Arbeitsleben:Beim Lkw-Fahrer hört das Homeoffice auf

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Das Firmengelände der Ebersberger Spedition Reischl. (Foto: Christian Endt)

Laut einer neuen Studie kommen zu wenig Unternehmen der wieder eingeführten Heimarbeit-Pflicht nach. Wie gehen große Firmen im Landkreis Ebersberg mit dieser Herausforderung um?

Von Daniel Limmer, Ebersberg

Regelrecht begeistert vom Homeoffice ist die Firma Stahlgruber, ein Anbieter für Autozubehör mit Sitz in Poing, dessen Mitarbeiter zuletzt immer häufiger im heimischen Büro tätig waren. Und man habe damit nur positive Erfahrungen gemacht, erklärt das Unternehmen. Momentan arbeite sogar ein Großteil der Bürokräfte von Zuhause aus. Eine genaue Zahl der Heimarbeiter aber kann man in Poing nicht nennen, da etwa die Mitarbeiter in der Poststelle teilweise vor Ort sein müssten - und sich ihr Arbeitsplatz somit sowohl in der Firma als auch daheim verorten lasse. Doch nicht nur die Homeoffice-Quote ist hier hoch: Bereits im Juli vergangenen Jahres hat Stahlguber ein "pandemieunabhängiges Konzept für mobiles Arbeiten" eingeführt, das in den Zentralen in Poing, Essen, Salzburg und Mühldorf bereits gilt. Laut diesem Konzept haben Mitarbeiter mit typischen Büroarbeitsplätzen auch nach Corona die Möglichkeit, zwei Tage pro Woche von Zuhause aus zu arbeiten.

Stellt man Arbeitgebern aus dem Landkreis Ebersberg die Frage, wie sie es in ihrem Betrieb mit dem Thema Homeoffice halten, fallen die Antworten ganz unterschiedlich aus. Doch jeder weiß sofort, was damit gemeint ist, seit der Pandemie ist der Begriff hinlänglich bekannt. Spätestens als die sogenannte Homeoffice-Pflicht Ende Januar 2021 in Kraft trat, waren Unternehmen - ganz gleich ob Kleinbetrieb oder Großkonzern - unmittelbar damit konfrontiert. Im Juni lief die Regelung zunächst aus, jetzt gilt sie wieder, bereits seit Ende November. Arbeitgeber sind demnach dazu angehalten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Arbeiten von Zuhause aus zu ermöglichen, sofern kein betrieblicher Grund dagegen spricht. Im Umkehrschluss müssen die Arbeitnehmer - wenn möglich - das Angebot dann auch annehmen.

"Bei uns gilt: Jeder kann selbst entscheiden"

Laut einer neuen Umfrage des Ifo-Instituts lag die Zahl von Beschäftigten, die im Dezember im Homeoffice gearbeitet haben, zeitweise bei 27,9 Prozent. 4,1 Prozent mehr als im August. Beim bisherigen Höchststand im März vergangenen Jahres waren es 31,7 Prozent. "Nicht alle Unternehmen beachten offenbar die Ende November wieder eingeführte Homeoffice-Pflicht", so Ifo-Experte Jean-Victor Alipour. Trotz des jüngsten Anstiegs, der sich im Übrigen quer durch alle Branchen zog, geht da also noch mehr?

"Bei uns gilt: Jeder kann selbst entscheiden. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, haben grundsätzlich aber alle", sagt Johanna Thiele vom Grafinger Softwareentwickler Cadfem. 180 Mitarbeiter sind bundesweit bei dem Unternehmen beschäftigt, 100 davon in Grafing. "Hier ist die Situation gerade sowieso besonders, weil wir in ein neues Gebäude umziehen." Folglich befänden sich aktuell alle Grafinger Angestellten im Homeoffice, so Thiele. Sie schätzt aber auch den Anteil derer, die vor Weihnachten - also noch vor dem Umzug - von Zuhause aus gearbeitet haben, auf etwa 80 Prozent.

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Im Sommer, als die Inzidenzen vergleichsweise niedrig waren, seien natürlich deutlich weniger Mitarbeiter von Cadfem im Homeoffice gewesen. "Da gab es dann schon den Aufruf, wieder vermehrt ins Büro zu kommen, ein Muss war es aber nicht, erklärt Thiele. Und wie gut klappt das Arbeiten von Zuhause? "Läuft super", sagt sie. Cadfems Vorteil sei, dass die Firma bereits vor der Pandemie Programme für das mobilen Arbeiten flächendeckend eigeführt und genutzt habe. Deshalb würden viele Mitarbeiter das Homeoffice-Angebot auch jetzt "gerne annehmen", schätzt Thiele - "obwohl es natürlich immer Kollegen gibt, die lieber im Büro sind".

Beim Grafinger Industrieanlagenanbieter Ruff ist die Homeoffice-Quote etwas niedriger. Möglich ist das Arbeiten von Zuhause dort nämlich ohnehin nur in der Verwaltung. "Da sind wir zu zehnt. Immer fünf Personen im Wechsel im Homeoffice", sagt Mitarbeiterin Verena Moosbauer. Mehr sei schlicht nicht möglich. "Ich muss mindestens jeden zweiten Tag ins Büro, weil unsere Arbeit doch noch sehr papierlastig ist", erklärt sie. Im Sommer war die Situation auch hier anders: "Da waren eigentlich alle da." Die steigenden Inzidenzen und die wieder eingeführte Homeoffice-Pflicht hatten also durchaus eine Auswirkung auf die Arbeitssituation in der Grafinger Firma. Ob auch nach der Pandemie weiterhin Mitarbeiter von Zuhause aus arbeiten werden, lasse sich jetzt noch nicht sagen. Ausschließen würde Verena Moosbauer das aber definitiv nicht.

Homeoffice auch nach der Pandemie?

Nicht in allen Unternehmen scheint es möglich zu sein, die Homeoffice-Regelung umzusetzen. Auch bei den Firmen Ruff und Stahlgruber ist sie ja nur für Mitarbeiter im Büro möglich. In der Produktion oder anderen Abteilungen kommt man mit Laptop am Küchentisch eben nicht recht weit. Das ist zum Beispiel auch bei der Spedition Georg Reischl in Ebersberg der Fall. In einem Logistikdienst sei es eben "schwierig, von Zuhause aus zu arbeiten", sagt die Chefin Christine Reischl. Selbst diejenigen Mitarbeiter, die die Kraftfahrer einteilen, "müssen in jedem Fall vor Ort sein". Das Konzept Homeoffice passe nicht zur Branche. "Leider", sagt Reischl. Sie persönlich finde es nämlich "nicht verkehrt".

Es scheint, als würden sich die Unternehmen im Landkreis Ebersberg grundsätzlich an die Homeoffice Regel halten. Teilweise werden aber wohl noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Andererseits lässt sich feststellen, dass viele Firmen das Konzept des mobilen Arbeitens gerade erst so richtig für sich entdecken. Jedenfalls ist in immer mehr Jobangeboten explizit zu lesen, dass die Möglichkeit von Homeoffice besteht. So hat etwa die Stahlgruber GmbH die Beobachtung gemacht, dass viele Bewerber sich gerade wegen des Homeoffice-Angebots für das Unternehmen interessieren würden. Kein Wunder also, dass die Poinger Firma auch nach der Pandemie "am mobilen Arbeiten festhalten" möchte.

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