Volksfeste:"Eine einzige Katastrophe"

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Durch den Ausfall der Münchner Wiesn und sämtlicher Volksfeste bleibt den Festwirten und Schaustellern aus der Region in der Coronakrise nur Hoffnung.

Von Nathalie Stenger, Ebersberg

Vorfreude ist die schönste Freude? Dass man sich auf die Volksfeste im Landkreis, angefangen bei Glonn und Grafing bis nach Ebersberg, aber gleich so lange, nämlich bis nächstes Jahr, freuen muss, damit hat Anfang dieses Jahres wohl niemand gerechnet. Besonders nicht die Schausteller und Festwirte selbst, weshalb sie die Pandemie besonders trifft. Sie leben schließlich von großen Menschenmengen. Es geht zwar nicht allen gleichermaßen schlecht, aber doch ist der Konsens eindeutig: So kann es nicht weitergehen.

Zu Beginn ein Blick auf die Kreisstadt. Hier sollte vom 7. bis 17. August eigentlich das traditionelle Volksfest stattfinden. Schweinshaxn und Wiesnbrezn, Lederhosn und Dirndl. Doch dann kam die Absage, "schweren Herzens", heißt es von den Veranstaltern. Einer von ihnen ist Festwirt Martin Lohmeyer. Seit 2010 ist er für das Auf- und Abbauen und alles, was sonst noch so zum Volksfest Ebersberg dazugehört, zuständig. Die Organisation hatten sie bereits abgeschlossen, erzählt er, der nächste Schritt wäre Werbung und Marketing gewesen. "Dann haben wir alles abgeblasen." Für den Festwirt bedeutet das: Totalausfall nach einem immensen Arbeitsaufwand.

Durch 120 im Frühjahr gekündigte Verträge habe man immerhin keine finanziellen Verpflichtungen, sagt er. Lohmeyer trifft es aber vor allem persönlich: "Mir geht es ab", erzählt er. Der Auf- und Abbau mit seinen "Spezln", die ganze Volksfestkultur. "Das ist irgendwo mein Leben, Aber man kann ja nichts machen, es hilft nichts." Im Oktober geht es an die Planungen für das Fest im kommenden Jahr, zumindest ist das der aktuelle Stand. Schon jetzt läuft auf der Homepage der Ticker, knapp 48 Wochen sind es noch.

Auch sein Kollege Josef "Sepp" Riedl vom Volksfestverein Ebersberg plant schon. Nämlich das Geld, das dieses Jahr nicht für den traditionellen Seniorennachmittag ausgegeben werden konnte, im nächsten Jahr für eine Erweiterung des Kindertages zu nutzen. Dem Verein gehe es nämlich gut, erklärt Josef Riedl. Keine Veranstaltungen, keine Ausgaben. Und Einnahmen gebe es trotzdem, in Form vom alljährlichen Vereinsbeitrag der 1600 Mitglieder. "Das machen wir ohnehin jedes Jahr", so der Vorsitzende, "dass wir Kindergartenkinder am Nachmittag einladen und ihnen Gutscheine für Fahrgeschäfte geben." Aber beim kommenden Fest werde es dieses Angebot nun auch für größere Kinder geben. "So haben alle etwas davon", sagt Riedl, "die Schausteller und die Kinder."

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Kurt Geier junior sitzt gerade an der Kasse seines Autoscooters und berichtet durchs Handy. Er ist mit dabei beim Sommer in der Stadt in München, immer wieder piept es im Hintergrund, wenn er Tickets verkauft. Wie es ihm denn gehe mit Corona? "Eine einzige Katastrophe ist das", sagt er, "für die ganze Eventbranche!" Seine Mitarbeiter seien in Kurzarbeit, die Saisonarbeitskräfte habe er gar nicht erst kommen lassen.

