Protest in München:Tausende bei Demo der "Unzufriedenen" auf der Theresienwiese

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Bayernflagge und Plakate mit Kritik an der Bundespolitik auf der Münchner Theresienwiese. (Foto: Leonhard Simon)

Bis zu 20 000 Menschen haben sich in München eingefunden, da schallen die ersten "Lügenpresse"-Rufe über den Platz. Die Veranstalter wollen nicht als Demo "gegen rechts" verstanden werden. Politiker dürfen nicht reden - auch Hubert Aiwanger nicht.

Von Tom Soyer

Eine eindrucksvolle Bus-Armada ist unter der Bavaria zu sehen, und eine fünfstellige Besucherzahl: Die gut zweistündige Demonstration des bayerischen Mittelstands-Zivilbündnisses "Hand in Hand für unser Land" am Sonntag auf der Münchner Theresienwiese fordert eine bessere, weniger bürokratische Mittelstandspolitik in Berlin. Es ist eine Versammlung der Unzufriedenen - "Landwirte, Mittelständler, Rentner, Handwerker, Mütter", wie Markus Huber sie angekündigt hatte, einer der Organisatoren. "Die Politik" darf diesmal nur zuhören, auch die zwei anwesenden bayerischen Minister Michaela Kaniber (CSU) und Hubert Aiwanger (FW).

Angemeldet hatten die Veranstalter 35 000 bis 50 000 Teilnehmer. Auch wenn sich's in der Münchner Sonne schließlich gut demonstrieren lässt: Wegen des Bahnstreiks und des hervorragenden Skiwetters folgten dem Demo-Aufruf nicht ganz so viele Menschen. Die Polizei schätzt "in der Spitze etwa 10 000 Teilnehmer", die Veranstalter gehen von 20 000 aus.

Laute "Lügenpresse"-Rufe schallen aus der riesigen Menge, als die beiden Veranstalter - der Kran-Unternehmer Markus Huber aus Bad Feilnbach und Landwirt Franz Huber aus der Nähe von Straubing - kundtun, dass der Fernsehsender "ntv" zwar über diese Demo berichte, aber unter völlig falscher Einordnung: "Demo gegen rechts - der Mittelstand steht auf" heiße es dort. Das ärgert die Veranstalter: Sie betonen immer wieder, weder links noch rechts zu sein - und zusammenzukommen, weil sie die gegenwärtige Mittelstandspolitik kritisieren. Allein darauf ziele der Protest auf der Theresienwiese, politisch einordnen lassen wollen sich die zehn Redner alle nicht, sie betonen, keiner Partei anzugehören - und sie fassen ihre Forderungen in deutlich bairisch artikulierte Worte.

Nicht das einzige Plakat, auf dem ein Ende der Ampel-Koalition gefordert wird. (Foto: Leonhard Simon)
Zahlreiche Menschen sind dem Demo-Aufruf gefolgt, trotz Bahnstreiks und schönsten Wetters. (Foto: Tom Soyer)
Ein Protestfahrzeug zu Füßen der Bavaria. (Foto: Tom Soyer)

Unter Applaus und geschickt in einem Atemzug genannt, damit keine Parteivorlieben geäußert werden können, werden begrüßt: Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat ein ausführliches Schreiben geschickt und kommt nicht persönlich. Das kann daran liegen, dass allen schon vorab bekannt war, dass sie keine Redezeit auf der Theresienwiese bekommen: "Wir haben keine Lust mehr auf die üblichen Wahlversprechen der Politiker", sagte Organisator Markus Huber vor der Demo: "Sie können gerne kommen, aber dieses Mal sind sie es, die zuhören."

