dreht oder die Software in einer Rechnerumgebung, das sei dann zweitrangig.

Unterm Strich ist der Umweg über die Simulationen ohnehin eher eine Abkürzung. In realer Straßenumgebung, würde die Shuttle-Erprobung wohl Jahre dauern, sagt Cadfem-Senior Müller. "Für jede Tages- und Nachtzeit, für praktisch jede denkbare Witterungsumgebung müsste schließlich nachgewiesen werden, dass die Sensorik die Situation richtig erkennt und die Software blitzschnell die richtigen Schlüsse daraus zieht." Schneller geht es freilich, wenn ein Großteil der Testfahrten simuliert an Großrechnern abläuft.

Die Software sei zudem eine selbstlernende, sagt Müller. "Je öfter wir das Shuttle simuliert auf die Straße schicken, desto sicherer wird es." Am Ende, das ist die Vision, sogar sicherer als jeder menschliche Autofahrer.

Seit 2017 ist in Bad Birnbach in Niederbayern der selbstfahrende Bus unterwegs, am Sonntag kann man mit einem solchen auch in Grafing eine Probefahrt unternehmen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

In Richtung Frühsommer rechnet Müller damit, das Projekt aus der virtuellen in die reale Umgebung zu holen. Natürlich noch nicht in der geplanten Endausbaustufe mit komplett selbstfahrendem Betrieb durch die ganze Schleife. "Aber zum Beispiel mit Begleitpersonal und etwas reduzierter Geschwindigkeit im Pendelverkehr zwischen Grafing Bahnhof und dem Gewerbegebiet hin und her."

Ein Cadfem-Sommerfest dürfte sich für solch eine Präsentation gut anbieten. Einen Umzug hätte Müllers Unternehmen auch zu feiern. Aus dem "Gefreiten Haus" am Grafinger Marktplatz geht es, passenderweise, ins Schammacher Gewerbegebiet.

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