Kommunalwahl 2020:Ebersberg's Next Top Bürgermeister

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Bis auf den letzten Platz besetzt ist der Alte Speicher in Ebersberg, als sich die Bürgermeisterkandidaten Alexander Gressierer (CSU), Josef Peis (Pro Ebersberg), Uli Proske (SPD), Bernhard Spötzl (FDP) und Toni Ried (Freie Wähler) zur Diskussion (unten, von rechts) treffen. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Podiumsdiskussion im Alten Speicher wird zur Unterhaltungsshow - was vor allem am Auftritt der fünf Bewerber liegt. Es fehlte nur noch Heidi Klum.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Um kurz nach sieben ist es noch ruhig, dann bricht der Sturm los: Die Ebersberger entern den Alten Speicher. Frauen, Männer, Jugendliche, Ältere: Alle wollen die fünf Kandidaten erleben, die am 15. März zum Bürgermeister ihrer Stadt gewählt werden wollen. In einer von der Kolpingsfamilie Ebersberg initiierten Podiumsdiskussion haben die Bewerber am Donnerstagabend die Möglichkeit, aus den anwesenden Bürgern ihre Wähler zu machen. Um halb acht muss der Saal wegen Überfüllung geschlossen werden, auf den Treppen wird gestanden. "Die Bude ist voll", sagt Holger Häusgen, Vorsitzender der Kolpingsfamilie, und beruhigt: Wer es nicht rein geschafft hat, kann den Abend auch per Livestream im Internet und im Foyer des Alten Speichers verfolgen.

Die Stimmung ist gut - nicht zuletzt, weil für die anwesende Landtagsabgeordnete Doris Rauscher (SPD) ein spontanes Geburtstagsständchen zum Besten gegeben wird; aber man merkt den Kandidaten und auch den Anwesenden eine anfängliche Anspannung an. Was sie erwartet, sind drei Stunden meist unterhaltsamer Polit-Diskussionen und Profilierungsversuche fünf engagierter Männer unterschiedlichen Alters: Alexander Gressierer (CSU), Josef Peis (Pro Ebersberg), Uli Proske (SPD), Toni Ried (Freie Wähler) und Bernhard Spötzl (FDP) .

Walter Brilmayer (CSU), scheidender Bürgermeister der Kreisstadt und immer wieder zitiertes Vorbild an diesem Abend, richtet noch ein paar launige Grußworte ans Publikum, in denen er versichert, das Bürgermeisteramt sei eines der schönsten überhaupt: "Aber wenn man auf die Straße geht, ist man immer der Bürgermeister." Daher, so Brilmayer, fahre er auch möglichst an jedem freien Tag weg.

Moderator Manfred Ruopp von der Kolpingsfamilie klärt erst einmal über die Spielregeln des Abends auf: Jede Antwort darf nur eine Minute dauern, und jeder Kandidat hat zwei zusätzliche Ein-Minuten-Joker. Dann läuft die Uhr, und die Bewerber dürfen sich kurz vorstellen: Dabei punktet Gressierer mit Fachwissen als jahrelanger CSU-Ortsvorsitzender, Peis mit seinem auf Miteinander bedachten Programm, Proske mit seiner jahrzehntelangen Führungserfahrung bei Wasseramt und Feuerwehr, Spötzl mit seinem Pochen auf die Freiheit des Einzelnen und Ried mit seinem kommunalen Rundumwissen.

Im Anschluss animiert Ruopp die Zuschauer mit diversen Ratefragen zum Aufstehen: Wer schon wisse, wen er wähle, dürfe sich nun wieder hinsetzen. Etwa die Hälfte bleibt noch stehen. "Das ist das Potenzial, um das Sie heute kämpfen", sagt Ruopp, und spätestens ab diesem Zeitpunkt fühlt sich der Abend ein bisschen so an wie eine Mischung aus "Ebersberg's Next Top Bürgermeister" und "Wer wird (Stimmen) Millionär?"

(Foto: oh)

Sechs Themenbereiche werden durchdekliniert

Zuerst kommt das Thema Frauen zur Sprache. Bei der SPD, so Ruopp, sei die Aufteilung der Listenplätze unter Männern und Frauen gleich. Bei der CSU gebe es 37 Prozent weibliche Kandidaten, bei der Wählervereinigung Pro Ebersberg nur 33 Prozent, und bei den anderen Parteien noch weniger. "Wolltet Ihr nicht eine andere Politik machen?", fragt Ruopp Josef Peis. "Mir kommt die ziemlich gleich vor." Das Publikum lacht, und Peis kontert: "Ich glaube, dass Politikstil geschlechterunabhängig ist."

