Die Offensivstrategie der Grünen-Politikerin Angelika Obermayr ließ sich gut an diesem einen Satz erkennen, für den die amtierende Rathauschefin ordentlich Applaus bekam. Bei der Podiumsdiskussion zur Bürgermeisterwahl in Grafing ging es gerade um Sanierungs- und Bauprojekte, deren Erledigung Obermayr und ihr Stadtratsgremium in sechs Jahren schuldig blieben. Es habe dafür am Geld gemangelt, erklärte die Bürgermeisterin. "Aber", und dann sagte Obermayr diesen Satz: "Ich hab' ja noch sechs Jahre Zeit."
Fünf Kandidaten präsentierten sich auf Einladung der Jugendinitiative Grafing (Jig) auf der Bühne des Jugendzentrums. Obermayr und die Herausforderer: Christian Bauer (CSU), Christian Kerschner-Gehrling (SPD), Claus Eimer (FDP) und Walter Schmidtke (Bayernpartei). Moderiert von SZ-Journalist Thorsten Rienth ging es vorrangig um Themen, die junge Grafinger umtreiben, etwa eine aufkommende rechte Szene und die Zukunftsaussichten für junge Menschen. Knapp hundert Gäste drängten sich im engen Saal des Jig. Glück hatte, wer noch einen Sitzplatz ergatterte.
Walter Schmidtke hatte seinen Platz aus Bühnensicht rechts außen, im Jig präsentierte sich der Bayernpartei-Kandidat aber bürgerlich mittig. Der 57-Jährige ist in der Politik ein neues Gesicht, in Grafing kennt man den Ingenieur aber, hier wohnt er seit 40 Jahren, ein Vater zweier Kinder und Feuerwehrler. Den Wohnungsmangel - gerade unter jungen Einheimischen - bezeichnet er als eines seiner wichtigsten Themen, das wolle er angehen. Als Option sehe er "den kommunalen Wohnungsbau, dass man Sozialwohnungen hinstellt".
Neben ihm hatte FDP-Kandidat Claus Eimer seinen Platz, 51 Jahre alt und seit zehn Jahren in Grafing daheim, wo er seine Frau kennen und lieben lernte. Auf der Bühne zeigte sich Eimer aber angriffslustig. In vielen Bereichen passiere ihm in Grafing zu wenig, sagte er. Es gebe Chancen, "aber die werden nicht genutzt". Nicht die einzige Verbalattacke, die in Richtung Amtsinhaberin zielte.
Obermayr ist die einzige Bürgermeisterin im ganzen Landkreis Ebersberg
Obermayr ist die einzige Bürgermeisterin im Landkreis Ebersberg mit seinen 21 Kommunen. Auch auf dem Podium verhinderte sie eine reine Männerrunde. Sie saß am linken Rand, in Schwarz, doch ohne Anlass zur Trauermiene. Die Amtsinhaberin hatte stets hintergründiges Wissen parat, nicht wenige Kritikpunkte konnte sie entkräften oder differenziert einordnen. Sie erklärte ihre Bestürzung über die jüngsten Entwicklungen einer rechten Szene in Grafing, klärte aber auch auf, dass entgegen mancher Wahrnehmung darauf reagiert wurde. Etwa durch ein Krisengespräch im Rathaus mit Polizei, Jugendpfleger und Jugendlichen, erst vor kurzem sei ähnliches in Ebersberg geschehen.
Eng mit Obermayr zusammen arbeitet sonst Christian Bauer, Grafings Stadtkämmerer. Nun aber saßen hier zwei Konkurrenten nebeneinander. Bauer ist der Mann, in den die CSU ihre Hoffnungen setzt. Ein Grafinger durch und durch, seit 25 Jahren verheiratet und Vater dreier Kinder. Seine Vision: Bezahlbaren Wohnraum fördern, Gewerbe ansiedeln, Lebensraum für Junge schaffen, das strebe er an.
Im Zentrum des Quintetts saß SPD-Kandidat Christian Kerschner-Gehrling, der seit 16 Jahren "wieder" in Grafing lebt und lange in der Altenpflege gearbeitet hat. Im Jig zeigte er aber, dass er auch mit den jungen Themen etwas anfangen kann. Auf die Frage eines 19-jährigen Grafingers, der zur Zeit eine Wohnung und eine Lehrstelle sucht, hielt der 48-Jährige ein Plädoyer für Wohnungsgenossenschaftsmodelle - und das Schaffen von Arbeitsplätzen vor Ort.
Kontrovers wurde es bei der Frage zur Zukunft zweier zentraler Grafinger Einrichtungen: Die Stadthalle zwischen Volksfestplatz und Gymnasium. Und das Jugendzentrum. Obermayrs Widersacher erklärten jeweils, dass sie einen Abriss der Stadthalle und den Neubau eines Bürgerhauses für richtig hielten. FDP-Kandidat Eimer zog in Erwägung, ein Gebäude zu bauen, das mit einem teilbaren Saal für verschieden große Events genutzt werden kann - und Heimat für ein neues Jig sein soll. Ähnlich das Ansinnen von SPD-Mann Kerschner-Gehrling, der sich ein "Kultur-, Bürger- und Jugendzentrum" wünscht. Beide Kandidaten sehen im Wertstoffhofareal potenziellen Baugrund. Schmidtke favorisiert einen Neubau des Bürgerhauses samt Jig an Ort und Stelle, jedenfalls "nicht irgendwo im Gewerbegebiet".
Was wollen die Betroffenen? Diese Frage stellte Moderator Rienth an die Veranstalter, worauf der erste Vorsitzende Keno Maierhofer auf die Bühne trat. Er erklärte, dass ein Umzug vorstellbar sei. Der Verein erhoffe sich aber, "keine wesentliche Verschlechterung" beim Standort. Es folgten jene zwei Varianten, die am weitesten auseinander liegen. FDP-Kandidat Eimer stellte seine Vision eines großen Zentrums für Kultur, Bildung und Bürgerleben vor, wo auch das Jig Platz haben solle. Den Abriss der alten Stadthalle vorausgesetzt. Woraufhin die Amtsinhaberin konterte. In diesem Gebäude "haben wir in Grafing bereits ein Bürgerhaus", man müsse die Stadthalle daher nun umbauen und besser nutzbar machen.