Musikfestival "Anybody Out There?" in Ebersberg:Alles anders

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Das Münchner Duo "Götz & Mildenberger" zeigte dem Ebersberger Publikum am Donnerstagabend, was Experimental ist. (Foto: Christian Endt)

Mit der Münchner Band "Götz & Mildenberger" hat am Donnerstag das dreitägige Festival "Anybody Out There?" im Ebersberger Alten Kino begonnen. Die Musik ist experimentell und grandios - genau wie das Konzept der Veranstaltung.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Wer am Donnerstagabend den Saal des Ebersberger Alten Kino betreten hat, stand als erstes vor einem Bett. Kein richtiges Bettgestell mit Lattenrost und Matratze. Dennoch machte das Konstrukt aus aneinandergeschobenen Plattformen, einer weichen Unterlage, Kissen und Decken einen solch gemütlichen Eindruck, dass es die Bezeichnung "Bett" aufrichtig verdient. Und so fläzten dort den gesamten Abend über zwei, drei Besucher, die Füße im Takt zur Musik der Münchner Band Götz & Mildenberger wippend, die das dreitätige Musikfestival "Anybody Out There?" eröffneten.

Es war aber nicht nur das Bett, das die Veranstaltung an diesem Abend irgendwie anders wirken ließ als all die anderen Events im Alten Kino. Eigentlich fing es schon vor der Location an: Sitzpolster auf den Steinstufen, kleine Hocker und Tischchen mit Basilikumstock und Nussschälchen neben dem Aschenbecher darauf - es erinnerte mehr an den geselligen Außenbereich einer Großstadt-Bar als an den Eingang, der wohl für viele aus der Region typischerweise zu einer Bühne für Kabarett-Künstlern führt.

Bereits bei der Premiere von "Anybody Out There?" 2022 war das Foyer im Alten Kino kaum wiederzuerkennen - es hatte sich in eine Chill-Out-Area verwandelt. (Foto: Christian Endt)

Im Foyer führte sich der Leitfaden "Heute mal anders" fort: Es war kaum wiederzuerkennen, so sehr haben es die Veranstalter des Musikfestivals - Lenny Bachmeier und Violetta Ditterich - umgestaltet. Da stand ein DJ-Pult mit zwei Plattenspielern, an dem am Donnerstag DJ Schniko mit einer beeindruckenden Bandbreite an Platten den Abend einläutete. Es gab Drinks, gedämpftes Licht und Lichterketten, Mandala-Tücher an den Wänden und Teppiche auf dem Boden - ein Chill-Out-Bereich, der keine Wünsche offen ließ.

Und ein Stockwerk höher, im Alten-Kino-Saal? Dort haben die Veranstalter Tische und Stühle zugunsten von Stehtischen und Barhockern ausgetauscht, auf der einen Seite garantierte das besagte Bett eine außerordentlich gemütliche Sicht auf die Bühne, auf der anderen eine weiße Couch. Die Nebelmaschine tat ihr Bestes, um eine wohlig-verruchte Atmosphäre zu schaffen, und perfektionierte mit der Lichtgestaltung die Inszenierung einer lauen Sommernacht im Freien: Grün-rot-blaues Licht auf der Bühne und an der Saaldecke, letzteres ergänzten leuchtende grüne Punkte. Es sah aus wie ein Sternenhimmel mit einem Hauch von Nordlichtern.

Als dann Götz & Mildenberger die Bühne übernahmen und Vogelgezwitscher aus den Boxen drang, passte der Gesamteindruck von all diesen Elementen so gut zueinander - so viele perfekte Matches würde sich so manch ein Tinder-Nutzer nicht einmal im Traum auszumalen wünschen.

Götz & Mildenberger schaffen aus Lauten und Geräuschen eine Symbiose

Passende Worte für die Beschreibung der Musik von Götz & Mildenberger zu finden ist gar nicht so leicht. Es ist eine Mischung aus Experimental, Jazz und Electronic. Noch mehr: Sie schaffen es, Laute und Geräusche zu einer solchen Symbiose zu vereinen, dass daraus Musik entsteht - ähnlich wie dies auch die Industrial-Männer von Einstürzende Neubauten oder der Rapper und Produzent Tua bewerkstelligen. Es gibt ein Video von Tua, in dem er seine Kunst folgendermaßen beschreibt: "Ich bin (...) Musik-Ton-Chirurg und ich arbeite mit den Geräuschen, die mich umgeben." Das trifft auch auf das Eröffnungsduo von "Anybody Out There?" zu. Und doch auf ganz andere und eigene Weise.

Da harmonieren auf einmal das Knistern einer roten dicken Plastikfolie mit Drums, Synthesizer, Posaune und einem Schrei ins Mikrofon, der auch aus dem Hals eines exotischen Vogels hätte stammen können. Wer eine Standard-Setliste mit gewohntem Instrumenten-Gesang-Arrangement erwartet, der wird nicht glücklich werden. Wer sich hingegen einlässt auf eine experimentelle Darbietung, auf neue Hörgewohnheiten und ein improvisiertes Zusammenspiel unterschiedlichster Klänge, dem wird ein Konzert des Duos wie das am Donnerstagabend als ein Live-Highlight in Erinnerung bleiben.

Die Veranstalter möchten Neues ausprobieren

"Das war bestimmt der experimentellste Abend des Festivals", sagte Veranstalterin Violetta Ditterich nach dem Konzert. Aber genau das wollen sie und Lenny Bachmeier: Neues ausprobieren. Dinge mal anders machen, indem man mit Gewohnheiten bricht. Vor allem jungen Leuten zeigen, dass Musik so viel mehr als Spotify oder Apple Music und das neuestes Bose-Over-Ear-Modell sein kann - nämlich live. Und das verspricht ein K.O. für Langeweile.

Das Festival ist das erste seiner Art. Wenn es nach Ditterich und Bachmeier geht, soll es dabei jedoch nicht bleiben. Auf dem Messenger-Dienst Telegram haben sie einen Kanal eröffnet, auf dem sie im Vorfeld der Veranstaltung über die Musikerinnen und Musiker informiert haben - auch dieser Weg der Promotion ist neu. Durch die Plattform wollen sie Interessierte, egal ob jung oder alt oder irgendetwas dazwischen, vernetzen. 118 Mitglieder zählte der Kanal am Freitagnachmittag bereits, wenige Stunden zuvor waren es noch gut zehn weniger. Das Experiment der beiden Veranstalter scheint aufzugehen.

Das Festival "Anybody Out There?" endet am Samstag, 11. Juni, mit Techno & Downtempo von "Martha van Straaten" und "Afar" sowie dem DJ "The Monkey Funky". Special-Tickets und Infos gibt es auf dem Telegram-Kanal unter https://t.me/+bWiASsoSiCdkYTQy , Karten für zehn Euro sind auch online unter www.kultur-in-ebersberg.de oder an der Abendkasse erhältlich. Einlass ist um 19.30 Uhr, Beginn um 20 Uhr.

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