Gesundheitsversorgung:Drei neue Kinderarztpraxen für den Landkreis

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Zwei neue Ärztinnen für den Landkreis: Andrea Nestler (links) eröffnet die Kinderarztpraxen in Karlsfeld und Markt Indersdorf, Cordula Ambros-Plabst (rechts) eine Praxis in Odelzhausen. (Foto: oh)

Weil die Kassenärztliche Vereinigung den Stellenschlüssel geändert hat, kann die medizinische Versorgung im bislang schlecht versorgten Dachauer Umland verbessert werden. Davon profitieren vor allem kleine Patienten in Odelzhausen und Markt Indersdorf, aber auch in Karlsfeld

Von Benjamin Emonts, Markt Indersdorf

Gute Nachrichten für kleine Patienten und ihre Eltern aus dem Landkreis: In Karlsfeld, Markt Indersdorf und Odelzhausen sollen voraussichtlich noch im September drei neue Kinderarztpraxen eröffnen, wie am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Indersdorf verkündet wurde. Die jeweiligen Stellen hat die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) demnach bereits vergeben, die Räumlichkeiten für die Praxen stehen bereit. Als großen Gewinn bewerteten die Politiker und Gesundheitsexperten das neue Angebot speziell für das bisher unterversorgte Dachauer Umland. "Dies ist eine hervorragende Neuigkeit für die Familien in unserer Gemeinde und im ganzen westlichen Landkreis", sagte der Odelzhausener Bürgermeister Markus Trinkl (parteifrei).

Trinkl muss es wissen, schließlich, so erzählte er auf dem Pressetermin, habe er selbst eine Familie mit drei kleinen Kindern, das jüngste erst acht Monate alt. Die nächstgelegene Kinderarztpraxis sei 15 bis 20 Kilometer von seinem Heimatort Odelzhausen entfernt, was eine "große Fahrerei und Herausforderung" für die Familien darstelle. Trinkl und sein Indersdorfer Kollege Franz Obesser (CSU) wirkten am Donnerstag also glaubhaft glücklich, als sie mehrfach betonten, dass die neue Praxen eine "tolle Nachricht" und ein "wichtiger Schritt" für die Familien seien.

Die Nachricht wirkt umso positiver, weil noch im vergangenen Herbst an neue Kinderarztpraxen im Landkreis gar nicht zu denken war. Nach den Berechnungen der KVB galt der Landkreis als überversorgt mit Kinderärzten. Zum Jahresbeginn allerdings änderte die KVB dann ihren Bedarfsschlüssel: Ein Kinderarzt in Dachau muss seither nicht mehr an die 3900 Kinder, sondern "nur" noch etwa 2900 Kinder versorgen. Der Versorgungsgrad bei Kinderärzten sank damit von den offiziell berechneten rund 120 Prozent Überversorgung auf 80,5 Prozent. Daraus ergaben sich die drei neuen Niederlassungsmöglichkeiten für Kinderärzte im Landkreis.

Schon damals, als die Nachricht verkündet wurde, hatten sich Gesundheitsexperten wie Annette Eichhorn-Wiegand von der Gesundheitsregion plus Dachau für eine bessere Verteilung der Praxen über den Landkreis ausgesprochen. Bisher nämlich kamen auf die etwa 27 000 Landkreisbewohner unter 18 Jahren insgesamt acht Kinder- und Jugendärzte, von denen sechs in Dachau und zwei in Karlsfeld angesiedelt sind. Das Dachauer Hinterland ging gänzlich leer aus.

Dass nun Odelzhausen und Markt Indersdorf den Zuschlag bekommen haben, wurde am Donnerstag von allen Seiten als positiv bewertet. Der Dachauer Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege, Bernhard Seidenath (CSU), sprach von einer "erfreulichen Nachricht" für den gesamten Landkreis, der einer der geburtenstärksten in ganz Bayern sei. "Gerade zu den neuen Kinderärzten in Indersdorf und Odelzhausen wird dies die Fahrzeit enorm verkürzen und somit die Versorgung verbessern", sagte er. Annette Eichhorn-Wiegand von der Gesundheitsregion plus freute sich über einen "entscheidenden Schritt" hin zu einer besseren kinderärztlichen Versorgung. Es sei gut, dass nun zwei im nördlichen Teil des Landkreises gelegene Gemeinden, "die stark wachsen, stärker gefördert werden". Dass Karlsfeld allerdings eine der drei Praxen bekommt, bezeichnete sie als "Wermutstropfen" für das Ziel, eine bessere Verteilung und eine "optimale wohnortnahe Versorgung zu erreichen". Der Karlsfelder Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) indes betonte, dass auch seine Gemeinde wegen der steigenden Kinderzahlen einen dringenden Bedarf habe.

Die Suche nach Ärzten, die sich auf dem Land niederlassen wollen, gestaltet sich allerdings oft schwierig. Die Bürgermeister berichten einhellig, dass sie sofort zum Telefonhörer gegriffen hätten, um nach geeigneten Kandidaten zu suchen - offenbar zunächst ohne Erfolg. Wie sich das Personal nun letztlich finden ließ, ist nicht bekannt. Den Zuschlag der KVB für die Praxis im Karlsfelder vital Center und eine Filialpraxis in Markt Indersdorf hat jedenfalls Andrea Nestler bekommen, die selbst vier junge Töchter hat und seit elf Jahren als Kinderärztin arbeitet. Nestler hat an der Berliner Charité studiert und ist mit ihrer Familie 2008 nach Bayern gekommen, wo sie im Klinikum Schwabing und in Praxen im Großraum München tätig war. In ihrer Praxis in Markt Indersdorf, die bei der Apotheke im Gewerbegebiet Platz finden soll, wird der im Ort bereits bekannte Rüdiger Wiß praktizieren. Nestler, so kündigt sie an, will eine Jugendsprechstunde einführen und viel Wert auf Prävention und Entwicklungsförderung legen. "Wir werden sehr viel Zeit und Qualität investieren."

Die neue Praxis im Ärztehaus im Odelzhausener Ortszentrum eröffnet Cordula Ambros-Plabst. Sie ist im Landkreis Fürstenfeldbruck aufgewachsen, hat zwei junge Kinder und wohnt zehn Minuten von Odelzhausen entfernt. Nach ihrem Studium an der TU München arbeitete sie im Klinikum Landshut und in der Kinderklinik in Schwabing. Zuletzt verbrachte sie zwei Jahre in Kinderarztpraxen in Olching und Planegg. Ihr sei wichtig, die Familien und ihre Kinder von der Geburt an bis zum 18. Geburtstag zu begleiten und ein Ansprechpartner zu sein, sagte sie. "Ich freue mich, für die Kinder da zu sein."

Schließlich stand die Frage im Raum, ob nun auch der kinderärztliche Notdienst im Landkreis wieder aufgenommen werden kann. Er war im Oktober wegen Personalmangels eingestellt worden, wodurch Eltern im Notfall ihre Kinder bis nach München bringen müssen. Seidenath sagte: "Er lebt noch nicht wieder auf." Die beiden Ärztinnen aber kündigten Gespräche mit den Kollegen an. Zumindest die Chancen auf eine Wiederbelebung steigen somit.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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