Comics:Strahlend in den Untergang

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Imposant und zwiespältig: der einäugige Gott Wotan. (Foto: P. Craig Russell/Cross Cult)

Der US-Zeichner P. Craig Russell hat Richard Wagners Weltendrama "Der Ring des Nibelungen" beeindruckend als Comic umgesetzt.

Von Jürgen Moises

Wie bringt man Götter, Drachen, mythische Naturwesen auf die Bühne, so dass es glaubhaft und nicht lächerlich wirkt? Vor dieser Aufgabe standen bisher alle Regisseure, die Richard Wagners "Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen inszeniert haben. In diesem Jahr wird das genauso wie im vergangenen Valentin Schwarz sein, der unter anderem aus dem "Rheingold" einen Jungen und aus dem Lindwurm einen alten Mann gemacht hat. Und der dafür 2022 viele Buhrufe bekam.

Auch Filmregisseure wie Fritz Lang und Uli Edel haben sich an den "Nibelungen" versucht. Langs knapp fünfstündiges Filmepos war 1924 die bis dahin teuerste deutsche Filmproduktion und weiß auch heute noch durch seine Licht-und-Schatten-Dramaturgie zu beeindrucken. Uli Edel machte 2004 aus dem Sagenstoff einen leicht verdaulichen TV-Fantasy-Zweiteiler, mit Benno Fürmann als Siegfried.

Was den Filmen fehlt, das ist Wagners Musik. Wobei man sagen muss, dass bei beiden nicht Wagners Opern-Tetralogie, sondern der Urstoff, das mittelhochdeutsche Nibelungenlied, die zentrale Vorlage war. Anders ist das beim Amerikaner P. Craig Russell und bei seiner Adaption, die sich ziemlich werkgetreu an Wagners Opern "Das Rheingold", "Die Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" und deren ersten Aufführungen in Bayreuth orientiert. Aber auch hier gibt es keine Musik. Denn seine auf einer Textfassung von Patrick Mason beruhende Adaption, die im Original in 2000 und 2001 in 14 Teilen erschien, ist ein Comic. Am 25. Januar kommt sie beim Ludwigsburger Cross-Cult-Verlag nun auf Deutsch heraus, gesammelt in einem dicken Band mit knapp 450 Seiten.

50 Jahre Erfahrung in der Comic-Szene: P. Craig Russell. (Foto: Michael Netzer)

Richard Wagners Meisterwerk, sein "opus summum" als Comic? Da dürfte so mancher Opern-Fan die Nase rümpfen. Aber gemach. P. Craig Russell ist nicht irgendwer, sondern gilt seit vielen Jahren selbst als Meister seines Fachs. Der amerikanische Zeichner ist seit 50 Jahren in der Comic-Szene und hat diese seit seinen Anfängen als Assistent des Marvel-Zeichners Dan Adkins in sämtlichen Facetten durchlaufen. Bekannt wurde er vor allem als Zeichner von "Killraven", " Doctor Strange", "Elric" und durch seine Serie "Fairy Tales of Oscar Wilde". Für Letztere bekam er den Eisner Award, die bedeutendste Auszeichnung der Comic-Branche. Auch für die "Nibelungen" gab es den Preis für die beste abgeschlossene Serie und für "Night Music" bereits in den Achtzigern mehrere Kirby Awards.

In der Serie "Night Music" waren übrigens neben Bearbeitungen von literarischen Stoffen auch schon die von Opernstoffen wie Richard Strauss' "Salome" oder Mozarts "Zauberflöte" enthalten. Und in einem Interview sagte Russell vor zwölf Jahren der LA Times, dass er die Kulturgeschichte von Odysseus über Wotan bis zu Superman als "Kontinuum" betrachtet. Dazu passt, dass sein filigraner Zeichenstil am Jugendstil oder auch Neo-Klassizismus und damit ebenfalls an der Vergangenheit andockt. In den Universen von Doctor Strange oder Batman führte das zu teils spannenden Brüchen. Gleichzeitig wirkt Doctor Strange als Zauberer aber auch wie ein neo-mythisches Wesen. Und vom mit Schwertern in einer postapokalyptischen Zukunft hantierenden Killraven ist es zu Siegfried ebenfalls nicht weit.

Blonder Held mit zerstörerischer Kraft: Siegfried im Kampf mit dem Drachen. (Foto: P. Craig Russell/Cross Cult)

Der begegnet einem im Comic als blonder und strahlender Held, ähnlich wie seine große Liebe, die göttliche Brünnhilde. Dass Siegfrieds unverbrüchlicher Heldenmut, seine Verachtung für alles Alte auch zerstörerische Seiten hat, wird trotzdem bald deutlich. Als einen natürlichen "Ahnvater der Algorithmenwelt von Silicon Valley" haben ihn zuletzt Alexander Kluge und Jonathan Meese in ihrem Buch "Schramme am Himmel. Nachrichten vom Helden Hagen" interpretiert. Alberich, der Nibelunge, Räuber des Rheingolds und Gegenspieler Wotans, ist dagegen von Beginn an eine hässliche Kreatur, die in ihrer gierigen Jagd nach dem verlorenen Ring wohl jeden Fan des Blockbusters "Herr der Ringe" sofort an Gollum erinnert. Und wenn Wotan als "Wanderer" mit Hut, Stab und Mantel umherstreift, hat man im Auge auch gleich Gandalf vor sich.

Von diesen Rheintöchtern ist es nicht weit zur Meerjungfrau Ariel. (Foto: P. Craig Russell/Cross Cult)

Die Rheintöchter erinnern in den von Lovern Kindzierski gemachten Koloraturen vielleicht doch etwas zu sehr an Ariel, die Meerjungfrau. Der einäugige Gott Wotan ist ein imposanter, zwiespältiger Hüne. Und so wie Russell Hagen, den bleichen Sohn Alberichs, im Bild in den Schatten oder in die Ecke rückt, ahnt man: Der Mann hat Böses vor. Was die Gesamtkomposition angeht, da arbeitet Wagner bekanntlich mit Leitmotiven. Russell macht das ähnlich, indem er Motive wie Licht, Wasser, das Zauberschwert Nothung oder den Baum, in dem es steckt, wiederholt und sie meist in "stillen", textlosen Sequenzen assoziativ ins Bild setzt. Zu dieser Kunst der Adaption gibt es auch einen Text von Russell im Anhang, wo er die Darstellung eines Gedankengangs von Wotan sowie eine Szene aus seiner Adaption von Leoncavallos Oper "Der Bajazzo" erläutert.

Auch einige Skizzen und Entwürfe finden sich dort. Man erfährt, wer für Brünnhilde und die Riesen Fasolt und Fafner die Modelle waren und erahnt, wie lange und intensiv Russell an seiner Adaption gearbeitet hat. Er selbst nennt sie sein "Opus Magnum", und es ist ohne Zweifel ein beeindruckendes Werk. Auch wenn die getragene Sprache die Lektüre zuweilen etwas langatmig macht und man sich manchmal einen "moderneren" Zugriff gewünscht hätte. Aber hier geht es wohl auch vorwiegend darum, ein junges Publikum an die mythische Sagenwelt und Opernwelt heranzuführen. Und ihm zu zeigen, wo die Superhelden-Blockbuster ihren Ursprung haben. In die Welt der Nibelungen ist der Comic auf jeden Fall eine sehr gute Einführung. Der Bayreuther "Ring", er möge kommen.

P. Craig Russell: Der Ring des Nibelungen , 448 S., Cross Cult, 49,99 Euro

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