Rechtes Gedankengut:Das braune Raunen

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Der Freiraum ist schon oft Ziel von rechtsextremen Übergriffen gewesen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Hinter den rassistischen Aufklebern und Nazi-Schmierereien im Raum Dachau steckt eine perfide Strategie. Das Ziel: die Zivilgesellschaft einzuschüchtern und den Diskurs nach rechts zu verschieben.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Das Jahr 2020 war noch keine zwei Wochen alt, als am Erdweger Bahnhof die Parolen auftauchten. "Hitler war der Beste", stand da zum Beispiel. Im April brachten Unbekannte 40 Aufkleber der rechtsextremen "Identitären Bewegung" in der Dachauer Altstadt an, unter anderem am Büro der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Walter-Rosenheimer in der Brucker Straße. Zuletzt taggte jemand Aufkleber des neu-rechten Netzwerkes "Ein Prozent" im Bereich Dachauer Bahnhof, Frühlingstraße und Schleißheimer Straße. Darauf standen Sprüche wie "Deutschland ist bunt genug" oder eine Aufforderung an arabisch-sprechende Menschen, "nach Hause" zurückzukehren.

Unbekannte aus dem mutmaßlich rechtsextremen Spektrum nutzen exponierte Orte wie Bahnhöfe, Bushaltestellen oder Litfaßsäulen, um für ihr völkisches, rassistisches oder antisemitisches Gedankengut zu werben. Die eingangs genannten und viele weitere rechte Sticker und Schmierereien im Landkreis Dachau hat die "Assoziation Autonomer Umtriebe Dachau", kurz AAUD, in einer Chronik für das Jahr 2020 dokumentiert. Die Gruppe, die im antifaschistischen Bereich aktiv ist, dokumentiert derartige Vorfälle seit 2004. "In den vergangenen drei Jahren ist in der Stadt Dachau eine Häufung eines speziellen Spektrums zu beobachten, wobei sich im Zuge des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks die Grenzen des Sag- und Machbaren verschoben haben und die extreme Rechte dadurch auch selbstbewusster auftritt", so die AAUD.

Gezielte Provokationen

Ziel der Provokationen sind oft Vereine, Gruppen oder Wahlplakate von Politkern, die sich im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus öffentlich engagieren. Der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung erstattete vor Kurzem Anzeige gegen unbekannt, weil ein Plakat der eigenen Aktion "Für eine Zeit Dachauer" an einer Litfaßsäule überklebt wurde. Auf den Aufklebern wird für das neue Album eines Neonazi-Rappers geworben. Darauf ist auch das Logo der Kleinpartei "Der III. Weg" zu sehen. Nach Angaben des Verfassungsschutzes agitiert die Partei ausländerfeindlich, antisemitisch und revisionistisch. Die Brucker Kriminalpolizei ermittelt in dem aktuellen Fall. Die Ermittlungen gestalteten sich allerdings schwierig, so die Kripo. Die Aufkleber könnten "über die Homepage der rechtsextremen Gruppierung "Der III. Weg" heruntergeladen werden". Das Problem: Die Nutzerdaten werden nicht gespeichert. Andrea Heller vom Förderverein sagt ganz allgemein, die Hassparolen, welche immer wieder in sozialen Medien Gehör finden, würden in die Realität überschwappen. Das Gefährliche sei, dass diejenigen, die die Aufkleber oder Schmiererein anbringen, "den Frust und die Angst der Leute in der Corona-Krise ausnutzen".

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Sind ein paar rechte Schmierereien und Aufkleber wirklich so schlimm? Leider ja, denn rassistische Provokationen und Verschwörungsmythen setzen sich schnell fest.

Kommentar von Thomas Radlmaier

Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord halten sich die Fallzahlen im Landkreis Dachau gleichwohl "auf einem niedrigen Bereich". Ein Polizeisprecher berichtet, im Jahr 2020 hätten unbekannte Täter "einige wenige Hakenkreuze und mehrere Aufkleber mit ausländerfeindlichem und rassistischem Inhalt" in der Öffentlichkeit angebracht. Die Aufkleber hingen demnach in einer Schule in Markt Indersdorf sowie auf dem Weg von der Schule zum Bahnhof. Genaue Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik lägen noch nicht vor, so der Polizeisprecher, "jedoch bewegen sich diese tendenziell auf dem Niveau der Vorjahre".

Hohe Dunkelziffer

Während die polizeibekannten Fälle im Landkreis überschaubar sind, dürfte die Dunkelziffer viel höher sein. Das zeigt schon allein die AAUD-Chronik. Es kommt nur selten zu Anzeigen. Zumal die Aussichten, die Täter zu fassen, sehr schlecht sind. Das ist auch ein Grund, weshalb die Mitglieder des Freiraum e. V. diesbezüglich keine Anzeigen mehr erstatten. Das selbstverwaltete Jugendzentrum ist immer wieder von rechten Übergriffen betroffen. Vor einigen Jahren lag im Vereinsbriefkasten ein Schweineherz mit der Botschaft "Letzte Warnung". Die Täter sind bis heute unbekannt. Wenn Aufkleber oder Schmierereien auftauchen, dokumentieren diese die Freiraum-Mitglieder und entfernen sie. "Das mit den Anzeigen haben wir aufgegeben, weil eh nichts dabei rauskommt", sagt Sprecher Fabian Handfest. Bei der Polizei spüre er "keinerlei Aufklärungswillen".

Handfest hat beobachtet, dass rechte Aufkleber derzeit vor allem verstärkt in der Schleißheimer Straße, Frühlingstraße und am Bahnhof auftauchen. Auch beim runden Tisch gegen Rassismus registriert man eine Zunahme rechter Sticker und Schmierereien im Landkreis. Wenn Mitglieder des runden Tisches zum Beispiel Aufkleber entdecken, würden sie diese bei den Gemeinden oder bei der Bahn melden, sagt Sprecher Peter Heller. Das sei wichtig, damit diese "Propaganda" nicht ewig stehen bleibe. Schließlich handele es sich um "Werbung für rechtsextreme Positionen". Das sei gefährlich. "Das Perfide an Werbung ist ja: Die geht in deinen Kopf und es ist dir gar nicht bewusst." Heller erkennt darin "die Arbeit des Zersetzens" und weist daraufhin, dass auffällig oft unter oder neben den Aufklebern und Schmierereien für die AfD geworben werde. "Das ist bezeichnend."

© SZ vom 11.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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