Normalerweise trifft man Geier auf der Truderinger Festwoche sowie der Auer Dult an, aber eben auch in Ebersberg auf dem dortigen Volksfest. Das verstehe er einfach nicht, sagt er, warum man in der Kreisstadt nicht einfach einen kleinen Park hingestellt habe. Das hätte doch funktioniert. "Es sind ja auch Zulieferfirmen davon betroffen", erklärt der Autoscooterbesitzer, ehe er das Brauereisterben anspricht. "Das wissen viele gar nicht, was da alles dranhängt an den Veranstaltungsverboten." Immerhin sei das Angebot in der Landeshauptstadt ganz gut angenommen worden, in regelmäßigen Abständen wurden seine Autos gereinigt und die Besucher fuhren selbstverständlich mit Maske. Sein Blick auf das nächste Jahr sei dennoch pessimistisch, betont er. "Gerade wenn typische Unterhaltungsmusik auf den Festen nicht erlaubt ist."

Einer, den die Krise recht heftig trifft, ist der Unternehmer Christian Fahrenschon. Anders als bei Josef Riedl oder Martin Lohmeyer sind Volksfeste für ihn als Veranstalter kein zweites Standbein, sondern sein tatsächlicher Lebensunterhalt. Das Familienunternehmen aus dem Nachbarlandkreis Rosenheim war auch heuer zum fünften Mal in Vaterstetten zu Gast, um ein Volksfest auf die Beine zu stellen. Aber ganz anders als sonst, statt einem "griabigen Prosit" im vollen Festzelt gab es einen "Freizeitpark mit großem Biergarten". Unter dem Namen "Sommer Dahoam" wurden vom 17. Juli bis 2. August in einem eingezäunten Areal an der Baldhamer Straße Fahrgeschäfte wie Achterbahn, Riesenschaukel, Autoscooter und Kinderkarussell angeboten, außerdem gab es Stände mit gebrannten Mandeln und Schokofrüchten. Keine sechs Tage wie üblich, sondern 16, "um die Menschenmassen zu entzerren", wie der Veranstalter erklärt. Der Bierausschank blieb dabei fast gleich. Wirtschaftlich habe sich das für ihn nicht gelohnt, betont Christian Fahrenschon. "Mir ging es nur darum, meine Angestellten zu halten."

Beim Betreten des Biergartens in Vaterstetten wurden die Daten der Besucher erfasst, außerdem habe man Besichtigungen mit Vertretern des Landratsamts und der Gemeinde durchgeführt, erzählt Fahrenschon weiter. Um Bedenken der Besucher entgegenzukommen, wurde auch die Maskenpflicht auf dem Weg zum Tisch eingeführt, erinnert sich der Veranstalter. Das Angebot sei gut vom Publikum angenommen worden, betont er. "Man merkt, dass die Leute raus wollen und Lust auf Unterhaltung haben."

In abgespeckter Version hatte Fahrenschon zuvor bayerische Schmankerl zum Mitnehmen in Großkarolinenfeld und einen kleinen Biergarten in Bad Aibling im Landkreis Rosenheim angeboten. So wie in Vaterstetten wollte er nun seine restlichen alljährlichen Veranstaltungen in Murnau, Geretsried, Garmisch und Bad Tölz durchziehen, denn, "dass es funktioniert, zeigt das Konzept von Vaterstetten!" Doch entweder verwehrten ihm Gemeinden und Städte oder die Polizei aus verschiedensten Gründen den Aufbau seiner Feste. Dagegen will er jetzt teilweise rechtlich vorgehen.

Und fürs nächste Jahr? "Da habe ich die Hoffnung schon fast verloren", gibt Christian Fahrenschon zu. Er habe sogar seinen zwei Kindern, die beide auch im Betrieb arbeiten und sich branchenspezifisch haben ausbilden lassen, ans Herz gelegt, sich beruflich umzuorientieren. "Da hat man einen Betrieb 50 Jahre lang, und es braucht nur ein einziges, um ihn Konkurs gehen zu lassen."

Schon bald nach dem Gespräch muss er wieder in die Rosenheimer Innenstadt, zum Fischstand seines Familienbetriebs. Auch dort gibt es einen "Sommer in der Stadt". Angestellte hat er dafür nicht angeheuert. "So verdienen wir selbst gerade unser Brot", sagt er.

© SZ vom 01.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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