Omikron in Ebersberg:"Immer häufiger mit, nicht wegen Corona"

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Patienten mit einer Covid-Infektion finden sich immer häufiger querbeet durch alle Fachbereiche hindurch - auch in der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wegen der extrem hohen Infektionslage werden wieder vermehrt Covid-Fälle in der Ebersberger Kreisklinik behandelt. Die Patientenzahl ist aber nicht das einzige Problem, das Omikron mit sich bringt.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Die Corona-Infektionszahlen haben mit der Omikron-Variante bislang ungekannte Höhen erreicht. Beinahe täglich meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) ein neues Rekord- Hoch, auch für den Landkreis Ebersberg. Die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken zeigt sich im Verhältnis dazu recht überschaubar: Am Mittwochmorgen meldet die Klinik 25 Patienten, die mit einer Corona-Infektion behandelt werden - zwei davon auf der Intensivstation. Aber ist die Lage in der Klinik tatsächlich so entspannt, wie es nach diesem ersten Blick scheinen mag? Die SZ hat nachgefragt und mit Viktoria Bogner-Flatz, Chefärztin der Zentralen Notaufnahme (ZNA), sowie Daniel Plecity, Leiter der Corona-Station und Leitender Oberarzt des Bereichs Medizinische Klinik I in der Abteilung Innere Medizin, gesprochen.

Entwarnung meldet keiner der beiden. Doch zunächst die gute Nachricht: Die Aufnahme von Corona-Patienten auf die Normal- beziehungsweise die seit der Pandemie bestehende Corona-Station werden dem Trend nach langsam zwar wieder mehr, nachdem die Zahl zuletzt gesunken war. Aber die bisherigen Höchststände von bis zu 40 Covid-Patienten sind eher in weiter Ferne. Und die Durchschläge bis hin zur Intensivstation halten sich weiterhin in Grenzen. "Das war bei Delta ganz anders", sagt Bogner-Flatz. Das bestätigt auch Daniel Plecity von der Corona-Station. Dass der Gesundheitszustand seiner Patienten innerhalb kurzer Zeit rapide einbricht und sie auf die Intensivstation verlegt werden müssen, sah er zu Delta-Zeiten zwei bis dreimal pro Woche - aktuell hatte er in den vergangenen Wochen nur einen solchen Fall.

Auch Delta wirkte sich zunächst kaum auf die Intensivstation aus

Aber was nicht ist, kann ja noch werden - und das ist die schlechte Nachricht. "Es ist durchaus denkbar, dass wir in Zukunft auch wieder mehr Patienten auf der Intensivstation behandeln müssen", sagt Bogner-Flatz. Denn auch bei Delta sei es zu Beginn so gewesen, dass zunächst die Normalstationen vollgelaufen sind und die Situation erst nach einer Weile auf den Intensivstationen ankam. "Das wird die Zeit zeigen." Zwar vermutet die 40-Jährige, dass es wahrscheinlich nicht dazu kommen wird, da die fortschreitende Impfquote immer mehr Menschen sehr gut vor einem schweren Krankheitsverlauf schützt. "Aber die Pandemie hat uns was Vorhersagen angeht schon ein paar Mal ein echte Schnippchen geschlagen."

Daniel Plecity rechnet deshalb lieber eher pessimistisch und lässt sich im Zweifel positiv überraschen als andersherum, wie er sagt. Er könnte sich vorstellen, dass sich die aktuelle Zahl der Covid-Patienten von 19 noch verdoppeln wird. Dann wären es so viele wie zu den Spitzen der Delta-Welle Anfang Dezember vergangenen Jahres.

Aber selbst wenn dieser Fall nicht eintreten sollte, ist eine Entspannung der Lage nicht zu erkennen - denn die Patienten liegen trotzdem im Durchschnitt drei bis fünf Tage, bei schweren Verläufen auch mal sieben Tage auf der Corona-Station, sagt Plecity. Und auf der Intensivstation müsse man mit Liegedauern von rund 20 Tagen rechnen. Viel Zeit, in der entsprechende Versorgungskapazitäten gebunden sind. Hinzu komme, dass die Entlassung von Patienten aus Pflegeheimen oft schwierig ist, wenn der Corona-Test weiterhin positiv ausfällt - obwohl der Gesundheitszustand keine stationäre Behandlung mehr notwendig machen würde. "Die Logistik ist oft ein Problem, wodurch stationäre Aufenthalte verzögert werden." Auch etwas, das Ressourcen bindet.

