Die Autos stehen dicht gedrängt, an eine schnelle Weiterfahrt ist nicht zu denken. Es staut mal wieder. Ein Problem, das viele Autofahrer aus ihrem Pendleralltag in der Metropolregion München kennen. Doch auf den öffentlichen Nahverkehr wollen sie sich ebenso wenig verlassen - oder können es nicht, weil es keine passende Verbindung gibt. So kam die Idee einer Seilbahn sowohl in München als auch in Dachau ins Spiel: Über dem Stau schwebend könnte man dem Verkehrschaos entgehen. Schon seit einiger Zeit wird deshalb eine Trasse von Dachau über Karlsfeld nach Moosach diskutiert, es gibt bereits konkrete Untersuchungen. Doch nun möchte das Münchner Unternehmen Ottobahn in der Debatte mitmischen, mit Gondeln, die einer Schwebebahn gleichen.
Die Ottobahn setzt auf ein Schienensystem in Höhe von fünf bis zehn Metern, das vorwiegend über oder parallel zu bereits vorhandenen Straßen installiert wird. Darunter rollen autonom fahrende Kabinen, die mit eigenem Motor elektrisch angetrieben werden. Feste Haltepunkte soll es nicht geben, die Kabinen sollen an beliebiger Stelle auf den Boden herabfahren können. Mit Hilfe einer App könnte man sich also eine Kabine bestellen, in der laut Ottobahn-Geschäftsführer Marc Schindler schon ein Cappuccino oder abends die Einkäufe aus dem Supermarkt bereitstehen könnten, um dann individuell, ohne Zwischenstopps oder Umsteigen zum Ziel zu gelangen. Das Netz soll weit verzweigt sein und auch überregionale Verbindungen bieten, auf denen Höchstgeschwindigkeiten von 250 Kilometern pro Stunde möglich wären. Schindler glaubt, dass in Dachau so "zusätzliche Transportkapazitäten geschaffen und damit die bestehende Infrastruktur nachhaltig entlastet" würde. Der Unternehmer stellt sich ein Netz innerhalb Dachaus und eine generelle Verbesserung der Anbindung im Münchner Norden vor. Auch eine Erweiterung entlang der A 8 nach Augsburg sei spannend, sagt er.
Der Landrat sieht Potenzial für eine Ottobahn in Dachau
Ob die Vision irgendwann Realität werden könnte? Darüber will sich Landrat Stefan Löwl (CSU) Ende November informieren. Gemeinsam mit den Geschäftsführern von MVV, MVG und S-Bahn werde er sich den Prototyp der Ottobahn, der in einer Halle im Süden Münchens seine Kreise dreht, ansehen. "Man schaut sich halt mal neue Technik an", erklärt Löwl. Konkretes Interesse habe er dem Unternehmen, das auf ihn zugekommen sei, jedoch bisher nicht ausgesprochen. "Alles Weitere kommt auf die Fachmeinung der ÖPNV-Experten an", so Löwl. Neben den Konditionen sei vor allem die rechtliche Zuständigkeit eine wichtige Frage, denn wie bei einer Seilbahn gibt es in Deutschland bisher noch keine entsprechenden Normen.
"Es hat alles seine Vor- und Nachteile", fasst Löwl zusammen. Potenzial für eine Ottobahn sieht er in Dachau aber durchaus: Man könne über kleinteiligere Projekte wie einen Innenstadtring oder eine Verbindung von Schulen und Bahnhof nachdenken. Da es Ottobahn-Kabinen nicht nur als Ein- oder Viersitzer mit individuellem Unterhaltungsprogramm, sondern auch als reine Cargo-Kapseln geben soll, wäre auch die Anbindung großer Unternehmen interessant. "Ich denke aber eher nicht, dass es für die Erschließung des ländlichen Bereichs geeignet ist", sagt Löwl. Denn damit sich der Bau der Trasse lohne, brauche man eine entsprechend hohe Fahrgastfrequenz - womit man wieder bei der in den bisherigen Untersuchungen ermittelten Seilbahn-Trasse wäre, die potenziell die meisten Fahrgäste hätte.
Florian Hartmann (SPD), Oberbürgermeister von Dachau, ist grundsätzlich offen für die neue Idee. "Wir müssen Systeme entwickeln, die nicht auf die bestehenden Verkehrsräume zurückgreifen. Darum sind grundsätzlich alle Alternativen, die auf eine neue Ebene zurückgreifen, sinnvoll", erklärt er. Man müsse deshalb - unabhängig vom Planungsfortschritt einer Seilbahn - vorerst parallel entwickeln und sich dann, wenn es um den tatsächlichen Bau gehe, für eine Variante entscheiden. "Der Vorteil einer Seilbahn ist vielleicht, dass es das System schon gibt. Aber es wird sicher interessant, wenn man das Fahrgefühl einer solchen Ottobahn dann tatsächlich testen kann", so Hartmann. Im Vergleich zu einer urbanen Seilbahn gibt er zu bedenken, dass die Trasse der Ottobahn mit ihren Stützen in geringerem Abstand im Stadtbild "massiver auffallen" würde. Ottobahn-Geschäftsführer Schindler sieht darin kein Problem: Die Vision sei nämlich, dass die gesamte Trasse begrünt und möglicherweise sogar begehbar sei - ähnlich des Highline-Parks in New York. Auf längere Sicht und bei entsprechender Frequenz könnte die Ottobahn Straßen vielleicht sogar ersetzen, jedenfalls aber würde sie für mehr Grün in der Stadt sorgen.
Im Kostenvergleich zur Seilbahn ist die Ottobahn immerhin klarer Sieger: Während die Seilbahn zwischen Dachau und Moosach laut den jüngsten Berechnungen der PTV Group 25 bis 30 Millionen Euro pro Kilometer kosten würde, gibt Schindler einen Kilometerpreis von nur fünf Millionen Euro an. Er sagt: "Klar befinden wir uns im Wettbewerb. Aber unser System sieht nur von Weitem so aus wie eine Seilbahn. Wir haben ganz andere Möglichkeiten und eine andere Technologie."