Sechs Themenbereiche werden an diesem Abend durchdekliniert, zu denen sich die Kolping-Mitarbeiter exemplarische Fragen überlegt haben. Zum Thema Wohnen und Leben sollen sich etwa die Bewerber zu ihren Plänen äußern hinsichtlich der vielfach beklagten Wohnraumnot. "Innen vor Außen", ist hier ein Schlagwort, auf das sich Peis und Gressierer berufen. Einen Paradigmenwechsel fordert Spötzl: "Wir brauchen mehr Geschosswohnungsbau." Ried wertet die Verdichtung im Innenraum als problematisch und verweist auf den Flächennutzungsplan, an den man sich halten könne. Proske bringt die Idee von Stelzenbau auf der Fläche vom Aldi-Parkplatz im Westen von Ebersberg ins Spiel: Unten parken, oben wohnen.

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Beim Thema Migration und Integration führt jeder der Teilnehmer seinen Vorzeige-Migranten auf, den er entweder selbst begleitet hat oder persönlich kennt. Die Nachricht soll sein: Niemand will ausgebildete Fachkräfte oder potenzielle Azubis zurückschicken. An dieser Stelle verhebt sich der sonst sehr bürgernahe Gressierer ein wenig, indem er auf die Netzwerke seiner Partei bis hin zur europäischen Ebene verweist. Hier könne ein Anruf etwa bei EU-Politikerin Angelika Niebler schon einiges bewirken. Proske als nächster Redner hält dagegen: "Ich hab leider keine Verbindungen ins Weltall hinauf."

Spannend wird es beim Thema Mobilität. Der viel debattierte Tunnel, der im Herzen der Kreisstadt zu einer deutlichen Verkehrsentlastung führen soll, ist laut Spötzl eben kein "Tunnelchen": "Mit 2,3 bis drei Kilometern Länge wäre dies einer der längsten Straßentunnel Deutschlands." Zudem würde er eine halbe Million Euro Unterhalt im Jahr kosten. Ried, der sich hier als Spötzls Cousin outet, widerspricht: Er ist für die günstigste Variante eines Tunnels - also den, der sich am schnellsten verwirklichen ließe.

Die genaue Trassenführung nicht in Schwarz-Weiß zu diskutieren, dafür plädiert Gressierer. Er könne sich eine Variante etwas östlich der Kreisstadt vorstellen, die "idealerweise auch den Ziel- und Quellverkehr" mitnehme. An keine lange Tunnelvariante glaubt Peis und regt zwei parallele Machbarkeitsstudien an: einmal zum Tunnel und einmal zu einer möglichen Umfahrung. Proske kann sich etwa auch eine West-Lösung vorstellen, die weit genug von Vorderegglburg weg ist - wenn sich Ebersberg sowieso in Richtung Westen entwickle. Einigkeit herrscht jedoch wieder weitestgehend bei der Frage der überregionalen und überparteilichen Zusammenarbeit mit umliegenden Gemeinden beim Thema Umgehungsstraße.

Auch die Maßnahmen zur Energiewende werden angesprochen: Ideologiebefreit wolle man an das Thema Windkraft herantreten, so Peis. Spötzl spricht sich grundsätzlich für Windräder aus, äußert aber Bedenken, dass bei einem Bau im Forst Schutzschichten des Grundwassers durchstoßen würden. Gressierer sieht in der Schafweide einen ausgezeichneten Standort, will aber erst die Ergebnisse zur Windkraft im Gemeindegebiet abwarten. Proske ist sich sicher: Die Frage ist nicht, ob es Windräder geben wird in Ebersberg, sondern wann und wo. Ried ist der Meinung, erst solle man die Möglichkeiten der Solarenergie völlig ausschöpfen.

Gegen Ende der Marathon-Befragung lässt bei allen die Konzentration nach, was sich auch an erheiternden Versprechern der Bewerber ablesen lässt. So nennt Peis als Lösung für den Verkehr: "Wir müssen die Menschen animieren, zu Hause zu bleiben", und Gressierer tituliert seine Gegen-Bewerber versehentlich als "Kolleginnen". Zu guter Letzt müssen nochmal die Zuschauer ran: Wer sich jetzt immer noch unschlüssig sei, wen er wählen werde, will Moderator Ruopp wissen. Ob aus Müdigkeit oder Entscheidungsfreude: Am Ende dieses Abends stehen zu dieser Frage nur noch etwa ein Viertel der Zuschauer auf.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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