Fünf-Seen-Filmfestival:Kontrastreich wie das Leben

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"Ich wollte eben schon als Zwölfjähriger arbeiten", sagt Bildgestalter Benedict Neuenfels. Er stammt aus einer Theaterfamilie. (Foto: Peter Hartwig)

Benedict Neuenfels gilt als Alleskönner in der Branche. Warum der preisgekrönte Bildgestalter nicht Kameramann genannt werden will, erzählt er bei einer Begegnung in Starnberg.

Von Josef Grübl, Starnberg

Wie er da auf der Bank am See im Mondlicht sitzt, könnte er auch der Star seines eigenen Films sein. Soll es eine Doku übers Filmemachen werden? Ein Biopic über Bildkünstler? Eine pointenreiche Komödie? Oder doch ein finsterer Thriller? Wahrscheinlich von allem etwas, zumindest an diesem lauen Augustabend am Starnberger See: Benedict Neuenfels gilt in der deutschen Filmbranche als Alleskönner, er beherrscht Komödien wie Kriegsdramen, Krimis wie Künstlerbiografien, er dreht fürs Kino und fürs Fernsehen, hat Filme gemacht und Serien, mit großen Namen wie Maria Schrader, Dominik Graf oder Stefan Ruzowitzky. Als Kameramann mag er nicht bezeichnet werden, eher als Bildgestalter: "Das ist im deutschen Bürokratismus der einzige Ausdruck, der den Gestaltungsmoment im Titel hat", sagt er.

Das Gestalterische ist ihm wichtig, so auch bei seinem aktuellen Kinofilm "Ich bin dein Mensch", der an diesem Freiluftkinoabend im Seebad Starnberg auf dem Programm steht. Das Fünf-Seen-Filmfestival hat in den vergangenen Jahren viele seiner Filme gezeigt und ihn nun als Ehrengast eingeladen. Der 1966 in Bern geborene Neuenfels sei ein "virtuoser Geist im Sinne der Filmgestaltung und des Erzählens", attestierte ihm das Kuratorium des Deutschen Kamerapreises, den er bereits sieben Mal gewonnen hat. Er wurde mit Deutschen Film- und Fernsehpreisen, Romys und Adolf-Grimme-Preisen ausgezeichnet, für Filme wie "Liebesleben", "Styx" oder "Homevideo". Das von ihm gefilmte Holocaustdrama "Die Fälscher" gewann 2008 den Oscar als bester fremdsprachiger Film.

Eine seiner jüngsten Arbeiten: Der Film "Ich bin dein Mensch" mit Maren Eggert und Dan Stevens. (Foto: Christine Fenzl/Majestic)

"Ich bin dein Mensch" traut man ebenfalls eine Weltkarriere zu. Der Film erhielt bei der Berlinale einen Silbernen Bären und wurde in 80 Länder verkauft. Auch in Starnberg ist der Zuspruch groß, die Liegestühle sind alle besetzt. Der aus Berlin angereiste Gast sieht sich die ersten Minuten der Screwball Comedy an, in der eine Wissenschaftlerin mit einem Roboter in Menschengestalt anbandelt. Dann geht es auf die eingangs genannte Bank am See, hin und wieder hört man das Lachen des Publikums. Der Mittfünfziger zündet sich eine Zigarette an, dann fängt er an zu erzählen. Das macht er sehr gut, selbst technische Sachverhalte kann er in wenigen Sätzen erklären - vermutlich hat das auch mit seiner Lehrtätigkeit an deutschen Filmhochschulen zu tun. Er selbst studierte an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, von 1988 bis 1994. Angefangen hat er aber als Kameraassistent von Xaver Schwarzenberger, bereits als Teenager arbeitete er bei Kinohits wie "Otto - Der Film", "Momo" oder "Ödipussi" mit.

Es war Zufall, dass er zum Film gekommen sei, behauptet er: "Ich wollte eben schon als Zwölfjähriger arbeiten." Der Mann mit dem grauen Schnauzbart stammt aus einer Theaterfamilie, sein Vater Hans Neuenfels ist Regisseur und Intendant, seine Mutter Elisabeth Trissenaar Schauspielerin. Er hat mit beiden zusammengearbeitet, sein erster Spielfilm entstand unter der Regie des Vaters. Mit dem Theater habe er in seiner Kindheit aber wenig anfangen können: "Die Geschichten und Texte waren mir zu künstlich. Ich mochte Roger Moore und Bud Spencer." Neuenfels arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten als Bildgestalter oder Director of Photography. Ein Markenzeichen wie die berühmten Kreisfahrten seines vor vier Jahren verstorbenen Kollegen Michael Ballhaus hat er keines. Er arbeitet gerne mit Handkameras, stellt sich aber ansonsten in den Dienst des jeweiligen Projekts.

Er hat eine klare künstlerische Haltung, er kennt die Anforderungen des Marktes

So auch bei seinem jüngsten Film "Hinterland", bei dem er erneut auf Regisseur Stefan Ruzowitzky traf. Der historische Thriller hatte Anfang August in Locarno Premiere und gewann den Publikumspreis. Im Oktober soll die Geschichte eines Kriegsheimkehrers, der sich im Wien des Jahres 1920 nicht mehr zurechtfindet, in die Kinos kommen. Das Besondere an diesem Film ist, dass er in einem leeren Studio gedreht wurde und das Szenenbild erst im Computer eingefügt wurde. "Wir wollten einen Film machen, bei dem wir uns die Locations selbst bauen", erzählt er. Auch die vielleicht naive Frage des Reporters, was man bei so einem Projekt hinter der Kamera zu tun habe, kann er schlüssig beantworten: Entscheidend sei das Licht, das sei eine große Herausforderung gewesen. Die Blickwinkel müssen festgelegt, die Bildwirkung mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund kalkuliert werden. Sonst sehe es furchtbar aus: "Man kann ja nicht einfach seine Aufnahmen abgeben und irgendjemand macht dann am Computer den Hintergrund."

Er erzählt noch viel von den anderen Aufgaben des Berufs, von Motivsuche und Erzählperspektive, Bildauflösung und Leuchtdichte. Und wenn ein Film abgedreht sei, gehe es weiter mit Farbkorrekturen und der Anpassung an diverse Formate. Es gibt in Deutschland mindestens 60 Millionen Kameraleute, zumindest haben so viele Menschen ein Smartphone mit Kamera. Neuenfels ist kein Kameramann, er hält nicht einfach drauf. Er hat eine klare künstlerische Haltung, er kennt die Anforderungen des Marktes. Egal also, ob er eine Doku dreht, eine Komödie oder einen Thriller: Dieser Mann macht eine gute Figur, nicht nur im Mondlicht am See.

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