Finanzpolitik in Ebersberg:Landkreis bittet Kommunen zur Kasse

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Die Grafinger Stadtkasse ist leer, wie selten zuvor - die Politik scheint sich daran nicht zu stören. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Wegen der angespannten Finanzlage muss das Ebersberger Landratsamt die Kreisumlage wohl schon im nächsten Jahr deutlich erhöhen. Die Fachbereiche in der Behörde werden sparen müssen. Das dürfte noch für Zündstoff sorgen.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Das Ebersberger Landratsamt verfügt über viele Kompetenzen, eines allerdings kann auch in der Behörde in der Eichthalstraße niemand: hellsehen. Dabei wäre diese Fähigkeit im Hinblick auf die kommenden Jahre recht hilfreich, stehen doch etwa durch den Bau einer Berufsschule in Grafing-Bahnhof oder eines Gymnasiums in Poing gleich mehrere Großprojekte an. Diese wollen natürlich auch finanziert werden. Um sich für das kommende Haushaltsjahr und auch für die darauf folgenden zu rüsten, hat das Landratsamt nun einen ersten groben Fahrplan vorgelegt. Auch wenn dieser erst bei den Haushaltsberatungen im Herbst in Stein gemeißelt wird, zeigt sich, dass das Finanzkorsett heuer besonders eng geschnürt ist - und die Landkreisgemeinden von nächstem Jahr an wohl deutlich mehr Geld als bisher beisteuern müssen.

Dabei war von den anstehenden Großinvestitionen noch gar nicht die Rede, als Finanzmanagerin Brigitte Keller einen ersten Entwurf des Eckpunktepapiers im Kreis- und Strategieausschuss und am Montag auch im Kreistag vorstellte. In diesem ging es vor allem darum, was die Fachausschüsse des Kreistags - also etwa die Gremien für Jugendhilfe, Soziales und Bildung sowie Umwelt - im kommenden Jahr an Geld ausgeben dürfen. Dennoch läuft in der Finanzpolitik vieles Hand in Hand, und so wagte Keller auch gleich einen Ausblick auf die zu erwartende Verschuldung des Landkreises. Während die Finanzmanagerin für Ende dieses Jahres mit einem Minus von 63,5 Millionen Euro rechnet, soll die Summe bis Ende 2025 auf 75,3 Millionen Euro anwachsen. Noch nicht eingepreist ist darin der Kassenkredit in Höhe von 23,5 Millionen Euro, den der Landkreis im Jahr 2020 wegen einer großen Gewerbesteuerrückzahlung aufnehmen musste. Auch dieser muss abbezahlt werden.

Finanzmanagerin Brigitte Keller muss für den Haushalt 2023 bereits jetzt den Rotstift ansetzen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein hoher Schuldenberg also, den die Ebersberger Kreisbehörde in den kommenden Jahren vor sich herschiebt. "Und das könnte noch nicht das Ende sein", wie Brigitte Keller sagte, denn die Preissteigerungen seien derzeit kaum vorhersehbar. Kein Wunder, dass der Landkreis den kommenden Haushalt eher konservativ plant. Das ist bereits am Finanzrahmen für die Fachausschüsse abzulesen. Diese hatten eigentlich für das Jahr 2023 eine Budgetsteigerung von insgesamt neun Millionen angemeldet, tatsächlich bekommen werden sie nach derzeitigem Stand aber lediglich vier Millionen Euro mehr. "Wir haben mit der Rasenmäher-Methode gekürzt", räumte selbst Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ein. Was anderes sei zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich, so der Behördenchef, der überzeugt ist: "Der nächste Haushalt wird der schwierigste."

Das zeigte sich bereits in der jüngsten Ausschusssitzung, als es von den Kreisräten deutliche Kritik an dem Vorschlag der Verwaltung gab, der Jugendhilfe lediglich 19 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Das entspricht zwar einer Steigerung um rund einer Million Euro im Vergleich zu diesem Jahr, als Bedarf für 2023 hatte die Fachstelle jedoch rund 20,1 Millionen Euro angemeldet. Dazu muss man wissen, dass die meisten Aufgaben in diesem Bereich - wie etwa Gastschulabrechnungen oder Ausbildungsförderung - keine freiwilligen Leistungen des Landkreises sind, sondern von der Bundespolitik vorgegeben werden. Gegen diese stetig steigenden Anforderungen wollte die Ebersberger Kämmerei nun protestieren, indem sie das Budget für die Jugendhilfe absichtlich niedrig ansetze. "Man muss einfach mal ein Zeichen setzen", sagte Keller zu der Entscheidung.

Im Ausschuss ist von einem "finanzpolitischen Blindflug" die Rede

Weil die Ausgaben in diesem Fachbereich aber ohnehin bezahlt werden müssen, egal wie hoch diese am Ende sind, gab es an dem Vorgehen fraktionsübergreifend Kritik. "Wir wissen, dass wir es bezahlen müssen, aber tun so, als müssten wir es nicht bezahlen", sagte etwa Benedikt Mayer (Grüne). Wilfried Seidelmann (Freie Wähler) plädierte dafür, "keine Luftschlösser" zu bauen und Thomas Huber (CSU) sprach gar von einem "finanzpolitischen Blindflug". Auch der Betroffene selbst, Jugendamtsleiter Christian Salberg, kritisierte die Entscheidung als unrealistisch. Selbst die geforderten 20,1 Millionen Euro seien schon ein sehr ambitionierter Wert. "Eigentlich hätten wir sogar 22 Millionen ansetzen müssen."

Wie viel Geld letztendlich auf die Jugendhilfe entfällt, und wie viel die anderen Fachbereiche zugewiesen bekommen, muss final ohnehin erst bei den Haushaltsberatungen im Herbst entschieden werden. Die jüngste Debatte gab allerdings bereits einen Vorgeschmack darauf, dass dem Kreistag dann wohl lange Sitzungen und zähe Verhandlungen bevorstehen.

Um handlungsfähig zu bleiben, muss das Landratsamt die Kreisumlage deutlich erhöhen

An deren Ende soll dann ein Ergebnisüberschuss im Haushalt von mindestens zehn Millionen Euro stehen. Diesen Wert empfiehlt die Kämmerei jedes Jahr, um sich einen gewissen Handlungsspielraum zu verschaffen und die Neuverschuldung für Investitionen zu reduzieren. Nach derzeitigen Planungen bleiben dem Landkreis 2023 aber lediglich 445 561 Euro übrig. Deshalb werde der Haushalt für das kommende Jahr "von einer deutlichen Erhöhung der Kreisumlage abhängig sein", wie es in einer Stellungnahme aus der Kämmerei heißt.

Wie viel mehr die Landkreisgemeinden im kommenden Jahr an die Ebersberger Behörde abtreten müssen, steht allerdings noch nicht fest. Konkreter ist dagegen bereits die Prognose für 2024 und 2025. In diesen Jahren nämlich kalkuliert die Kämmerei mit einem Ergebnisüberschuss von 11,7 Millionen Euro - dabei bereits eingepreist ist eine Erhöhung der Kreisumlage um drei bis vier Prozentpunkte auf dann 50 beziehungsweise 51 Prozent. Was mit dem Geld passieren soll, ist ebenfalls bereits bekannt, wie aus dem Landratsamt zu erfahren ist: Dieses stehe nicht für Investitionen zur Verfügung, sondern müsse für die Rückzahlung des Kassenkredits angespart werden.

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