Bei Bauernprotesten lässt sich Hubert Aiwanger gerne blicken. Warum nicht auch einmal in Markt Schwaben oder Rott am Inn? (Foto: Leonhard Simon)
Einige waren doch mit Traktoren zur Kundgebung gekommen, noch mehr mit Reisebussen - schließlich ist noch Bahnstreik. (Foto: Leonhard Simon)

Zu hören bekommen sie heftige Klagen über die zu hohe Steuerlast, über eine erdrosselnde Bürokratie in allen Branchen und über eine Bundespolitik, welche den fleißig Steuern zahlenden Mittelstand zu sehr hemme und das Geld teils auch zu sehr für Sozialleistungen ausgebe. Die Veranstalter bitten, keine "verbotenen Ampel-Galgen-Plakate" zu zeigen, aber deutliche Sprüche auf Transparenten gibt es auch ohne. Kleine Auswahl: "Grün + Rot ist unser Tod", "Deutschlands größte Schande: Scholz und seine Bande", "Özdemir, mir graut vor Dir", "Hört auf, Klimagesetze zu befolgen von Leuten, die mit Privatjets um die Welt fliegen", "Bauer sucht fähige Regierung".

Die Versammlung bestreitet ein Bündnis aus Mittelständlern, Landwirten und verschiedenen Gewerken. Drei Sprecher verschiedener Bauern-Vereinigungen (Bauernverband BBV, Landwirtschaft schafft Verbindung LSV, Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM) teilen sich die Redezeit in seltener Eintracht, um auf die "Auflagenflut der Bürokratie" hinzuweisen. Robert Habeck sei zwar als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein "nicht einmal schlecht" gewesen, urteilt etwa Johannes Pfaller (BDM), nun als Bundesminister sei er aber "komplett überfordert", wie die übrige Regierung auch. Alles werde überreguliert. "In Indien ist die Kuh heilig - bei uns ist sie ein Klimakiller!", ruft Pfaller empört und hält das für gefährliche Dekadenz: "Wenn wir so denken, können wir zusperren."

Anton Steinbacher geißelt am Mikrofon als Zahnarzt im Ruhestand "die Katastrophe im Gesundheitswesen". Auch da seien Bürokratisierung und Mangelverwaltung schuld, dass die medizinische Versorgung im ländlichen Raum immer schlechter werde. "Wir geben 20 Millionen Euro für Radwege in Peru, und bei uns geraten immer mehr Kliniken im ländlichen Raum in Schieflage, da kann man sich nur noch den Kopf halten." Zudem fordere er als Rentner die ersten 2000 Euro der Rente steuerfrei, und "ein Ende der Doppelbesteuerung der Rente". Ihm ist der Applaus der Menge dafür ebenso sicher wie Friseurmeisterin Sofia-Marie Heis für ihre Kritik an der "unsozialen, familienfeindlichen Politik der Bundesregierung". Mehr als 70 000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren fehlten in Bayern. "Und das nicht erst seit gestern!"

Lkw-Maut und teures Tanken sind ebenfalls Thema

Die Lkw-Maut als Belastung und das teure Tanken mit der CO₂-Steuer nimmt Fuhrunternehmer Thomas Dettendorfer aus Nußdorf ins Visier. Sieben Milliarden Euro habe der Staat bereits mit der Lkw-Maut eingenommen, dennoch seien "die Straßen marode". Das gehe nicht. "Wenn es die Regierung schon schafft, Luft zu besteuern, dann soll sie die CO₂-Steuer wieder in Luft auflösen", und die Lkw-Maut zurücknehmen. "Ich kann den Verantwortlichen nur empfehlen, unsere Interessen in Berlin durchzusetzen; weil sonst mach ma's selber!"

Mehr Freiheit von Verbot und Bürokratie fordert auch Münchens Obermeister der Metzgerinnung, Andreas Gassner. Der warnt gar davor, dass Verbote durch Auslandsimporte umgangen würden. "Es konn doch net sei, dass d' Schweinshaxn aus China kummt! Des miassn mia verhindern!" Und in Richtung Berlin fügt er hinzu: "Wer nur eine Verbotspolitik betreibt, ist für mich kein Demokrat."

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