Versöhnungskirche Dachau:"Ich bin nicht gekommen, um nach vier Jahren wieder zu gehen"

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Frank Schleicher ist Diakon an der Versöhnungskirche. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die evangelische Landeskirche will die Diakonstelle von Frank Schleicher an der Dachauer Versöhnungskirche streichen.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Der Diakon Frank Schleicher setzt sich an der Dachauer Versöhnungskirche nachhaltig gegen Rechtsextremismus ein. Allein zwischen den Lockdowns führte er auf Geheiß der Jugendgerichtshilfe 30 Jugendliche nach rassistischen oder antisemitischen Ausfällen einzeln durch die Dachauer KZ-Gedenkstätte, um sie zu sensibilisieren. Für diese Besuche arbeitet Schleicher gerade an einem pädagogischen Konzept. Dieses Engagement jedoch ist nun in Gefahr. Nach einem Bericht des Evangelischen Pressediensts (epd) wird die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) die Stelle des Diakons Ende 2023 streichen, weil das Geld knapp geworden ist. Auch andere Projekte der Versöhnungskirche sind dadurch gefährdet.

In der Versöhnungskirche macht man sich nun große Sorgen, Pfarrer Björn Mensing bezeichnet die drohenden Maßnahmen als "absolut einschneidend". Diakon Schleicher bewältigt eine Fülle an Aufgaben. Er gibt Gruppenführungen, leitet Projekte, hält Kontakt zu Zeitzeugen, sitzt an runden Tischen und behält die Finanzen der Versöhnungskirche im Blick. Schleicher selbst sagt über die Situation: "Ich bin nicht gekommen, um nach vier Jahren wieder zu gehen. Ich hoffe, dass sich eine Möglichkeit finden wird, damit ich mein Engagement fortsetzen kann."

Kritik an der ELKB kommt vom Landtagsvizepräsidenten Karl Freller (CSU), der die Stiftung Bayerische Gedenkstätten leitet. Dass die Landeskirche "ausgerechnet an dieser zentralen Stelle" einsparen will, hält Freller für "extrem bedauerlich". Rechtsextreme Haltungen in der Gesellschaft nähmen schließlich zu. Seelsorger seien für die Gedenkstättenbesucher enorm wichtig, weil sie Fragen nach Schuld, Sühne und Gott beantworten könnten.

Die Versöhnungskirche, die 1967 auf Initiative von überlebenden Häftlingen errichtet wurde, ist maßgeblich angewiesen auf das Geld der ELKB und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der das Gotteshaus auf dem Areal der Gedenkstätte gehört. Beide Organisationen müssen massiv sparen. Die Landeskirche trägt die Kosten für die zwei Vollzeitstellen von Pfarrer Mensing und Diakon Schleicher. Letztere will sie sich ab 2024 nicht mehr leisten.

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland will bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent der Kosten für die Versöhnungskirche einsparen - nach aktuellen Zahlen 24 000 Euro im Jahr. Die Teilzeitstelle der Team-Assistentin könnte reduziert und die Mietwohnung für die Freiwilligen der "Aktion Sühnezeichen" gekündigt werden. Die Organisation schickt seit 1979 Freiwillige aus aller Welt nach Dachau, um die Versöhnungskirche zu unterstützen. Die Betreuung der Freiwilligen übernimmt der Diakon. Dachau, so befürchtet Mensing nun, könnte als Einsatzort für die Freiwilligen künftig infrage stehen. In Mitleidenschaft könnte zudem die Initiative "Nie wieder! - Erinnerungstag im deutschen Fußball" geraten, die 2004 in der Versöhnungskirche gegründet wurde und große Strahlkraft im Kampf gegen Rassismus in Fußballstadien besitzt.

Auch sie liegt in den Händen des Diakons. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Der Landessynode der ELKB, die Ende März tagt, liegt laut epd ein Antrag auf Verstetigung der Diakonenstelle vor, den der Holocaust-Überlebende Walter Joelsen unterzeichnet hat. Zudem berichtet Mensing, dass mehrere Synodale sich gegen die Stellenstreichung positioniert hätten. Die Mittel aus der Stiftung der Versöhnungskirche reichten nur, um die Stelle für zwei Jahre zu retten, sagt Mensing. Eine Option könnte sein, aktiv auf Bürger zuzugehen und sie um Spenden oder Nachlässe zu bitten. Die Versöhnungskirche will alles dafür tun, um ihrer Erinnerungsarbeit uneingeschränkt nachgehen zu können.

© SZ vom 20.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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