Corona-Impfung:Gleiche Pflicht für alle

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Seit Oktober vergangenen Jahres leitet Hermann Sollfrank den Caritasverband in der Erzdiözese München und Freising. (Foto: Robert Haas)

Bei einer Beschränkung auf Pflegekräfte befürchtet Caritas-Direktor Hermann Sollfrank Kündigungen und Schließungen. Nach 100 Tagen im Amt fordert er Reformen, damit die "Corona-Krise nicht zur Sozialkrise wird".

Von Andrea Schlaier

Den Ehrgeiz, öffentlich Zeugnis abzulegen, was man in den ersten hundert Tagen des neuen Amts alles zuwege gebracht hat, leisten sich üblicherweise nur Politiker. Das ist Hermann Sollfrank nicht. Der neue Direktor des Caritasverbands München und Freising wählt diese Zeiteinheit, um sich als sozialpolitische Stimme zu Wort zu melden, mit dem Ziel, Themen für die Agenda der Regierenden aus der Praxis heraus zu setzen. Im Rücken hat der ehemalige Präsident der Katholischen Stiftungsfachhochschule München knapp 10 000 Beschäftigte in 350 Einrichtungen und Diensten und ist damit Vertreter des größten sozialen Arbeitgebers in München und Oberbayern. Angesichts "beginnender Verteilungskämpfe" sowohl was den Wohnraum als auch die steigende Armut angeht, fordert er politische Reformen auch, "dass die Corona-Krise nicht zur Sozialkrise wird".

Sollfrank springt bei der eigens anberaumten Pressekonferenz gleich in die Tagespolitik, verurteilt die Impfpflicht, die nur auf pflegende Beschäftigte ziele, als falsches Signal und fordert stattdessen gleiche Pflicht für alle. Andernfalls werde die Solidarität mit denen aufgekündigt, "die in den letzten Monaten alles gegeben haben". Er fürchte Kündigungen, die "in der letzten Konsequenz zu Teilschließungen von Angeboten führen". Mit erheblichem Personalausfall rechnet der Bildungswissenschaftler außerdem wegen zunehmender Quarantänefälle durch die Omikron-Variante - zumindest für Kontaktpersonen solle deshalb die Isolationszeit verantwortungsvoll verkürzt werden - dafür seien einheitliche Maßstäbe vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit vonnöten.

"Ausländer rein!"

Dem Arbeits- und Fachkräftemangel in allen Bereichen auch der Caritas ließe sich überdies nur mit entschiedenen Reformen der Berliner Ampel-Koalition beikommen. "Bezahlbarer Wohnraum ist hier eine Schlüsselthematik." Angemessene Gehälter auch. Die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte gehöre beschleunigt und deren Bildungs- und Berufsabschlüsse müssten akzeptiert, der Arbeitsmarkt stärker für Asylbewerber und Geflüchtete geöffnet werden. Sollfranks Maxime: "Ausländer rein!" Nur durch einen Paradigmenwechsel zu "einem modernen Einwanderungsland" seien auf der "Großbaustelle Rente" auch die Herausforderung einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft zu lösen.

Als der Direktor seine Ziele in der Caritas-Zentrale hinterm Hauptbahnhof formuliert, geben Mitarbeitende Essen an Bedürftige aus, die eine Tür weiter Schlange stehen. "Die soziale Kluft wächst, das sehen wir täglich", sagt Sollfrank. Er habe auch keinen "großen Plan zur Rettung der Nation" - aber "Thematiken politisch setzen", das könne sein Wohlfahrtsverband.

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