Immer mehr Klinik-Personal fällt wegen einer Infektion oder eines Covid-Kontakts aus

Hinzu kommt eine Verschiebung der Problemlage. Denn die extrem hohe allgemeine Infektionslage schafft zwei neue Herausforderungen. Zum einen: Personalausfälle durch Covid-positive Mitarbeitende oder solche, die sich als Kontaktpersonen in Quarantäne begeben müssen, werden mehr. Bislang sind die Ausfälle noch einigermaßen gut zu bewältigen, sagt Kliniksprecherin Katharina Ober, aber auch nur durch die herausragende Loyalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die füreinander einspringen. "Es ist dennoch ein Kraftakt und eine enorme Belastung für das Kollegium." Sollten die Ausfälle irgendwann nicht mehr kompensiert werden können, hätte dies die Reduktion der Betten zur Folge und damit die Menge an Patienten, die in der Klinik aufgenommen und behandelt werden können. Ein solches Szenario steht jedoch bislang in weiter Ferne, wie Ober betont. "Aber niemand kann mit Gewissheit sagen, wie es weitergeht."

Viktoria Bogner-Flatz ist Chefärztin der Zentralen Notaufnahme der Kreisklinik Ebersberg. (Foto: Kreisklinik/oh)

Und das andere Problem: "Patienten kommen nicht mehr nur wegen Corona, sondern immer häufiger auch mit Corona", sagt Bogner-Flatz. Also: Der Grund für die Aufnahme im Krankenhaus ist der vermutlich gebrochene Arm nach einem Radlsturz - und in der Klinik wird dann als Nebenbefund eine Corona-Infektion festgestellt. Denn alle Patienten werden bei Eintreffen in der Klinik auf das Virus getestet. Stille oder stumme Infektion nennt Bogner-Flatz solche Fälle, denn oft haben die Betroffenen aufgrund ihrer Impfung überhaupt keine Symptome. "Das bedeutet für uns, dass wir isolierpflichtige Patienten in allen Fachbereichen haben", so Bogner-Flatz weiter. Die Versorgung von Corona-Patienten und damit der große Aufwand, den eine Isolierung erforderlich macht, beschränkt sich also nicht mehr nur auf die Covid- und die Intensivstation.

Das hat nicht nur eine logistische Herausforderung zur Folge, sondern auch eine medizinische, wie Plecity erklärt. Denn wenn nun ein Patient beispielsweise wegen einer akuten Erkrankung wie einer Magenblutung in die Klinik kommt und dort dann aber noch eine Corona-Infektion festgestellt wird, müssen Fragen beantwortet werden: Wie schwerwiegend ist seine Infektion? Wie hoch ist das Risiko, dass er einen schweren Verlauf entwickelt? Und wie schlimm ist es um seine eigentliche Erkrankung bestellt? Letztlich geht es um eine Frage, die Plecity folgendermaßen formuliert: "Können wir uns ganz und gar der Aufnahmediagnose widmen - oder wird die Corona-Infektion bald das viel größere Problem des Patienten sein?"

Trotz einer gewissen Routine bleibt es schlimm, wenn ein Covid-Patient eine schlechte Prognose erhält

Und wie geht es dem Klinikpersonal mit all diesen neuen Schwierigkeiten? Nach mittlerweile zwei Jahren, in denen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kliniken immer wieder höchste Flexibilität und Anstrengung abverlangt wurde, habe sich eine gewisse Routine eingestellt, sagt Bogner-Flatz. "Aber wenn ein Patient ungeimpft und schwer krank im Schockraum landet und seine Prognose katastrophal ist, dann ist das nach wie vor auch für uns schlimm - jedes einzelne Mal", so die Notfallmedizinerin weiter. "Und das erst recht, weil die Situation in den meisten Fällen durch eine Impfung vermeidbar gewesen wäre."

Hinzu kommt, dass Corona nicht nur im Beruf präsent ist, sondern auch im Privatleben - wie bei jedem anderen auch. Gerade wenn man kleine Kinder zu Hause hat, sei die Pandemie ohnehin schon kräftezehrend, sagt Bogner-Flatz. "Und wir gehen dann in die Arbeit und bekommen auch dort das Thema nonstop um die Ohren gehauen."

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