Nach Cannabis-Legalisierung:Münchner Staatsanwaltschaft muss Tausende Akten wälzen

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In Bayern müssten aktuell 29 000 Akten überprüft werden (Symbolfoto). (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die Behörde muss wegen des neuen Cannabis-Gesetzes zahlreiche Verfahren sichten und neu bewerten - 5500 davon in Papierform. Eine Person wurde bereits aus der JVA Stadelheim entlassen.

Von Susi Wimmer

Mit Inkrafttreten des neuen Cannabis-Gesetzes am Ostermontag hat die Bundesregierung auch der Justiz ein ziemlich dickes Ei ins Büro-Nest gelegt: Allein in München müssen 8600 Verfahren gesichtet und neu bewertet werden. Die Staatsanwaltschaft muss in jedem Einzelfall überprüfen, ob eventuell eine Amnestieregel in Kraft tritt. Die hat zur Folge, dass Haft- und Geldstrafen erlassen werden müssen, so die Urteile nicht der Neuregelung entsprechen. Eine Person jedenfalls dürfte sich gerade ziemlich high fühlen: Er oder sie wurde aufgrund der Novellierung aus der Justizvollzugsanstalt in Stadelheim entlassen.

Seit dem 1. April dürfen Konsumenten eine bestimmte Anzahl von Marihuana-Pflanzen ziehen, Besitz und Konsum der Droge ist in vorgegebenen Mengen erlaubt. Und alle Gras-Qualmer, gegen die aktuell Vollstreckungsmaßnahmen laufen, können sicher sein, dass die Justiz ihre Fälle überprüft.

Auch in München muss die Staatsanwaltschaft bereits abgeschlossene Verfahren durchblättern, um festzustellen, ob jemand nach dem neuen Gesetz zu Unrecht bestraft wurde. "Punktuell mögliche Entlastungen der Justiz werden durch umfangreiche Zusatzaufgaben aufgezehrt", sagt Oberstaatsanwältin Anne Leiding. 5500 von diesen 8600 Verfahren müssten "händisch" von der Vollstreckungsabteilung überprüft werden, das heißt, "wir müssen uns die Akte in Papierform holen und reinschauen".

Denn die Staatsanwaltschaft ist nicht nur Ermittlungs-, sondern auch Vollstreckungsbehörde. Das heißt, wenn ein Gericht etwa eine Freiheitsstrafe ausspricht, dann lädt die Staatsanwaltschaft zum Haftantritt und überwacht die Vollstreckung. Auch für die Entziehung der Fahrerlaubnis oder die Abwicklung von Verfahrenskosten ist die Staatsanwaltschaft zuständig.

Anne Leiding rechnet vor, dass für die händisch zu prüfenden Verfahren mindestens zehn Minuten Arbeitszeit zu veranschlagen sind, für den Rest etwa drei Minuten. Grob überschlagen ergeben sich 1070 Stunden Sichtungsarbeit, damit wäre ein Angestellter 26 Wochen lang beschäftigt, also ein halbes Jahr. Zusätzliches Personal steht der Vollstreckungsabteilung dafür nicht zur Verfügung.

Derweil kritisiert Bayerns Justizminister Georg Eisenreich weiterhin heftig die Teillegalisierung von Cannabis. Denn das Gesetz "sieht neue Ordnungswidrigkeiten und deutlich mehr Straftatbestände vor". Auf Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte käme ein hoher bürokratischer Aufwand zu.

Allein in Bayern müssten aktuell 29 000 Akten überprüft werden. Komplizierter werde es beispielsweise bei Tätern, die gleichzeitig wegen weiterhin strafbaren Verhaltens verurteilt wurden. Eisenreich: "In sogenannten Mischfällen müssen die Strafen von den Gerichten neu verhängt werden."

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